Innovationsmanagement• Gestaltung innovationsorientierter LernkulturenLernkultur wird immer häufiger als ein Erfolgsfaktor für Wettbewerbsfähigkeit und Innovationangeführt. Millionenschwere Kulturwandel-Projekte kommen wieder in Mode, doch was sichhinter dem Begriff „Lernkultur“ verbirgt, bleibt oft im Unklaren. Eine am IAI entwickelte Lernkultur-Typologiefokussiert auf den Umgang mit Fehlern als Kern einer innovatorischen Lernkultur:Unternehmen müssen „fit“ in drei Disziplinen sein, um aus Fehlern lernen zu können.Neben der vielstimmig beschworenen Fehlertoleranz geht es um das Fordern und Fördern desLernens aus Fehlern sowie um die Organisation eines Erfahrungsaustauschs. Die Beobachtungder betrieblichen Realität, vermittelt über eine schriftliche Befragung von 3000 Erfindern in Industrieunternehmen,zeigt aber, dass verbreitete Vorstellungen über das Lernen aus Fehlern kritischzu hinterfragen sind: 39% der Erfinder radikaler Neuerungen erwarten im ScheiternsfallHäme und Spott von Kollegen – ein empirischer Befund, der das Bild von der Fehlertoleranzgründlich persifliert.Wenn etwas„schief läuft“im Betrieb, greifenTransfer„Sharing Culture“Monopolbloße emoti-des Lernensproaktiver Supportonale Unterstützungund eineLernkultur„Kultur der zweiten(i.e.S.)Chance“ zukurz. EntscheidendLernen nurist, das Ler-eigeninitiiertnen aus FehlernSanktion Fehlerkultur (i.e.S.) Toleranzanzureizen undproaktiv zu unterstützen.Dennoch(Wie) Lernen Unternehmen aus ihren Fehlern?„Fitness“ in drei Disziplinen ist gefragtrechnen nur 22% der befragten Erfinder mit Unterstützung ihrer Vorgesetzten – der Supportbeim Lernen aus Fehlern stellt offenbar eine noch unterschätzte Führungsaufgabe dar. Darüberhinaus machen die empirischen Befunde deutlich, dass die Harmonieillusion eines offenen Erfahrungsaustauschsmit den Anforderungen in Innovationsprozessen kaum zu vereinbaren ist.Die entwickelte Typologie kann im Betrieb als Diagnoseinstrument zur Unterstützung einesLernkultur-Audits und somit als Ausgangspunkt eines Organisationsentwicklungs-ProzessesVerwendung finden.Veröffentlichungen: in Vorbereitung.46
Innovationsmanagement>> Innovationsforschung: Zu Neuem aufbrechenVon Prof. Dr. Bernd Kriegesmann, <strong>Institut</strong> für <strong>angewandte</strong> Innovationsforschung (IAI)In den letzten Jahren ist der Druck zur Veränderung in weiten Bereichen der Wirtschaft gestiegen. Angesichts dieser Entwicklung erzieltman schnell Einigkeit über die Notwendigkeit zur Innovation. Damit einher geht die verstärkte Suche nach Patentrezepten, wieInnovationen anzugehen sind – möglichst per Knopfdruck. Doch Innovationen gelten auch als Störenfried und bedrohen gewohnteStrukturen und Prozesse. Der Aufbruch zu Neuem erfordert eine Strategie, die in keinem Lehrbuch steht.Setzt man sich ernsthaft mit Innovationen, dieüber Verbesserungen hinausgehen, auseinander,wird sehr schnell klar, dass die programmatischeInnovationsallianz ins Wanken gerät, wenn dieRealisierung "droht". Innovation als Störenfriedstellt bestehende Strukturen und Prozesse inFrage, bedroht lieb gewordene Privilegien undentwertet Kompetenzen, die die eigene Positionbegründen. Das ist ein schmerzhafter Prozess,den viele meiden und die kurzfristig bequemereAlternative der