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Rundbrief 2/2004 - Verband für sozial-kulturelle Arbeit eV ...

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Für die meisten Sozialhilfe-Empfänger war mit der Annahme einergemeinnützigen zusätzlichen Beschäftigung die Möglichkeitverbunden, sich Schritt für Schritt (in der Regel über eine „Maßnahmen-Kette“)aus der Sozialhilfe herausarbeiten zu können, dieTätigkeit hatte also eine „Aufstiegsperspektive“. Eine Reihe dero.g. Fördermöglichkeiten scheint zur Zeit abgebaut zu werden.Die Beschäftigung im Rahmen der 1-2 Euro Jobs, die auch wiedernur auf 6-12 Monate befristet sein soll, verharrt insofern in einerSackgasse.Für diejenigen unter den <strong>Arbeit</strong>slosenhilfebeziehern, für die das<strong>Arbeit</strong>slosengeld II eine massive Kürzung ihre Bezüge bedeutet,ist diese Art von Beschäftigungsangeboten neu, weil ihnen bisherdas <strong>Arbeit</strong>samt Beschäftigungsangebote nur in Form <strong>sozial</strong>versicherungspflichtigerBeschäftigungsverhältnisse gemacht hat(abgesehen von Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen.)Dabei gab es wenigstens theoretisch immer einen Bezug zur bisherigenQualifikation und angedachten möglichen Beschäftigungenauf dem 1. <strong>Arbeit</strong>smarkt. Dieser Zusammenhang entfällt beiden neuen Beschäftigungsmöglichkeiten. Es ist anzunehmen, dassdas von vielen <strong>Arbeit</strong>slosen als eine Deklassierung empfundenwird, die auf sie (ausgerechnet) im gleichen Augenblick zukommt,in denen sich für viele auch ihre materielle Situation massiv zumSchlechteren verändert.In einem Punkt unterscheidet sich allerdings das aktuelle Sofortprogrammnoch von den Regelungen, die ab 1.1.2005 geltensollen: die <strong>Arbeit</strong>slosenhilfe-Empfänger, denen jetzt eine entsprechende<strong>Arbeit</strong>sgelegenheit angeboten wird, dürfen das Angebotablehnen, ohne dass das zu Sanktionen (wie Kürzung der Bezüge)führt. Dafür gibt es zur Zeit nämlich keine Rechtsgrundlage, diewird erst mit dem <strong>Arbeit</strong>slosengeld II geschaffen.Prinzip FreiwilligkeitDamit ist in diesem Sofortprogramm noch ein Prinzip praktischgewahrt, das für die Nachbarschaftseinrichtungen, die in diesemFeld tätig sind, von entscheidender Bedeutung ist, nämlich, dasseine freiwillige Entscheidung zur Aufnahme der Tätigkeit vorliegt.Anders als für manche anderen <strong>sozial</strong>en Institutionen ist Freiwilligkeitder Beziehungen auf allen Ebenen das Grundprinzip der<strong>Arbeit</strong> der Nachbarschaftseinrichtungen. Bei der Beteiligung anden jetzt anlaufenden Programmen zur Schaffung von „<strong>Arbeit</strong>sgelegenheiten“müssen die Einrichtungen dafür eintreten, dass diesPrinzip gewahrt bleibt.Viele der bisher angedachten Tätigkeitsfelder liegen im Bereichder im weitesten Sinne <strong>sozial</strong>en Dienste, wo es vor allem um dieGestaltung von Beziehungen zu anderen Menschen geht. Daslässt sich mit Zwang nicht vereinbaren, insbesondere wenn solcheTätigkeiten in der Verantwortung von Nachbarschaftseinrichtungenstattfinden, deren Ansatz immer wieder einen Perspektivenwechselerfordert: d.h. die Dinge aus der Sicht der Nutzer und ihrersubjektiven wie objektiven Interessen zu betrachten. Bezogenauf die „Kunden“ von ALG II bedeutet das, die subjektive Wahrnehmungdes Zwangscharakters entsprechender Zuweisungenauch dann ernst zu nehmen, wenn sie objektiv nicht die ganzeWahrheit widerspiegelt. Diejenigen, die vom ALG II betroffen sind,sind u.a. auch Zielgruppe der Nachbarschaftseinrichtungen, Diesemüssen mit ihnen gemeinsam Wege aus dem Dilemma finden, diefür sie