Mythologie Titelblatt - Gymnasium Interlaken
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10 Theorien der Mythendeutung<br />
Theorien der Mythendeutung<br />
4) Ueberblick: Mythen und Mythendeutung<br />
Mythen und Mythendeutung<br />
1. Mythen lassen sich, genau wie Märchen, im naiven Sinn erzählen und lesen: als unterhaltsame, spannende,<br />
manchmal auch seltsame Geschichten. [Das Märchen vom „Froschkönig” als Geschichte von der Prinzessin mit<br />
dem goldenen Ball, dem Frosch, der Einladung ins Schloss und wie sie ihn angeekelt an die Wand schmeisst, mit<br />
der überraschenden Verwandlung des Frosches in einen Prinzen.]<br />
2. Oft aber haben sich die Menschen mit der naiven Lesart der Mythen nicht zufrieden gegeben, sondern nach<br />
ihrer tieferen Bedeutung gefragt. Ein Axiom der Mythendeutung ist der allegorische Ansatz: Allegorie bedeutet<br />
„bildhafte Darstellung abstrakter Begriffe oder Sachverhalte”. Dabei geht man stets davon aus, dass es neben der<br />
Ebene des Gesagten eine Ebene des Gemeinten gibt. Die Mythen wären also nicht als Beschreibungen historischer<br />
Geschehnisse zu lesen, sondern daraufhin zu interpretieren, was sie meinen, worauf sie verweisen. [Das Märchen<br />
vom „Froschkönig” als bildhafte Darstellung pubertärer Konflikte in einem Mädchen: Die Prinzessin = jedes Mäd-<br />
chen / goldene Kugel = Symbol der verspielten Kinderwelt, in die der Ernst des Erwachsenwerdens einbricht /<br />
Frosch = Symbol männlicher Sexualität, die als ‘eklig’, fremd und bedrängend empfunden wird / an-die-Wand-<br />
werfen und Verwandlung = Ueberwindung der Angst als Weg zum natürlichen Umgang mit dem andern Ge-<br />
schlecht.]<br />
3. In verschiedenen historischen Epochen wurden unterschiedliche Methoden der allegorischen Deutung an-<br />
gewandt:<br />
- Schon den Zeitgenossen Platons missfielen die allzu menschlichen Züge der homerischen Götter (Diebstahl,<br />
Seitensprünge, Ehebruch, Lüge usw.) Man versuchte, die Götter als Metaphern für Kräfte der Natur oder in der<br />
menschlichen Seele zu interpretieren.<br />
- Die christlichen Theologen hätten die Mythen am liebsten ganz verworfen; da sie immer noch populär und<br />
produktiv (zB. in der Kunst) waren, versuchte man sie durch Interpretation zu domestizieren: Die christliche My-<br />
thendeutung, zB. jene des Bischofs Fulgentius, versteht die Mythen als umgesetzte Moral; die Figuren werden mit<br />
Tugenden und Lastern, himmlischen, irdischen und teuflischen Wesen gleichgesetzt.<br />
- Im l9. Jahrhundert, dem Jahrhundert des Historismus, wollte man in den Mythen Relikte untergegangener<br />
Kulturen und Epochen sehen. Man hatte durch die Sprachwissenschaft die Verwandtschaft der indoeuropäischen<br />
Sprachfamilie entdeckt und wollte mehr über Ursprache und Urheimat der Indogermanen herausfinden. Der alter-<br />
tümliche Charakter vieler Mythen schien grosse Resultate zu zeitigen.<br />
- Die neuen Erkenntnisse der Psychologie und Psychoanalyse lassen uns viele Mythen als bildhafte Auseinan-<br />
dersetzung mit psychischen Entwicklungen oder Problemen verstehen.