Besitzstandswahrung mit allenfallskleineren Veränderungen vorziehen (insofernist die aktuelle politische Debatte ein idealesLernfeld für Innovationsforschung).Echte Innovationen werden verschoben, solange es geht, und Restesicherung wird betrieben:Es ist attraktiv, das bekannte Geschäftweiter zu optimieren und lediglich um einzelneGeschäftsfelder zu bereinigen. Marginale Verbesserungenund Rationalisierungen in kleinerwerdenden Nischen oder Fusionen sind danndas höchste Maß an Entwicklung. ÜberzogenesLean-Management oder Reengineering-Ansätzeschaffen zwar ein vorübergehendes Optimum,aus dem auszubrechen und neue Entwicklungenanzustoßen, dadurch es jedoch noch schwierigerwird. Wenn die Mitarbeiter zu 120 Prozent mitRoutinen ausgelastet sind, fehlt die Luft fürNeues.>Die Abschöpfung der berhangpotenzialehat in vielen Unternehmen zum Abbau derletzten innovatorischen Freiräume geführt. Dieeigene Orientierungsfähigkeit, sich in neu entstehendenWirtschaftsstrukturen zu positionieren,bleibt damit auf der Strecke. Das spiegeltsich in den gleichförmigen strategischen Ausrichtungenvieler Unternehmen wider. Die eigeneOrientierung und potenzialorientierte Suchenach neuen Wertschöpfungsmöglichkeiten wirddurch Außensteuerung ersetzt: Man läuft unreflektiertTrends respektive prognostiziertenZukunftsmärkten hinterher, die auch die Konkurrenzanlocken.Im Ergebnis sorgt dieses gleichförmigeVerhalten dafür, dass alle Wettbewerber nacheiniger Zeit wieder gleich aussehen und sich aufden gleichen überbesetzten "Wachstumsmärkten"gegenüberstehen. Dass dann noch die hektischangebotenen Leistungen aufgrund mangelnderKompetenzen kaum beherrscht werden,verursacht nicht nur erhebliche Kosten, denenkaum Umsätze gegenüberstehen, sondern auchVerdruss beim Kunden. Die Erfolge solcherdurch Trends außengesteuerter Angebote sinddementsprechend gering. Hochgesteckte Entwicklungsabsichtenbleiben auf der Strecke.Will man nicht dem Run der Lemminge aufüberbesetzte und vom eigenen Kompetenzprofilgar nicht beherrschbare Felder folgen, sonderndie bearbeitbare Zukunft erschließen, bedarf eseines Innovationsmanagements jenseits vonTrends und Moden. Ausgangspunkt ist dabei dieSchaffung eigener Orientierung zur(Neu-)Positionierung in sich veränderndenWertschöpfungsketten. Dabei geht es um einenAbstimmungsprozess zwischen Neuorientierungserfordernissenund verfügbaren beziehungsweiseentwickelbaren Kompetenzen, indem sowohl der Markt als auch die eigenenPotenziale Ausgangspunkt für Innovationen seinkönnen.>In "wohl geregelten" Organisationen unterbleibenEntwicklungsprozesse mit eigener Positionierungjedoch allzu oft. Ausbrüche aus gewohntenBahnen – wie der Übergang bei Mannesmannvom Stahl zur Telekommunikation –sind – ehrlich analysiert – Organisationsversehen,das heißt, die Kontrollmechanismen versagten.Die Erfolge kamen zustande, weil sich ineiner kritischen Phase einzelne Führungskräfte"vorschriftswidrig" verhalten haben und gegenden Mainstream agierten, sich also eigene Orientierungverschafften. Das war – und in diesemPunkt gleichen sich die Entwicklungspfade vonbestehenden und neu gegründeten Unternehmen– nur möglich, weil sich zum rechten Zeitpunktkompetente Personen außerhalb der eingefahrenenBahnen engagierten und nicht fragten, wasmachen die