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2007 Weihnachten - Nikolaus - Cusanus - Haus

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28<strong>Haus</strong>zeitungAm Kopfende saß Mutter auf einer improvisierten Sitzgelegenheit. Auf sie warenjetzt alle Blicke gerichtet. In meinem Elternhaus war es nicht üblich gewesen, vordem Essen gemeinsam zu beten. Mit uns am Tisch saßen normalerweise die Gesellen,der Lehrling und die <strong>Haus</strong>gehilfin. Wer da beten wollte, der tat das still für sich.Das war nun alles anders. Es war eine gehobene, fast feierliche Stimmung. Und niemandwäre es eingefallen, sich ohne weiteres über die Mahlzeit herzumachen. Ralpherfasste die Hände der neben ihm Sitzenden, Jim tat das gleiche, und schon saßenwir alle nach amerikanischer Sitte händehaltend um den Tisch, um unser aller Herrgottzu danken. Mutter sprach für uns in ergreifender Inständigkeit, sie schloss mitden Worten: „und bitte, mach’ endlich Schluss mit diesem Krieg“.Als ich mich in der Tischrunde umsah, bemerkte ich einige Tränen, die sich denKriegern aus den Augen stahlen. Niemand schämte sich, sie alle hatten sich ihreMenschlichkeit bewahrt. Nun waren sie ganz einfach wieder die jungen Söhne ihrersich um sie sorgenden Eltern, die einen aus Amerika, die anderen aus Deutschland,alle fern von zu <strong>Haus</strong>. Nach dem Essen gab es starken amerikanischen Nescafé undAnanaspudding, den Jim in kleinen olivgrünen Dosen aus seiner weiten Manteltascheholte. Dann wurden Zigaretten ausgetauscht, hier „Eckstein“, dort „Chesterfield“,und schon hatte jeder der Gäste eine im Mund. Doch der um Herby besorgteMedikus sprach ein Machtwort: „Get out, an die frische Luft!“Draußen war eine vor Kälte klirrende, strahlende Winternacht. Der Himmel war mitSternen übersät, und Mutter forderte uns auf, den am hellsten leuchtenden,den Sirius, anzusehen: „Das ist unser Stern von Bethlehem, der kündigt den Friedenan.“ Niemand sprach ein Wort. Aus der Ferne drang das dumpfe Bollern schwererArtillerie an unsere Ohren. Dennoch schien uns jetzt der Krieg sehr weit und fastvergessen.Dann gingen wir schlafen, die Soldaten auf dem Fußboden auf ihren dicken Mänteln,ich fand in Mutters Bett noch Platz. Herby erwachte im Morgengrauen, undMutter flößte ihm etwas ein. Sie hatte aus amerikanischem Eipulver, dem Rest Rotweinund viel Zucker einen Krafttrunk gequirlt, der es in sich hatte. Ob es auchschmackhaft war, erfuhr ich nie, doch Herby war bei Tagesanbruch sichtlich kräftiger.Zum Frühstück aß er mit uns anderen den Rest der Hühnersuppe. Dann wurdeaus zwei starken Stöcken und einer deutschen Zeltbahn eine Trage für Herby gemacht.Der Unteroffizier zeigte Jim und Ralph auf einer Karte den Weg zu den amerikanischenLinien. Ein deutscher Kompass wechselte den Besitzer. „Passt auf, woihr geht. Viele Wege sind vermint. Und wenn ihr eure Jabos kommen hört, winktwie der Teufel!“

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