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Wolfgang Wildgen - Fachbereich 10 - Universität Bremen

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Reformation, die Weserbegradigung im 19. Jahrhundert usw. Sicher wird<br />

vielen, etwa beim Lesen von Inschriften an Bauten, auch klar, dass in<br />

historischer Zeit <strong>Bremen</strong> eine Niederdeutsch sprechende Stadt war. Zum<br />

regionalen Bewusstsein in <strong>Bremen</strong> gehört sicher die von den Politikern<br />

häufig erwähnte und schon durch den Namen markierte „Freie<br />

Hansestadt“, wobei „frei“ zumindest für die Gebildeten auf die Reichsunmittelbarkeit,<br />

den nicht feudalen Charakter und eine liberale Verfassung<br />

verweist. „Hansestadt“ verweist auf eine mittelalterliche Großregion<br />

und <strong>Bremen</strong> teilt diese Benennung mit Hamburg, Lübeck, Rostock u.a.,<br />

d.h. eine norddeutsche Küstenregion wird durch diese Anbindung an die<br />

spätmittelalterliche Hanse evoziert (dass auch Köln und viele heute in<br />

Belgien, den Niederlanden, Norwegen, Schweden, Polen, Lettland usw.<br />

liegende Städte dazugehören ist wohl nur wenigen Personen bewusst).<br />

Jedenfalls wird eine Region auch historisch zu definieren sein, wobei<br />

darauf zu achten ist, dass eigentlich das noch vorhandene, eventuell das<br />

wieder belebbare, historische Bewusstsein in der Bevölkerung und nicht<br />

die von den Historikern gesammelten Fakten zählen.<br />

Sehr häufig kommen als Inhalte eines National- oder Regionalbewusstseins<br />

fiktive Elemente oder gar Geschichtsfälschungen hinzu. Man weiß<br />

heute, dass sogar die Reichsunmittelbarkeit <strong>Bremen</strong>s mittels einer historischen<br />

Fälschung „bewiesen“ wurde. Die in Bremer Sagen berichtete Ursprungssage<br />

<strong>Bremen</strong>s ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts (vom Verfasser<br />

der Sage, Wagenbach), die Rathausfassade ist ein allegorisches<br />

Bilderbuch des Manierismus (16<strong>10</strong>), mit dem das Bewusstsein der damaligen<br />

Bürgerschaft dokumentiert wird und weder der historische Roland<br />

noch derjenige des Roland-Liedes hat etwas mit <strong>Bremen</strong> oder der Hanse<br />

zu schaffen. Das regionale oder nationale Bewusstsein ist also selbst symbolisches<br />

Medium, das mit gewissen politischen Absichten hergestellt<br />

oder zumindest mit weiteren Details ausstaffiert wurde.<br />

Für die Mitglieder einer Regional- oder National-Kultur ist übrigens<br />

deren Existenzweise ebenso vage und problematisch wie für den Analysierenden.<br />

Klar und scharf wird diese erst in der ideologischen Borniertheit<br />

von Nationalisten, Separatisten oder professionellen Traditionalisten.<br />

Es wäre also inadäquat, wenn die Wissenschaft einen glasklaren<br />

und fest umrissenen Begriff davon entwickeln würde.<br />

Die Region ist ein Begriff, der soziale Gruppen größer als die Familie,<br />

als den Ort (Stadt, Dorf) umfasst. Größere Einheiten sind in Deutschland<br />

die Flächenstaaten, die mehrere Regionen enthalten können, die Nation,<br />

der Völkerbund (z.B. die EU), der historische Großraum, etwa Europa,<br />

der Kontinent (z.B. Eurasien), die Weltgemeinschaft.

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