subjektiv und objektiv akzeptabel sind.Standards beachtenDas ist möglich, wenn in der konkreten Gestaltung einige Standardsbeachtet werden:• keine Beschäftigung von irgendjemand gegen seinen/ihren Willen• das Recht des Trägers zur Auswahl der Beschäftigtenbleibt gewahrt• wer eine der angebotenen Beschäftigungsmöglichkeitennicht will, passt aus konzeptionellen Gründen nichtin eine Nachbarschaftseinrichtung. Deswegen ist diekonzeptionelle Nicht-Übereinstimmung, die nicht zuLasten des „Bewerbers“ geht, ein ausreichender Grundfür die evtl. Ablehnung einer Zuweisung.• Klärung der individuellen Perspektiven (welchen Nutzenkann jemand aus der Beschäftigung ziehen ?)• Qualifizierungsanteile festlegen und garantieren (Bewerbungstrainingwird nicht als Qualifizierunggewertet)• Sprachsensibilität (wir „melden“ keinen „Bedarf an“ sondernwir „stellen Beschäftigungsmöglichkeiten zurVerfügung“)Für Einrichtungen, die nicht selber Beschäftigungsträger unddamit Vertragspartner einer <strong>Arbeit</strong>sagentur sind, sind diesePrinzipien leicht durchzuhalten. Sie sollten aber auch für Einrichtungengelten, die Beschäftigte direkt von der <strong>Arbeit</strong>sagentur„zugewiesen“ bekommen und durch die fallbezogene Förderungder Trägerkosten (immerhin bis zu 300 Euro pro Teilnehmer undMonat) leicht unter Druck geraten können.Wenn wir hier eine klare Haltung beziehen, ist das nicht nur eine„Gewissensfrage“ sondern wird uns auf mittlere Sicht auch gegenüberPolitik, Verwaltung und <strong>Arbeit</strong>sagenturen für den Fall nützen,dass die anvisierten großen Zahlen bei dem zu erwartendenWiderstandspotential der (subjektiv) deklassierten <strong>Arbeit</strong>slosenhilfeempfänger/innen gegen alle Formen von „Zwangsarbeit“ nichtzu erreichen sind.Ohne Vermittlungsprozesse, die ein hohes Maß an Freiwilligkeit(auf beiden Seiten) zur Grundlage haben, wird es nicht gehen.Vorschläge zur Diskussion gestelltDafür sollten wir eigene Vorschläge machen, wie sie z.B. vomNachbarschaftshaus KiekIn zur Diskussion gestellt worden sind:• Es wäre denkbar, dass zuweisungsberechtigte Erwerbsloseeinen Gutschein erhalten, auf dem der Förderzeitraumsowie eventuelle Stundenvorgaben vermerkt sind.Träger, die <strong>Arbeit</strong>sgelegenheiten anbieten wollen,müssten diese in Form eines Angebotskatalogespräsentieren, der im Vorfeld mit der „ARGE“ abgestimmtwird. Der Gutscheininhaber könnte nunmehr innerhalbeiner kurzen Frist selbständig das Angebot bei demTräger auswählen, das ihn am meisten anspricht. NachKontaktaufnahme mit dem Träger könnte dann dieindividuelle Fördervereinbarung abgeschlossen werden.Ein Ansatz, der auf diese oder ähnliche Weise auf zweiseitig<strong>eV</strong>ereinbarungen statt auf einseitig ausgeübten Zwang setzt,hat gegenüber den bislang im Gespräch befindlichen Abläufenfolgende Vorteile:• Die <strong>Arbeit</strong> entspricht dem Interesse der Erwerbslosen• Diese übernehmen Verantwortung für sich selbst, ein<strong>eV</strong>orbedingung für die Überwindung jener Resignation,die jede Beschäftigungschance verhindert• Die Träger treten in einen Wettbewerb untereinanderein, sie müssen die <strong>Arbeit</strong>sgelegenheiten möglichstattraktiv gestaltenDen offiziellen Zielsetzungen des Programmswäre damit besser gedient als mit der Vermittlung ungewollterBeschäftigungen: geht es doch darum, bei Langzeitarbeitslosendie „Beschäftigungsfähigkeit“ zu erhalten, bzw. Jugendliche undjunge Erwachsene an eine reguläre Beschäftigung heranzuführen.Dafür ist alles von Vorteil, was Motivationen weckt und potentielleStärken einbezieht.11

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