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Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie eV

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BTZ/2000<br />

Interview<br />

minal kranke Kinder und Jugendliche betreuen.<br />

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.<br />

Diagnostische und schmerztherapeutische<br />

Konzepte, die bei Erwachsenen angewendet<br />

werden, können nicht unmittelbar auf Kinder<br />

und Jugendliche übertragen werden.<br />

Spezielle Herangehensweisen bei Kopfschmerzen,<br />

Rückenschmerzen, in der palliativmedizinischen<br />

und perioperativen schmerztherapeutischen<br />

Versorgung von Kindern und<br />

?<br />

Ein Schwerpunkt war die <strong>Therapie</strong><br />

von Kopfschmerzen. Was gibt es<br />

hier <strong>für</strong> neue praxisrelevante Erkenntnisse?<br />

Stefanie Förderreuther: Für die Migräneprophylaxe<br />

hat sich in der Klinik das Antikonvulsivum<br />

Topiramat bereits etabliert. Im Tiermodell<br />

wurde kürzlich gezeigt, dass Topiramat die Aktivierung<br />

des trigeminovaskulären Systems<br />

inhibiert. Es hemmt die CGRP-Ausschüttung<br />

und blockiert so die neurogen vermittelte Dilatation<br />

duraler Gefäße. Möglicherweise entfaltet<br />

sich die migräneprophylaktische Wirkung über<br />

diesen Mechanismus. Damit wäre Topiramat<br />

die erste migräneprophylaktisch wirksame<br />

Substanz, bei der wir den Wirkmechanismus<br />

erklären könnten.<br />

Für die medikamentöse Akutbehandlung der<br />

Migräne und des Spannungskopfschmerzes<br />

gibt es keine neuen zugelassenen Substanzen.<br />

Aktuell konzentriert sich die klinische Forschung<br />

vor allem auf die Optimierung der Migräne-Attackenbehandlung.<br />

<strong>Therapie</strong>studien<br />

zeigen, dass das Ansprechen auf eine Behandlung<br />

mit Triptanen oder ASS schon zu<br />

Beginn der Migräneattacke besser ist und seltener<br />

Wiederkehr-Kopfschmerzen auftreten.<br />

Dies bedeutet <strong>für</strong> die Praxis, dass die Patien-<br />

Bremer Rathaus bei Nacht.<br />

18<br />

die langfristige Anwendung von Opioiden bei<br />

Kindern wurden bei diesem Kongress diskutiert.<br />

?<br />

Sehen Sie auch die Notwendigkeit,<br />

künftig politisch geschlossener mit<br />

den anderen <strong>Schmerz</strong>gesellschaften<br />

wie der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> <strong>für</strong><br />

