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Wolfgang Wildgen - Fachbereich 10 - Universität Bremen

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5. Regionale Sprachkultur oder die Zukunft regionaler Sprachen<br />

(am Beispiel <strong>Bremen</strong>)<br />

Die Frage, was die Einheit der Menschheit, einer Kultur, einer Nation,<br />

einer Volksgruppe, ja, einer Familie ausmacht, hat unterschiedliche, widersprüchliche<br />

Antworten erhalten. Entsprechend schwierig ist es über<br />

das Verhältnis von Kulturen, Nationen, Volksgruppen zu sprechen oder<br />

gar Rezepte für die interkulturelle Kommunikation zu geben. Dieses<br />

kulturphilosophisch ungelöste Problem (vgl. z.B. Holenstein, 1998)<br />

scheint es aussichtslos zu machen, über regionale Kulturen, etwa der<br />

niederdeutschen Sprecher, deren Verhältnis zur nationalen Kultur (in<br />

Deutschland) bzw. bei Niederdeutsch sprechenden Gruppen in Holland,<br />

Amerika, Russland zur jeweiligen Mehrheitskultur zu sprechen. Da die<br />

symbolischen Medien, in vorderster Linie die Sprache, häufig als Ausdruck<br />

einer kulturellen Identität angesehen werden können, kann man das<br />

Problem auf jenes der Identität und der Beziehungen von Sprachen<br />

verschieben (allerdings müssen sprachliche und kulturelle Identität<br />

keineswegs zusammenstimmen).<br />

Nun sind auch die Fragen: Was ist Deutsch, Niederdeutsch, ostfriesisches<br />

oder Bremer Platt usw. nicht so ohne weiteres klar zu beantworten,<br />

da viele Sprecher mehrsprachig sind, die Sprachen sich in der Diglossie<br />

beeinflussen, partielle Kompetenzen häufig oder sogar die Regel sind und<br />

bei näherem Hinsehen selbst kleinste geographische, soziale oder<br />

situative Unterschiede zur Variation der Sprache führen. Soll man<br />

deshalb die Intuition, es gäbe so etwas wie nationale oder regionale<br />

Kultur, oder es gäbe Sprachen mit Regeln und abgrenzbarer Identität<br />

aufgeben? Nein.<br />

Man muss nur von der naiven Raumvorstellung, die eine Nationenkarte,<br />

als Mosaik farbiger Flächen, oder die ein Dialektatlas mit seinen<br />

Isoglossen vermittelt, Abschied nehmen und zu einem realistischeren<br />

Raummodell greifen. Es kann leider nicht so einfach sein wie das alte (ein<br />

Grund, weshalb dieses sich so hartnäckig hält). Die areale Verteilung ist<br />

annähernd kontinuierlich, mit Verdichtungen, wie die Isoglossen zeigen<br />

und fraktalen Einsprengungen; d.h. ein nicht homogenes Kontinuum mit<br />

kritischen Übergängen (schwachen Grenzen), vielen Einzelpunkten und<br />

gestreuten Ausnahmen (die fraktale Teilstruktur). Aber die räumliche<br />

Dimension, die ich als zweidimensional annahm, reicht nicht aus. Häufig<br />

ist die soziale Struktur, z.B. ländlich-städtisch auch geographisch differenziert,<br />

nur in den Großstädten und am Arbeitsplatz ist die soziale<br />

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