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Grundschule aktuell 124

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Thema: Wie Kinder rechtschreiben lernen<br />

Leistungsverfall in der Rechtschreibung?<br />

Leistungsverfall in der Rechtschreibung?<br />

Empirische Befunde aus verschiedenen Phasen zwischen 1949 und 2012 <br />

Empirische Befunde aus verschiedenen Phasen zwischen 1949 und 2012 <br />

Der angebliche Sprachverfall ist ein altes Thema der Kulturkritik (vgl. u.a. Ingenkamp 1967 und das Zitat Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorbe<br />

Der aus angebliche babylonischen Sprachverfall Zeiten). ist Aktuell ein altes sind Thema es die der Rechtschreibleistungen, Kulturkritik (vgl. u.a. Ingenkamp deren 1967 Verschlechterung und das Zitat u.a. in Die der heutige Jugend sie ist böse, ist von gottlos Grund auf und verdorben, faul. <br />

aus ZEIT babylonischen und im SPIEGEL Zeiten). dramatisiert Aktuell sind wird es die (von Rechtschreibleistungen, Bredow/ Hackenbroch deren 2013; Verschlechterung Lüpke-­‐Narberhaus u.a. in der 2013). sie ist böse, gottlos Sie wird und niemals faul. so sein wie die Jugend vorher<br />

ZEIT Dabei und sind im SPIEGEL die empirischen dramatisiert Belege wird (von nicht Bredow/ leicht auf Hackenbroch einen Nenner 2013; zu Lüpke-­‐Narberhaus bringen, wie die 2013). folgende Übersicht Sie wird niemals und so es sein wird wie ihr die niemals Jugend gelingen, vorher, <br />

Dabei zeigt sind – und die sehr empirischen unterschiedliche Belege nicht Erklärungen leicht auf einen für beobachtete Nenner zu bringen, Veränderungen wie die folgende möglich Übersicht (vgl. die Fragen und im es wird ihr niemals gelingen, <br />

zeigt – und sehr unterschiedliche Erklärungen für beobachtete Veränderungen möglich (vgl. die Fragen im <br />

unsere Kultur zu erhalten. <br />

Kommentar am Ende). <br />

unsere Kultur zu erhalten. (Inschrift auf babylonischer Tafel vor 3.000 <br />

Kommentar am Ende). <br />

(Inschrift auf babylonischer Tafel vor 3.000 Jahren) <br />

Untersuchung <br />

Jahr Jahr 1950 1950 60 60 70 70 80 80 90 902000 2000 10 10 <br />

Form Form <br />

Steinig u.a.(2009; 2014) 2014) <br />

Aufsatz Aufsatz <br />

Brügelmann (2003) „Schreibvergleich“ Aufsatz Aufsatz <br />

„NRW-­‐Kids“ 4.Kl. 4.Kl. <br />

Brügelmann (2004) (2004) „IEA-­‐Lesestudie“ „NRW-­‐ „NRW-­‐ Aufsatz Aufsatz <br />

Kids“<br />

Kids“<br />

8.<br />

8.<br />

Kl.<br />

Kl.<br />

<br />

<br />

Ingenkamp (1968) Berlin <br />

Diktat <br />

Ingenkamp (1968) Berlin <br />

Diktat <br />

Vogel (1988) Hessen landesweit <br />

Diktat <br />

Vogel (1988) Hessen landesweit <br />

Diktat <br />

Boyer (1992) Schulpsychol. Bremer Bezirk Diktat <br />

Boyer (1992) Schulpsychol. Bremer Bezirk <br />

Kiepe (1998) BASF (Hauptschule) <br />

Diktat<br />

Diktat <br />

<br />

Kiepe Kiepe (1998) (1998) BASF BASF (Realschule) (Hauptschule) <br />

Diktat Diktat <br />

Freytag Kiepe (1998) IHK-­‐Kassel BASF (Realschule) (Testform A) Diktat Diktat <br />

Freytag (1998) IHK-­‐Kassel (Testform (Testform B) A) Diktat Diktat <br />

Freytag (1998) IHK-­‐Kassel (Testform B) Diktat <br />

Kühn (1995) RST8+ Neueichung <br />

Test <br />

Zerahn-­‐Hartung/ Kühn (1995) RST8+ Pfüller Neueichung (1998): Bsch, GY, Uni Test Test <br />

Roßbach/ Zerahn-­‐Hartung/ Wellenreuther Pfüller (2001) (1998): versch. Bsch, GY, Uni Test Test <br />