<strong>Schmerz</strong>therapie (DGS) enger zu kooperieren?<br />

Gibt es hier neue Ziele oder neue<br />

ten sehr gut geschult werden müssen, einerseits<br />

kritisch mit <strong>Schmerz</strong>mitteln und Triptanen<br />

umzugehen, um die Entwicklung eines analgetikainduzierten<br />

Kopfschmerzes zu vermeiden,<br />

andererseits Attacken möglichst früh zu behandeln.<br />

Das ist nicht immer einfach.<br />

?<br />

Wird es denn in absehbarer Zukunft<br />

neue Substanzen zur <strong>Therapie</strong> der<br />

Migräne geben?<br />

Stefanie Förderreuther: Im Mittelpunkt der<br />

künftigen Migräne-Attackentherapie werden<br />

wahrscheinlich in nächster Zeit die Calcitonin-<br />

Gene-Related-Peptide- (CGRP)-Rezeptor-Blocker<br />

stehen. Erste Studien – auch am Menschen<br />

– haben viel versprechende Ergebnisse<br />

gezeigt. Hauptvorteil dieser Substanzen ist<br />

das Fehlen einer vasokonstriktorischen<br />

Wirkkomponente, was vor allem <strong>für</strong> die<br />

<strong>für</strong> die Behandlung von Patienten mit<br />

kardiovaskulären Kontraindikationen<br />

<strong>für</strong> Triptane und Triptan-Non-Responder<br />

interessant ist. Möglicherweise<br />

wirken CGRP-Rezeptor-Blocker sogar<br />

auch in der Akuttherapie des Cluster-<br />

Kopfschmerzes.<br />

Als weitere neue Substanz der Behandlung<br />

des Cluster-Kopfschmerzes<br />

könnte sich auch Octreotid – ein Somatostatin-Rezeptorantagonist<br />

– erweisen.<br />

Hier haben erste Studien eine<br />

Überlegenheit im Vergleich zu Plazebo<br />

gezeigt.<br />

Formen der Kooperation?<br />

Michael Strumpf: Ich begrüße ausdrücklich<br />

eine intensivere Kooperation zwischen den<br />

verschiedenen <strong>Schmerz</strong>gesellschaften.<br />

Eine Bündelung der<br />

Kräfte ist <strong>für</strong> die <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

und die <strong>Schmerz</strong>therapeuten<br />

absolut wichtig. Nur so können<br />

die großen Herausforderungen<br />

in Zukunft gemeistert werden.<br />

Patientenschulung zur <strong>Therapie</strong>optimierung wichtig<br />

„Kopfschmerz:<br />

Patientenschulung<br />

zur <strong>Therapie</strong>optimierung<br />

wichtig“<br />

Stefanie Förderreuther,<br />

München<br />

?<br />

Welchen Stellenwert besitzen<br />

die nicht medikamentösen<br />

Verfahren in der<br />

Kopfschmerztherapie?<br />

Stefanie Förderreuther: Die nicht<br />

medikamentösen Verfahren haben<br />

in der prophylaktischen Behandlung<br />

von Migräne und Spannungskopfschmerz<br />

einen hohen Stellenwert – insbesondere<br />

bei den Patienten mit Neigung zur Chronifizierung<br />

der Kopfschmerzattacken. Entspannungstechniken<br />

wie die Muskelrelaxation nach<br />

Jakobson, regelmäßiger Ausdauersport,<br />

Stressbewältigungsstrategien und Bio-Feedback<br />

können auch durch neue medikamentöse<br />

<strong>Therapie</strong>ansätze nicht in ihrer Bedeutung geschmälert<br />

werden. Leider ist es oft schwer, die<br />

Patienten zu diesen im Vergleich zur Tabletteneinnahme<br />

wesentlich aufwendigeren <strong>Therapie</strong>verfahren<br />

zu motivieren.<br />

Die Akupunktur als weitere nicht medikamentöse<br />

Alternative wird dagegen vom Patienten<br />

sehr gerne angenommen. Leider können wir<br />

aber noch immer nicht beantworten, ob es<br />

sich dabei um eine wirksame migräneprophylaktische<br />

<strong>Therapie</strong> handelt. Die aktuelle, methodisch<br />

sehr sorgfältig durchgeführte <strong>Therapie</strong>-studie<br />

aus Deutschland hat gezeigt, dass<br />

die Wirkung einer Scheinakupunktur bei Patienten<br />

mit Migräne ebenso wirksam war wie<br />

die Verumakupunktur. Wir wissen daher nicht,<br />

ob die beobachtete Besserung in beiden <strong>Therapie</strong>armen<br />

auf unspezifischen physiologischen<br />

Effekten durch das Nadeln, eine starke<br />

Plazebowirkung oder eine Kombination von<br />

beidem hervorgerufen wurde. Zu aller Überraschung<br />

kam es auch bei den unbehandelten<br />

Patienten auf der Warteliste zu einer Besserung<br />

der Migräne, sodass man sogar argumentieren<br />

könnte, dass allein die Aussicht auf<br />

eine möglicherweise wirkungsvolle <strong>Therapie</strong><br />

hilfreich sein kann.<br />

Vielen Dank <strong>für</strong> das Interview!<br />

SCHMERZTHERAPIE Nr. 4/2005 (21. Jg.)

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