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Ein Mensch mit Eigenschaften: aber welchen? - Dr. W. Peter ...

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eckt, um einen Blick auf die nackte Batseba zu erhaschen. Batseba scheint diesen<br />

Blick nicht zu bemerken; sie ist völlig <strong>mit</strong> der Bade-Zeremonie beschäftigt, bei der ihr<br />

zwei Dienerinnen behilflich sind. Die rechte Hand hat sie über ihre Brust gelegt. Ihre<br />

Gestik signalisiert Keuschheit und Unschuld, ungeachtet ihrer Nacktheit. Diese<br />

Darstellung ist kombiniert <strong>mit</strong> einem weiteren Bild, das uns König David knieend und<br />

betend zeigt; vor ihm sitzt der Gottessohn als Herrscher in einer Mandorla. Im<br />

typologischen Zeichensystem ist dies ein Hinweis auf Davids Rolle als Praefiguratio<br />

Christi. Innerhalb dieses Deutungssystems wird Batseba zur Verkörperung der<br />

Ecclesia, der Braut Christi. Ihre Nacktheit wird nicht als sexuelle Exposition gesehen,<br />

sondern als Zeichen ihrer Reinheit. 6<br />

Neben den allegorischen Ausdeutungen finden wir auch die moralische Auslegung,<br />

die uns <strong>mit</strong> der weit verbreiteten Attitüde der klerikalen Misogynie konfrontiert. In<br />

einer Bible Moralisée (Abb. 2) 7 aus dem 14. Jahrhundert sehen wir David in<br />

angespannter Körperhaltung auf Zehenspitzen stehend, den Kopf recht mühsam<br />

durch ein kleines Fenster streckend, um einen Blick auf die nackte Badende zu<br />

erhaschen. Batsebas Körper ist den Blicken Davids und des Bildbetrachters<br />

ausgesetzt, keine Hand schützt ihre Nacktheit. In der korrespondierenden Szene<br />

erblicken wir einen Mann und eine Frau, dazwischen ein teufelsähnliches Wesen,<br />

das seine Klauen begierlich auf den Mann ausrichtet. Die Botschaft ist eindeutig: Das<br />

zweite Bild zeigt die Gefährdung des Mannes durch den sündhaften Blick. Der<br />

begehrliche Blick des Mannes ist nach Ausweis zahlreicher Stellen aus der Bibel und<br />

der Moraltheologen bereits der erste Schritt zur Sünde. Ganz krass formuliert dies<br />

bereits das Matthäus-Evangelium: “Ich <strong>aber</strong> sage euch: Wer eine Frau auch nur<br />

lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon die Ehe <strong>mit</strong> ihr gebrochen.” (Mt 5,28).<br />

Und die <strong>mit</strong>telalterlichen Theologen werden nicht müde, vor dieser Augen-Lust zu<br />

warnen, weil sie sinnliches Begehren hervorrufe: "Die Augen sind die Vorboten der<br />

Unzucht. Das Sehen ist die erste Gelegenheit zur Unzucht. Das Denken nämlich wird<br />

durch die Augen gefangen. Durch die Augen nämlich tritt der Pfeil der Liebe in das<br />

Herz." 8<br />

Auch in die volkssprachliche Literatur ist der Topos vom sündhaften Blick<br />

übernommen worden. Brun von Schönebeck spricht in seinem Hohen Lied (1276)<br />

von der Gefahr des unkeuschen Blicks und bezieht sich dabei auf die Geschichte<br />

von David und Batseba:<br />

also di schrift des buches seit:<br />

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