24.09.2015 Aufrufe

KiNDER Oktober 2015

KiNDER, Deutschlands große renommierte Elternzeitschrift für Familien mit Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter. Titelthema in diesem Monat: Glück für uns alle

KiNDER, Deutschlands große renommierte Elternzeitschrift für Familien mit Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter. Titelthema in diesem Monat: Glück für uns alle

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

FAMILIE HEUTE<br />

Auf Gedeih<br />

und Verderb<br />

Die Weichen für den Bildungserfolg werden im Vorschulalter gestellt.<br />

Das bestreitet niemand mehr. Für den Bildungsforscher Klaus Hurrelmann<br />

ist es jetzt höchste Zeit, daraus politische Konsequenzen zu ziehen.<br />

Etwa 200 Milliarden Euro werden<br />

in Deutschland Jahr für Jahr umverteilt,<br />

um Ehepaare mit und<br />

ohne Kinder zu unterstützen.<br />

Kindergeld, Kinderfreibeträge, Kinderzuschlag,<br />

Elterngeld, Steuererleichterungen<br />

und viele andere Programme mehr.<br />

Der Hintergrund: Familien mit Kindern<br />

sollen finanzielle Unterstützung erfahren,<br />

um ihren im Grundgesetz festgelegten<br />

Auftrag erfüllen zu können – „Erziehung<br />

und Pflege der Kinder sind das<br />

natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst<br />

ihnen obliegende Pflicht“. Eine<br />

weltweit einmalige Verankerung in der<br />

Verfassung.<br />

Im Grundgesetz ist ein monopolartiges<br />

Erziehungsrecht der Eltern verankert.<br />

Kinder in Deutschland sind im<br />

wahrsten Sinne des Wortes „auf Gedeih<br />

und Verderb“ auf ihre Eltern angewiesen.<br />

Mutter und Vater sollen die einzig<br />

verantwortlichen Personen sein, die sich<br />

in den ersten Lebensjahren um ihr Kind<br />

kümmern.<br />

Erst mit dem sechsten Lebensjahr soll<br />

das Kind für einige Stunden des Tages in<br />

die (Halbtags-)Schule gegeben werden.<br />

Dort soll es eine kognitive und fachliche<br />

Bildung erhalten, während die Erziehung<br />

und die Persönlichkeitsbildung weiterhin<br />

Elternsache bleiben. Dies führt dazu,<br />

dass in Deutschland der Bildungserfolg<br />

der Kinder so stark vom Elternhaus abhängt<br />

wie in kaum einem anderen Land<br />

der Welt. Machen die Eltern ihre Sache<br />

schlecht, dann hat ihr Kind einen schweren<br />

Start ins Leben.<br />

Trotz der ungeheuren Transfersumme<br />

an Ehepaare mit Kindern gelingt es im<br />

internationalen Vergleich noch nicht<br />

einmal befriedigend, materielle Armut<br />

von Kindern zu vermeiden und ihre körperliche<br />

und psychische Gesundheit zu<br />

sichern. Alle vorliegenden Untersuchungen<br />

bestätigen: Das deutsche Modell der<br />

Familienpolitik sichert die erwünschte<br />

wirksame und nachhaltige Erziehung<br />

und Pflege der Kinder nicht. Es ist falsch,<br />

den Eltern die absolute Monopolstellung<br />

bei der Erziehung, Pflege und Bildung<br />

der Kinder einzuräumen.<br />

Viele andere europäische Länder stellen<br />

den Eltern von Anfang an Betreuungs-,<br />

Erziehungs-, und Bildungseinrichtungen<br />

zur Seite. Sie relativieren damit bewusst<br />

den Einfluss der Eltern. Großbritannien,<br />

die Niederlande und die skandinavischen<br />

Länder investieren anteilsmäßig mehr in<br />

die vorschulische Erziehung und Bildung<br />

als in die Unterstützung von Familien.<br />

Seit der Jahrtausendwende haben Bundesregierungen<br />

endlich damit begonnen,<br />

Elemente dieser Politik zu übernehmen.<br />

Der Rechtsanspruch auf einen Kinderkrippen-<br />

und Kindergartenplatz und die<br />

gezielte Förderung von Ganztagsschulen<br />

signalisierten diese Trendwende.<br />

Moderne Bildungspolitik ist somit<br />

gezielte Förderpolitik für Kinder und<br />

eben nicht nur Finanzausgleich für das<br />

Elternhaus mit Kindern. Wir brauchen die<br />

materielle Basisabsicherung des Elternhaushaltes<br />

und zugleich die vorschulische<br />

Betreuung auch am Nachmittag,<br />

weil sie die Förderimpulse der Eltern<br />

Das belegen Studien –<br />

wodurch sich die<br />

Leistungsbilanz der<br />

Kinder fördern lässt:<br />

1. Ein möglichst hoher Anteil<br />

von Kindern in vorschulischen<br />

Bildungseinrichtungen<br />

2. Ein möglichst langer Aufenthalt<br />

der Kinder in diesen Einrichtungen<br />

bei intensiver Abstimmung<br />

zwischen Elternhaus und<br />

Einrichtung<br />

3. Eine möglichst spät in der<br />

Bildungslaufbahn einsetzende<br />

Aufteilung der Kinder in<br />

unterschiedlichen Schultypen<br />

nach ihrem bis dahin<br />

erreichten Bildungsstand<br />

Jedes dieser Merkmale erhöht<br />

das Potenzial des Bildungssystems,<br />

die schulischen<br />

Leistungen bei allen Kindern –<br />

unab hängig von den Vorgaben<br />

des Eltern hauses, aber immer<br />

in enger Abstimmung mit dem<br />

Elternhaus – zu verbessern.<br />

ergänzt. Je besser die öffentliche mit der<br />

privaten Erziehung abgestimmt ist, desto<br />

mehr profitieren die Kinder. Es würde<br />

sich rechnen, von den vielen Milliarden<br />

Euro einige für ein Vorschulangebot und<br />

eine frühkindliche Bildung für diese Kinder<br />

abzuzweigen.<br />

Kinder 10/<strong>2015</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!