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Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie eV

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BTZ/2000<br />

Kooperation mehr denn je erforderlich<br />

Die diesjährige Jahrestagung der DGSS in Bremen stand unter dem Motto<br />

„<strong>Schmerz</strong> in Forschung, Klinik und Praxis – Komplexität braucht Kooperation“<br />

und wurde von über 2500 Teilnehmern besucht. Über die<br />

Highlights des Kongresses sowie die Probleme der <strong>Schmerz</strong>therapie in<br />

Klinik und Praxis informieren die Kongresspräsidenten, Priv.-Doz. Dr.<br />

med. Michael Strumpf, DGSS, Bremen, und Priv.-Doz. Dr. med. Stefanie<br />

Förderreuther, DMKG, München, im folgenden Interview.<br />

?<br />

Warum wurde dieses Motto gewählt,<br />

welche Berufsgruppen müssen in der<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie kooperieren?<br />

Michael Strumpf: Unter dem Motto des diesjährigen<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>kongresses „<strong>Schmerz</strong><br />

in Forschung, Klinik und Praxis – Komplexität<br />

braucht Kooperation“ hatte die Interdisziplinarität<br />

einen besonderen Stellenwert. Es fanden<br />

wissenschaftliche Symposien gemeinsam mit<br />

Chirurgen, Urologen, Orthopäden, Pädiatern,<br />

Neurologen, Psychologen, Psychosomatikern<br />

und Apothekern statt. Ziel ist es, gemeinsam<br />

Konzepte zu entwickeln, die die Effektivität der<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie verbessern. Daten zeigen<br />

z.B., dass Kooperationskonzepte zwischen<br />

Ärzten und Apothekern das Medikamenteneinnahmeverhalten<br />

der Patienten verbessert und<br />

Nebenwirkungen bei der medikamentösen<br />

<strong>Therapie</strong> seltener auftreten.<br />

?<br />

Wo sehen Sie Probleme und wie lässt<br />

sich die Kooperation verbessern?<br />

Michael Strumpf: Die Prävention chronischer<br />

<strong>Schmerz</strong>en ist in Deutschland ein noch eher<br />

vernachlässigtes Gebiet. Neue Daten der pe-<br />

Blick in den Schnoor.<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 4/2005 (21. Jg.)<br />

rioperativen <strong>Schmerz</strong>therapie zeigen, dass<br />

„Fast-Track-Konzepte“ (Kombination von schonenden<br />

chirurgischen Techniken, einer rechtzeitigen,<br />

effektiven <strong>Schmerz</strong>therapie und einer<br />

frühen Mobilisierung der Patienten) chronische<br />

<strong>Schmerz</strong>en verhindern können, die Komplikationsrate<br />

senken und die Krankenhausverweildauer<br />

verringern. Mit diesen Konzepten besteht<br />

<strong>für</strong> das Gesundheitssystem ein erhebliches<br />

Kosteneinsparpotenzial. Neue Leitlinien<br />

<strong>für</strong> die perioperative und posttraumatische<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie sowie <strong>für</strong> die <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

auf Intensivstationen wurden bei diesem<br />

Kongress vorgestellt.<br />

?<br />

Ein Hauptthema war der Rückenschmerz.<br />

Was gibt es hier <strong>für</strong> neue<br />

Erkenntnisse und beeinflusst dies die<br />

<strong>Therapie</strong>?<br />

Michael Strumpf: 90% aller Menschen haben<br />

irgendwann mal in ihrem Leben akute Rückenschmerzen,<br />

aber nur bei 10 % entwickelt sich<br />

ein chronisches <strong>Schmerz</strong>syndrom. Diese verursachen<br />

aber den größten Teil der Kosten.<br />

Verschiedene Forschungsgruppen haben sich<br />

damit beschäftigt, wie man diese Patienten<br />

identifizieren kann, damit sie frühzeitig einer<br />

geeigneten <strong>Therapie</strong> zugeführt werden können<br />

und eine weitere Chronifizierung verhindert<br />

werden kann. Die Ergebnisse verschiedener<br />

Studien zeigen: Biomechanische Faktoren und<br />

der körperliche Befund sind als Prädiktoren<br />

weniger geeignet, bedeutsamer sind Kognitionen<br />

(Gefühle, Gedanken, Vorstellungen) und<br />

Verhalten. Für eine Chronifizierung gefährdet<br />

sind insbesondere Personen<br />

• mit wenig sozialer Unterstützung aus ihrer<br />

Umgebung,<br />

• mit depressiver Stimmungslage,<br />

• mit hoher Unzufriedenheit am Arbeitsplatz,<br />

• die akut auftretende <strong>Schmerz</strong>en als stark<br />

bedrohlich interpretieren,<br />

• die Be<strong>für</strong>chtungen über den weiteren Verlauf<br />

haben,<br />

• mit hoher Aufmerksamkeit auf das <strong>Schmerz</strong>geschehen,<br />

Interview<br />

„Kooperation<br />

mehr denn je<br />

erforderlich“<br />

Michael Strumpf,<br />

Bremen<br />

• mit Gefühlen der Hilflosigkeit gegenüber den<br />

<strong>Schmerz</strong>en.<br />

Um diese Risikopatienten zu erkennen, sind<br />

Screeninginstrumente entwickelt worden, so-<br />

dass sie frühzeitig der notwendigen interdisziplinären<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie mit individuell differenzierten<br />

psychosozialen Interventionen<br />

zugewiesen werden können.<br />

?<br />

Welche Rolle spielt die Psyche bei<br />

chronischen <strong>Schmerz</strong>patienten?<br />

Michael Strumpf: Psychische Aspekte spielen<br />

bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von<br />

<strong>Schmerz</strong>erkrankungen eine wesentliche Rolle.<br />

Frühere psychologische Studien haben dies<br />

bereits vielfältig aufzeigen können. Aktuelle<br />

Studien mit funktionell-bildgebenden Verfahren<br />

(fMRT) zeigen nun auch, dass bei bestimmten<br />

Gefühlen und <strong>Schmerz</strong>en sich überlappende<br />

Hirnareale aktiviert werden. Damit bestätigt<br />

sich die seit langem bestehende Forderung,<br />

dass bei chronischen <strong>Schmerz</strong>en somatische<br />

und psychotherapeutische <strong>Therapie</strong>ansätze<br />

integrativ durchgeführt werden sollten und die<br />

Trennung in „psychischen“ und „körperlichen“<br />

<strong>Schmerz</strong> überholt ist.<br />

?<br />

Gab es Neues zur <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

bei Kindern und Jugendlichen?<br />

Michael Strumpf: Eine aktuelle Studie bei<br />

Schülern im Alter von 12 bis 15 Jahren in Vorpommern<br />

zeigt, dass 37,6% der Jugendlichen<br />

innerhalb von drei Monaten mehrmals Kopfschmerzen<br />

hatten und dies zu erheblichen<br />

Beeinträchtigungen in Schule und Freizeit führte.<br />

Die Prävalenz von Rückenschmerzen bei<br />

Kindern liegt nach epidemiologischen Studien<br />

bei bis zu 26% und steigt mit zunehmendem<br />

Lebensalter. In Deutschland leben mehr als 22<br />

000 Kinder und Jugendliche mit einer lebenslimitierenden<br />

oder terminalen Erkrankung, die<br />

oft mit <strong>Schmerz</strong>en einhergeht. Jedes Jahr sterben<br />

1500–3000 von ihnen, davon ca. 1/3 an<br />

Krebs. Es gibt in Deutschland aber nur sechs<br />

Kinderhospize (ein siebtes ist im Bau), die ter-<br />

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