Ein Mensch mit Eigenschaften: aber welchen? - Dr. W. Peter ...
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Grenze und Überschreitung, zugleich Überschneidung von Präsenz, Abwesenheit<br />
und Distanz. “Ich” zu “mir”, nicht als Bestätigung eines festen, kontinuierlichen Kerns,<br />
die beständig wiederholt, was sie annimmt und prädestiniert, sondern als eine stets<br />
offene und nicht eindeutige Beziehung, eine immer ungewisse Relation im Raum der<br />
Differenz. Das Denken von Identität wurde lange Zeit über das Vermögen zu denken<br />
und seine Operationen der Synthese des Mannigfaltigen und Differenten, über das<br />
Begehren des Subjekts nach sich selbst, nach der <strong>Ein</strong>heit des Sinns und einer in der<br />
Gegenwart verbürgten Präsenz des Abwesenden sowie durch die <strong>Ein</strong>deutigkeit der<br />
Beziehungen der Namen und Worte zu den sie bezeichnenden Dingen hergestellt.<br />
Das Denken von Differenz wurde da<strong>mit</strong> <strong>aber</strong> auch dem der <strong>Ein</strong>heit oder der<br />
Synthese unterstellt. Was uns der Begriff “Identität” jedoch nach wie vor abverlangt,<br />
ist die Arbeit des Denkens von Differenz und Zeitlichkeit. Wenn man die einzelnen<br />
Positionen der Kunst im 20. Jahrhundert betrachtet, liegt die Annahme nahe, daß der<br />
Entwurfscharakter von Identität einer Ontologie trotzt, die das Sein festschreibt, und<br />
sich allen “Fragen der Form ‘Was ist?’” 73 verwehrt. Diese Theorie der Identität, die<br />
die Frage nach Identität zugleich aufgibt, muß die Begriffe, <strong>mit</strong> denen sie arbeitet<br />
verschieben und solchen Sätzen widerstehen, die den Entwurf durch Behauptungen<br />
wie “das ist” relativieren sollen. 74 Dieser Entwurf verweist auf eine Identität, die kaum<br />
“ist”, die sich weder im Begehren nach einem feststellbaren Sinn noch im Namen<br />
oder im Begriff feststellen läßt. Dieser Entwurf läßt vielmehr eine Identität<br />
erscheinen, die sich nie realisiert, die nie beendet sein wird und die sich für das<br />
öffnet, was kommt.<br />
Anmerkungen<br />
1)Robert Ranke-Graves, Griechische Mythologie. Quellen und Deutung, Reinbek<br />
1987, S. 259 und ff.<br />
2)Vgl. Ovid, Metamorphosen, Frankfurt am Main 1990, S. 77-84.<br />
3)Ebenda, S. 80.<br />
4)Ebenda, S. 78.<br />
5)Homer, Ilias und Odyssee, Eltville 1980, S. 611.<br />
6)Vgl. Jean Pierre Verrant/PierreVidal-Naquet, Myth and Tragedy in Ancient Greece,<br />
New York 1990, S. 49.<br />
7)Platon, Das Gastmahl oder von der Liebe, Stuttgart 1979, S. 81 f.<br />
8)J. A. Simpson/E. S. C. Weiner, Oxford English Dictionary, Bd. VII, Oxford 1989, S.<br />
620 f.<br />
9)Vgl. Philip Glaeson, Identifying Identity: A Semantic History, in: The Journal of<br />
American History, 69 (1983), S. 911.<br />
10)Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunf, Bd. 1, Frankfurt am Main 1996, S. 136<br />
f.<br />
11)Ebenda, S. 138.<br />
12)<strong>Peter</strong> Gerlach, Proportion. Körper. Leben. Quellen, Entwürfe und Kontroversen.<br />
Köln 1990, S. 99.<br />
13)Zit. nach Bengt Algot Sörensen, Allegorie und Symbol. Texte zur Theorie des<br />
dichterischen Bildes im 18. und frühen 19. Jahrhundert, Frankfurt am Main 1972, S.<br />
48/49.<br />
14)Gerlach 1990, S. 110.<br />
15)William Hogarth, Analyse der Schönheit, <strong>Dr</strong>esden/Basel o. J., 75.