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Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie eV

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Geriatrie<br />

tel der Patienten mit Morbus Parkinson klagt<br />

über allgemeine Kopfschmerzen. Allerdings<br />

muss offen bleiben, ob diese Kopfschmerzen<br />

als Nebenwirkung der eingesetzten Medikation<br />

eintreten oder aber durch die Erkrankung<br />

per se bedingt werden.<br />

Arzneimittelinduzierte<br />

Kopfschmerzen<br />

Zahlreiche Arzneimittel, die im Alter <strong>für</strong> verschiedenste<br />

Erkrankungen eingesetzt werden,<br />

können zu Kopfschmerzen führen.<br />

Gleichzeitig kann die Pharmakokinetik<br />

verschiedenster Arzneimittel zur<br />

Behandlung von Alterserkrankungen<br />

mit nachlassenden Arzneimittelspiegeln<br />

in den frühen Morgenstunden zu Kopfschmerzen<br />

beitragen. Als Beispiel sei hier<br />

die Zunahme des Blutdrucks am frühen<br />

Morgen bei nachlassender Wirkung von<br />

Antihypertensiva genannt.<br />

Auch die Einnahme von Analgetika,<br />

insbesondere Kombinationsanalgetika,<br />

im Alter zur Behandlung von Muskel- oder<br />

Gelenkschmerzen, kann bei Patienten<br />

mit primären Kopfschmerzen zu medikamenteninduzierten<br />

Dauerkopfschmerzen<br />

führen. Die übermäßige Einnahme von<br />

Koffein oder von Alkohol kann Grundlage<br />

von Kopfschmerzen sein. Polypragmasie<br />

und Polymedikation im Alter kann aufgrund<br />

nicht bestimmbarer Interaktionen<br />

zu Kopfschmerzen als Nebenwirkungen<br />

der Arzneimitteltherapie führen.<br />

Daher sollte gerade bei älteren Patienten<br />

immer versucht werden, eine möglichst<br />

geringe Anzahl von Arzneimitteln<br />

einzusetzen und jedes eingesetzte Medikament<br />

daraufhin zu überprüfen, ob es wirklich<br />

notwendig ist.<br />

Trigeminusneuralgie<br />

Neben der Arteriitis temporalis ist die Trigeminusneuralgie<br />

eine ebenso seltene wie typische<br />

<strong>Schmerz</strong>erkrankung im Alter. Aufgrund der<br />

prägnanten klinischen Symptomatik der Trigeminusneuralgie<br />

kann sie schnell diagnostiziert<br />

werden. Die charakteristischen Merkmale sind<br />

kurze einschießende trigeminusastbezogene<br />

<strong>Schmerz</strong>en im Sinne eines <strong>Schmerz</strong>blitzes.<br />

Die <strong>Schmerz</strong>paroxysmen können durch Triggermechanismen<br />

wie Kauen, Sprechen, Kälte,<br />

Zähneputzen etc. ausgelöst werden. Bei einigen<br />

Patienten kann zwischen den <strong>Schmerz</strong>paroxysmen<br />

auch ein Dauerschmerz bestehen.<br />

Glossopharyngeusneuralgie<br />

Auch die Glossopharyngeusneuralgie ist eine<br />

typische Alterserkrankung, wenngleich sie<br />

noch seltener als die Trigeminusneuralgie auf-<br />

14<br />

Archiv<br />

tritt. Die Patienten verspüren hier den <strong>Schmerz</strong><br />

im Rachenraum. Viele der betroffenen Patienten<br />

sprechen und essen nicht, da damit<br />

<strong>Schmerz</strong>attacken ausgelöst werden. Schnell<br />

wird hier fälschlicherweise eine psychiatrische<br />

Erkrankung angenommen. In der neurologischen<br />

Untersuchung können jedoch mit Auslösung<br />

des Würgreflexes auch eindeutig<br />

<strong>Schmerz</strong>paroxysmen auslöst werden, die dann<br />

die Diagnosestellung und damit eine gezielte<br />

Behandlung ermöglichen.<br />

Postherpetische Neuralgie<br />

Auch die postherpetische Neuralgie ist eine<br />

typische Alterserkrankung. Der akute Herpes<br />

zoster tritt zunächst mit Parästhesien auf, die<br />

ebenfalls trigeminusastbezogen lokalisiert<br />

sind. Etwa vier Tage später treten vesikuläre<br />

Eruptionen auf. Die Bläschen gehen mit einem<br />

ausgeprägten schmerzhaften Brennen, Parästhesien<br />

und Dysästhesien einher. Bei einem<br />

Teil der Patienten finden sich zusätzlich stichartige<br />

oder stromstoßartige <strong>Schmerz</strong>en.<br />

Allgemeine Regeln <strong>für</strong> die<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie im Alter<br />