Neueichungen von Schultest <br />

Schneider/ Roßbach/ Stefanek Wellenreuther (2007): 17-­‐/23-­‐Jährige (2001) versch. <br />

Test Test <br />

Neueichungen von Schultest <br />

Bos u. a. (2007) „IGLU“ <br />

Test <br />

Schneider/ Stefanek (2007): 17-­‐/23-­‐Jährige Test <br />

May (2013): HSP-­‐Normierung 2012, Klasse 1/2 Test <br />

Bos u. a. (2007) „IGLU“ <br />

May (2013): HSP-­‐Normierung 2012, Klasse 3-­‐10 Test <br />

Test <br />

May (2013):<br />

= Verschlechterung<br />

HSP-­‐Normierung<br />

<br />

2012, Klasse<br />

= Konstanz<br />

1/2 <br />

Test = Verbesserung <br />

May (2013): HSP-­‐Normierung 2012, Klasse 3-­‐10 <br />

Test <br />

= Verschlechterung = Konstanz = Verbesserung <br />

Die Abbildung zeigt schon auf den ersten Blick: Unabhängig vom Zeitraum, von der Zeitspanne und der Erfassungsform sind die Befunde nicht eindeutig. <br />

Zudem stehen folgende forschungsmethodische wie inhaltliche Fragen im Raum, die bedacht werden müssen, will man die Befunde zutreffend einschätzen: <br />

• Werden in den Aufgaben überhaupt bedeutsame Aspekte der Rechtschreibkompetenz erfasst (z. B. Diktat vs. „Sechs tragfähige Grundlagen“, d. h. ist es <br />

im Sinne einer Rechtschreibfähigkeit bedeutsam diktierte Fremdtexte korrekt schreiben zu können oder sind die Fähigkeiten verständlich schreiben, <br />

richtig abschreiben, selbstständig mit Lernwörtern üben, Wörter nachschlagen, Texte kontrollieren und korrigieren, mit Regelungen umgehen zu können <br />

wichtiger?) <br />

• Sind die berichteten Entwicklungen wirklich linear – oder schwanken sie zwischendurch? <br />

• Sind die Stichproben repräsentativ für ihre Zeit (z. B. Regionen oder freiwillige Meldungen)? <br />

• Sind dieselben Schulformen bzw. ihre Populationen vergleichbar (z. B. Hauptschule 1975 und 1995)? <br />

• Haben dieselben Aufgaben noch dieselbe Bedeutung (z. B. „Aufsatz“ 1972 und 2012)? <br />

• Sind dieselben Wörter zu verschiedenen Zeitpunkten gleich bedeutungsvoll/ gleich schwierig (z. B. Diktat 1970 und 2000)? <br />

• Können neben dem Unterricht auch andere Bedingungen ursächlich für Verbesserungen/ Verschlechterungen sein (z. B. Veränderung gesellschaftlicher <br />

Erwartungen und Modelle) <br />

Die einzige längerfristig aussagekräftige Repräsentativuntersuchung ist die vom BMBF geförderte leo.-­‐Studie von Grotlüschen/ Riekmann (2012, 26), die nur <br />

geringe Schwankungen zeigt – dazu noch in beide Richtungen, aber(erstaunlich geringen Unterschieden: <br />

Anteile alle Niveau <br />

18-­‐29 J.* 30-­‐39 J. 40-­‐49 J. 50-­‐64 J.# <br />

25,9 % gebräuchliche Wörter 26,6 % 25,6 % 23,7 % 27,4 % <br />

fehlerhaft geschrieben <br />

*<strong>Grundschule</strong> <br />

# <strong>Grundschule</strong> <br />

1987-­‐1998 <br />

1952-­‐1966 <br />

Interessant ist die parallele Entwicklung beim Lesen: von den Geburtsjahrgängen 1929 bis 1996 lesen die jüngeren Erwachsenen besser als die älteren (vgl. OECD <br />

1995; Rammstedt 2013). Welche Anteile dieses Kompetenzzuwachs der Schule zuzurechnen sind und welche einem späteren Lernen „on the job“ (oder <br />

Vergessen nach der Schule), kann anhand der vorliegenden Daten nicht entschieden werden. Auf keinen Fall aber stützen sie die verbreiteten Klagen über einen <br />

„Leistungsverfall“ in der Schriftsprache. <br />

Die Hans Literaturangaben Brügelmann, 10.10./ zu den 17.6.2013 Quellen, in denen die Studien referiert werden, finden sich unter www.grundschulverband.de/veroeffentlichungen/<br />

verbandszeitschrift/bestellen<br />

16 GS <strong>aktuell</strong> <strong>124</strong> • November 2013

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