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Ein Mensch mit Eigenschaften: aber welchen? - Dr. W. Peter ...

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die Zeit und die Veränderung hinweg gleichbleiben kann. Im Vordergrund steht also<br />

nicht nur “the condition or fact of remaining the same person throughout the various<br />

phases of existence; continuity of the personality [...], the quality or condition of being<br />

the same in substance, composition, nature, properties, or in particular qualities<br />

under consideration; absolute or essential sameness; oneness.” 8 Der Begriff fragt<br />

nicht nur nach dem Verhältnis von Statik und Veränderung, von Bruch und<br />

Kontinuität, von Kohärenz und Dispersion, sondern auch nach Sprache und den<br />

Namen, die wir den <strong>Mensch</strong>en und den Dingen geben, er fragt nach den<br />

Möglichkeiten der Erkenntnis. Doch wodurch gründet sich diese <strong>Ein</strong>heit der Dinge,<br />

des Individuums oder eines “Ich”, diese <strong>Ein</strong>heit und ihre Kontinuität? Wie wird diese<br />

Identität gesichert? Durch den Körper, durch das Denken, das Begehren oder den<br />

Namen?<br />

Die empiristische Philosophie - von John Lockes ‘Essay concerning Human<br />

Understanding’ (1690) bis zu David Humes ‘Treatise on Human Nature’ (1739) - stellt<br />

die umstandslose “<strong>Ein</strong>heit des Selbst” in Frage. Solange christliche Vorstellungen<br />

von der Seele unangefochten gelten, ist das Selbst in dieser unsterblichen Seele<br />

aufgehoben und das Denken dieser <strong>Ein</strong>heit in der Tat problemlos. Doch <strong>mit</strong> Lockes<br />

<strong>Ein</strong>sicht, daß Identität “consists in nothing but a participation of the same continued<br />

Life, by constantly fleeting Particles of Matter, in succession vitally united to the same<br />

organized Body”, wird eben diese <strong>Ein</strong>heit des Selbst problematisch. 9 Über<br />

Empirismus und Rationalismus hinausweisend, wird die <strong>Ein</strong>heit eines Selbst in der<br />

Folge umgedeutet, und Identität wird - auf ganz unterschiedliche Weise - dem<br />

Denken, das die Mannigfaltigkeiten des Sinnlichen und der Anschauung synthetisiert,<br />

anvertraut. Immanuel Kant hat <strong>mit</strong> der Bestimmung, in der das Subjekt alle seine<br />

Vorstellungen <strong>mit</strong> dem Reflexionsakt “ich denke” begleitet, die <strong>Ein</strong>heit und<br />

Regelmäßigkeit der verstreuten Apperzeptionen, die “Identität des Subjekts” 10 und<br />

die “durchgängige Identität des Selbstbewußtseins” 11 diesem “ich denke”<br />

überantwortet. Ohne diese Kompetenz, so der Gedankengang, in dem das<br />

cartesianische Diktum des “cogito ergo sum” umgeschrieben wird, wäre weder<br />

deutlich zu machen, warum ein Subjekt seine vielfältigen Vorstellungen ordnet und in<br />

einer <strong>Ein</strong>heit synthetisiert, noch warum es sich über die Zeit überhaupt als <strong>mit</strong> sich<br />

selbst identisch wahrnehmen kann.<br />

Doch wie zeigen sich die Mannigfaltigkeiten des Sinnlichen und der Anschauung, die<br />

durch das Denken synthetisiert wird? William Hogarth beschrieb in seinem 1753<br />

erschienen Werk ‘Analysis of Beauty’ die Vielfältigkeit von Identität im Hinblick<br />

verschiedenartiger leidenschaftlicher Ausdrücke, die sich durch jeweils<br />

charakteristische Linienführungen in unterschiedlichen Bewegungsabläufen<br />

zeichnerisch darstellen lassen. Er spricht von einer Grammatik des Ausdrucks, die<br />

äußere Identitätsmerkmale beschreibt. Hogarth gelang es, “einen in der ästhetischen<br />

Kritik gewonnen Begriff zu bilden, der sich später am Ende des Jahrhunderts zum<br />

Begriff vom ‘organisch-lebendigen’ verdichtete. Für ihn kulminiert diese Vorstellung in<br />

der ästhetischen gelungenen, sublime Schönheit ver<strong>mit</strong>telnden Darstellung des<br />

bewegten menschlichen Körpers”. 12 Die “Zeichen”, die sich aus diesen<br />

Linienführungen ergeben, “können entweder natürlich oder willkürlich sein,” so<br />

Moses Mendelssohn in seiner 1757 publizierten Schrift ‘Über die Hauptgrundsätze<br />

der schönen Künste und Wissenschaft’. “Natürlich sind sie wenn die Verbindung des<br />

Zeichens <strong>mit</strong> der bezeichneten Sache in den <strong>Eigenschaften</strong> des Bezeichneten selbst<br />

gegründet ist. Die Leidenschaften sind, vermöge ihrer Natur, <strong>mit</strong> gewissen<br />

Bewegungen in den Gliedmaßen unseres Körpers, so wie <strong>mit</strong> gewissen Tönen und

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