Zunächst sollte eine genaue Differenzierung<br />

der <strong>Schmerz</strong>ursache vorgenommen werden<br />

und nozizeptive, neuropathische und psychiatrisch<br />

bedingte <strong>Schmerz</strong>en differenziert werden.<br />

In erster Linie sollte nach Möglichkeit die<br />

Grunderkrankung behandelt werden und eine<br />

Symptomkontrolle durch spezielle schmerztherapeutische<br />

Maßnahmen eingeleitet werden.<br />

• Grundregeln der pharmakologischen Be-<br />

handlung sind der Einsatz möglichst lang wirksamer<br />

Substanzen bei Dauerschmerzen und<br />

das Zurverfügungstellen von Akutmedikation<br />

bei Durchbruchschmerzen.<br />

• Dabei sollte ein „End-of-Dose-Wirkverlust“<br />

beachtet werden und eine mögliche prophylaktische<br />

Einnahme vor <strong>Schmerz</strong> verstärkenden<br />

Situationen erwogen werden.<br />

• Vorhersehbare Nebenwirkungen sollten vermieden<br />

oder rechtzeitig behandelt werden,<br />

zum Beispiel Übelkeit bei Neueinstellung mit<br />

einem Opioidanalgetikum oder Obstipation<br />

bei Gabe von Opioiden.<br />

• Im Alter findet sich eine reduzierte Darmmotilität<br />

mit der erhöhten Gefahr einer<br />

gastrointestinalen Ulzeration bei Einsatz<br />

von NSAR`s.<br />

• Auch ein reduzierter Magen-pH kann<br />

verstärkt zu einer gastrointestinalen Ulzeration<br />

führen.<br />

• Die eingeschränkte hepatische und renale<br />

Funktion kann eine verlängerte Halbwertszeit<br />

von Analgetika bedingen, ein<br />

reduziertes Körperverteilungsvolumen<br />

führt zu einem erhöhten Serumspiegel<br />

verschiedenster Substanzen und damit zu<br />

einer schnelleren und ausgeprägteren<br />

Wirkung sowie zu mehr Nebenwirkungen.<br />

• Die Abklärung der <strong>Schmerz</strong>ursache ist<br />

angesichts der häufigen Multimorbidität<br />

älterer Patienten in der Regel komplexer<br />

als bei jüngeren Patienten.<br />

• Bei bekannten und behandelbaren<br />

<strong>Schmerz</strong>ursachen ist nach Möglichkeit<br />

immer eine kausale <strong>Therapie</strong> anzustreben<br />

und gerade bei chronischen <strong>Schmerz</strong>en<br />

im Alter sollte dem Patienten immer eine interdisziplinär<br />

geplante <strong>Therapie</strong> eröffnet werden.<br />

• Dabei ist zu berücksichtigen, dass die medikamentöse<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie nur ein Baustein<br />

im Gesamtkonzept sein kann. Weitere Bausteine<br />

sind physiotherapeutische Verfahren, Techniken<br />

der <strong>Schmerz</strong>bewältigung, psychosoziale<br />

und invasive <strong>Therapie</strong>methoden.<br />

Auch wenn das Alter die Quelle vieler Erkrankungen<br />

ist, sind Kopfschmerzen im Alter<br />

weniger häufig als in jüngeren Jahren. Treten<br />

Kopfschmerzen im Alter jedoch neu auf, muss<br />

primär immer eine symptomatische Genese<br />

in Erwägung gezogen werden. Daher müssen<br />

Kopfschmerzen im Alter besonders aufmerksam<br />

evaluiert, technische diagnostische Verfahren<br />

zusätzlich zur klinischen Untersuchung<br />

herangezogen und die <strong>Therapie</strong> interdisziplinär<br />

organisiert werden.<br />

Literatur beim Verfasser oder der Redaktion<br />

Hartmut Göbel, Kiel<br />

www.schmerzklinik.de<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 4/2005 (21. Jg.)

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