Mythologie Titelblatt - Gymnasium Interlaken
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16 Das Goldene Zeitalter<br />
9) Ubiquität der Vorstellung vom Goldenen Zeitalter: China<br />
Mythen und Mythendeutung<br />
Die Leute waren beständig in ihrer Natur. Sie webten und hatten Kleidung; sie pflügten und hatten Nahrung;<br />
sie stimmten überein in ihrem Leben; sie waren einig und kannten keine Parteiungen: es war ein Zustand, den man<br />
als natürliche Zufriedenheit bezeichnen kann. Darum war es ein Zeitalter höchsten LEBENS. Sie wanderten ruhig<br />
und gelassen und blickten gesammelt vor sich hin. In jener Zeit gab's auf den Bergen noch keine Pfade und Steige<br />
und in den Seen noch keine Schiffe und Dämme. Alle Wesen waren friedlich vereinigt, und alle sammelten sich in<br />
ihrer Heimat. Tiere und Vögel lebten in Herden beieinander; Kräuter und Bäume wuchsen in ungestörter Ueppig-<br />
keit. So konnte man die Tiere am Halsband spazierenführen und konnte ungehindert auf die Bäume klettern und<br />
in die Vogelnester hineinsehen. Zu jener Zeit höchsten LEBENS wohnten die Menschen zusammen mit den Tieren<br />
und bildeten eine Familie mit allen Wesen. Niemand kannte den Unterschied von Gut und Böse: sie waren alle frei<br />
von Erkenntnis. Darum verliess sie das LEBEN nicht. Sie waren alle frei von Begierden in unschuldsvoller Einfalt.<br />
In dieser unschuldsvollen Einfalt hatten die Leute alles, was sie brauchten.<br />
[Dschuang Dsi; vgl. auch Laotse, Taoteking,<br />
Nr. 80]<br />
10) Rilke: Duineser Elegien: Die achte Elegie<br />
Mit allen Augen sieht die Kreatur<br />
das Offene. Nur unsre Augen sind<br />
wie umgekehrt und ganz um sie gestellt<br />
als Fallen, rings um ihren freien Ausgang.<br />
Was draussen ist,<br />
wir wissens aus des Tiers 5<br />
Antlitz allein; denn schon das frühe Kind<br />
wenden wir um und zwingens, dass es rückwärts<br />
Gestaltung sehe, nicht das Offne, das<br />
im Tiergesicht so tief ist. Frei von Tod.<br />
Ihn sehen wir allein; das freie Tier 10<br />
hat seinen Untergang stets hinter sich<br />
und vor sich Gott, und wenn es geht, so gehts<br />
in Ewigkeit, so wie die Brunnen gehen.<br />
Wir haben nie, nicht einen einzigen Tag,<br />
den reinen Raum vor uns, in den die Blumen 15<br />
unendlich aufgehn. Immer ist es Welt<br />
und niemals Nirgends ohne Nicht: das Reine,<br />
Unüberwachte, das man atmet und<br />
unendlich weiss und nicht begehrt. Als Kind<br />
verliert sich eins im Stilln an dies und wird 20<br />
gerüttelt. Oder jener stirbt und ists.<br />
Der Schöpfung immer zugewendet, sehn<br />
wir nur auf ihr die Spiegelung des Frein,<br />
von uns verdunkelt. Oder dass ein Tier<br />
ein stummes, aufschaut ruhig durch uns durch. 25<br />
Dieses heisst Schicksal: gegenüber sein<br />
und nichts als das und immer gegenüber.<br />
Wäre Bewusstheit unsrer Art in dem