anderen, sondern den Mut hatten,selbst etwas zu unternehmen, was noch keinanderer unternommen hatte.Erfahrungen zeigen, dass viele Unternehmendie Chancen dieses Orientierens, diesesschrittweisen, stärker experimentellen Ausprobierensund Testens neuer Geschäftsfelder auslassen.Ihr Innovationsmanagement ist noch sehrstark von Konzepten und Instrumenten derklassischen Strategielehre geprägt. Durch systematischeAnalyse der Wettbewerber und Kunden,der Unternehmensstärken und -schwächen,Vorhersage künftiger naturwissenschaftlichtechnischerEntwicklungen sowie die Verknüpfungall dieser Analyse- und Prognoseergebnissezu Handlungsentwürfen für die Zukunft glaubtman, das Innovationsphänomen planend bewältigenzu können.Wirkliche Ausbrüche aus gewohnten Bahnenverlaufen nach anderen Mustern. Innovationensind häufig nicht das Ergebnis der Durchführungzentral entwickelter Pläne, sondernentstehen aus Zufällen oder Versuchen undIrrtümern sowie aus Lernprozessen dezentralerInnovationskräfte, die häufig ohne das Wissendes Top-Managements, zum Teil sogar gegenAnordnungen handeln, sich mit Fachkräften ausanderen Abteilungen verbünden, im Untergrundarbeiten und erst an die Oberfläche kommen,wenn sie vom Erfolg überzeugt sind.>Die Entfaltung innovativer Kräfte erforderteine Strategie, die in keinem Lehrbuch steht undauch den modischen Beratermanuals fremd ist.Diese Strategie erfordert die Entkopplung derinnovativen Kräfte aus den verkrusteten altenNetzwerken, die Bereitstellung von Ressourcenohne die kontraproduktiven Kontrollschleifender eingefahrenen Regulierungssysteme und dasZutrauen in die Leistungsfähigkeit der so abgespaltenenInnovationseinheiten. Fach- und Führungskräftemüssen zu Neuem ermutigt werden,sie brauchen Freiräume, sich eigene Orientierungzu erarbeiten und Erfahrungen für neueFelder aufzubauen.Es ist eine Art "Partisanenstrategie", dieden Aufbruch zu Neuem möglich macht. Siemeidet runde Tische, an denen der Konsens fürVeränderungen gesucht wird, Entscheidungenfür echte Innovationen aber nicht zustandekommen oder solange verschoben werden, bisandere die neuen Felder bereits beackern. DieseTrupps überwinden Hindernisse und gehenRisiken ein, die in Gremien und an runden Tischengar nicht diskutierbar sind. Auf sich selbstgestellt, haben sie den Unternehmergeist, der inwohl regulierten und gut kontrollierten Organisationennicht mehr aufkommen kann. DerErfolg dieser Partisanengruppen basiert auf derrichtigen Personenauswahl, den Freiheitsgraden,die ihnen eingeräumt werden und dem Zutrauenin ihre Leistungsfähigkeit und -bereitschaft.Die Ermutigung und Befähigung, selbstständigzu handeln, das heißt ohne zentralePlanvorgaben neue Kombinationen zu probieren,Märkte zu testen, veraltete Strukturen undProzesse zu reorganisieren und neue Formen derZusammenarbeit mit Kunden, Lieferanten etc.zu etablieren, ist in Altorganisationen oft dereinzig mögliche Weg, das Potenzial dezentralerInnovationskräfte zu entfalten und ausgetretenePfade zu verlassen. Diese Integration von Personal-und Organisationsentwicklung – stattkünstlicher aufbau- und ablauforganisatorischerTrennung von Strategieentwicklung sowie technischer,personeller und organisatorischer Umsetzung– überwindet die Begrenzungen technokratischerUnternehmensentwicklung.47