Ein Mensch mit Eigenschaften: aber welchen? - Dr. W. Peter ...
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lautet die Botschaft vieler derartiger Texte, sind die Verkörperung der sexuellen<br />
Begierde, der die Männer ausgeliefert sind.<br />
Die problematische Aufspaltung in zwei konträre Muster von Weiblichkeit – hier<br />
Heilige, dort Verführerin, hier Maria, dort Eva – ist jedoch nicht so einfach<br />
bestimmten literarischen Gattungen zuzuordnen, wie das auf den ersten Blick<br />
erscheinen mag. Die differierenden Bilder durchkreuzen das gängige<br />
Gattungssystem, und sie variieren und differieren selbst innerhalb einer Gattung,<br />
manchmal auch innerhalb eines Werkes. Wichtiger als die Fragen des<br />
gattungsbedingten Sprechens scheinen mir deshalb die Darstellungsmodi von<br />
Körperlichkeit und Sexualität und das jeweilig dokumentierte Spiel <strong>mit</strong> den<br />
Geschlechterrollen zu sein, wie ich im folgenden aufzeigen werde.<br />
Als Fallbeispiel für die Durchmischung von Weiblichkeitsmustern erscheint mir die<br />
Geschichte von Batseba und David symptomatisch, die in der <strong>mit</strong>telalterlichen<br />
Literatur und Kunst ganz unterschiedliche und sehr widersprüchliche Deutungen<br />
erfahren hat; interessant erscheinen mir vor allem die Wandlungen der Batseba-<br />
Figur. Die ihr zugewiesenen Rollen oszillieren zwischen der Rolle des unschuldigen<br />
Opfers - als Objekt der Begierde Davids - und ihrer Rolle als gefährlich-schöne<br />
Verführerin.<br />
I. David und Batseba in der Bibel: Batseba als Objekt der Begierde<br />
Bevor ich mich den <strong>mit</strong>telalterlichen Zeugnissen in Bild und Text zuwende, möchte<br />
ich die biblische Geschichte in Erinnerung rufen, so wie sie in 2 Sam, 11-12<br />
geschildert ist: König David beobachtet eines Abends vom Dach seines Palastes aus<br />
eine schöne Frau, die sich gerade wäscht. Er zieht Erkundigungen über sie ein und<br />
erfährt, daß sie Batseba, die Ehefrau von Urija sei. Daraufhin sendet er einen Boten<br />
zu Batseba, läßt sie zu sich bringen und schläft <strong>mit</strong> ihr. Batseba <strong>aber</strong> wird schwanger<br />
und läßt dies dem König ausrichten. Um seinen folgenreichen Ehebruch zu<br />
kaschieren, befiehlt der König, daß Batsebas Ehemann Urija aus dem Krieg nach<br />
Hause kommen und die Nacht in seinem Hause <strong>mit</strong> seiner Ehefrau verbringen solle.<br />
Doch Urija widersetzt sich diesem Wunsch des Königs und bleibt stattdessen,<br />
zusammen <strong>mit</strong> dem übrigen Gesinde, vor des Königs Palast. In der darauffolgenden<br />
Nacht lädt der König seinen getreuen Krieger Urija zu einem Gastmahl, versucht ihn<br />
betrunken zu machen, in der Hoffnung, daß er nun zu seiner Frau gehen werde,<br />
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