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Grundschule aktuell 124

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Praxis: Rechtschreiben lernen<br />

Wenn die Sammelaufgaben auf<br />

DIN-A5-Karten geschrieben werden,<br />

entsteht eine individuelle, auf das Wortmaterial<br />

der Klasse bezogene Rechtschreibkartei,<br />

die auch genutzt werden<br />

kann, wenn Kinder bei einzelnen<br />

Rechtschreibphänomen Schwierigkeiten<br />

zeigen.<br />

Die Anzahl der Rechtschreibregelungen<br />

und Ausnahmen scheint nicht<br />

nur für rechtschreibschwächere Kinder<br />

unübersehbar. Dabei ist die Liste der<br />

elementaren Regeln übersichtlich und<br />

außerdem Arbeitsspur durch die ganze<br />

Grundschulzeit. Über die Arbeit mit<br />

den Sammel- und Ordnungsaufgaben<br />

entwickeln die Kinder allmählich Einsichten<br />

in diese Regelungen, am Ende<br />

einer solchen Arbeit steht möglicherweise<br />

das gemeinsame Formulieren der<br />

Basisregeln:<br />

●●<br />

Nomen werden mit großem<br />

Anfangsbuchstaben geschrieben<br />

Nomen machen einen großen Teil<br />

unseres Wortschatzes aus. Sie als solche<br />

erkennen zu können und mit einem großen<br />

Anfangsbuchstaben zu schreiben,<br />

verringert die Falschschreibungen erheblich.<br />

Als Strategie bietet sich eine einfache<br />

Nomenprobe an, die in den meisten<br />

Fällen zur Richtigschreibung führt:<br />

Einzahl und Mehrzahl bilden = das<br />

Erlebnis, viele Erlebnisse ➝ Nomen.<br />

●●<br />

Nach einem kurz gesprochenen<br />

Selbstlaut folgen meistens zwei Mitlaute.<br />

Wenn nur einer folgt, wird er<br />

verdoppelt.<br />

●●<br />

Nach einem lang gesprochenen<br />

Selbstlaut folgt nur ein Mitlaut.<br />

●●<br />

Ein lang gesprochenes i wir meistens<br />

ie geschrieben<br />

Die Unterscheidung der Vokallänge<br />

fällt manchen Kindern während der gesamten<br />

Grundschulzeit schwer. Darum<br />

ist es wichtig, diese Unterscheidung<br />

immer wieder mit vorstrukturiertem<br />

Wortmaterial oder mit Hilfe der oben<br />

beschriebenen Sammelaufgaben zu<br />

üben.<br />

Als Hilfe werden die Wörter unterschiedlich<br />

ausgesprochen: Futter einmal<br />

mit lang, einmal mit kurz gesprochenem<br />

u. Die Kinder finden heraus,<br />

wie es richtig klingt. Handzeichen oder<br />

Markierungen unterstützen sie dabei:<br />

Die beiden Hände werden mit den<br />

Handflächen zusammengehalten. Bei<br />

kurz gesprochenem Vokal klatschen<br />

sie zusammen, bei lang gesprochenem<br />

entfernen sie sich, als ob sie ein Gummi<br />

auseinander ziehen. Unter die kurz gesprochenen<br />

Vokale wird ein Punkt gesetzt,<br />

unter die lang gesprochenen ein<br />

Strich.<br />

●●<br />

Der Wortstamm wird immer gleich<br />

oder ähnlich geschrieben.<br />

»Was Kinder lernen müssen, ist, im<br />

Rahmen des morphematischen Prinzips<br />

mit Wortverwandtschaften zu<br />

»jonglieren«. … Mit ein und derselben<br />

Handlungsstrategie können zahlreiche<br />

Rechtschreibkonflikte gleichermaßen<br />

bewältigt (oder doch zumindest<br />

angegangen werden)« 5) Dazu müssen<br />

die Kinder in der oben beschriebenen<br />

Weise zu einem Modellwort verwandte<br />

Wörter suchen. Dies sind Wörter der<br />

Wortfamilie (beim Wort Hand z. B.<br />

Handschuh, Handtasche, Handball),<br />

aber auch um Prä- und Suffixe erweiterte<br />

Wörter (handlich, behandeln,<br />

verhandeln, Handlung) und Flexionsformen<br />

(sie handelt, er hat gehandelt).<br />

Die gefundenen Wörter werden auf<br />

ein Plakat geschrieben, Gleiches oder<br />

Ähnliches wird farbig markiert. Die gesammelten<br />

Wörter werden im gemeinsamen<br />

Gespräch verglichen, dabei fällt<br />

einigen Kindern die Regelhaftigkeit auf.<br />

Diese Regelhaftigkeit wird in der folgenden<br />

Zeit an anderen Lernwörtern<br />

und ihren Verwandten überprüft.<br />

●●<br />

Satzanfänge werden mit großem<br />

Anfangsbuchstaben geschrieben. Am<br />

Ende eines Satzes steht ein Punkt, ein<br />

Fragezeichen oder ein Ausrufezeichen.<br />

Alle anderen Besonderheiten (z. B.<br />

Wörter mit v/V, Selbstlautverdopplungen,<br />

Wörter mit ß, Wörter mit lang gesprochenem<br />

i ohne Längezeichen, h am<br />

Silbenanfang oder als Kennzeichnung<br />

der Vokallänge usw.) werden wortbezogen<br />

gelernt.<br />

Die übersichtliche Liste der Rechtschreibregeln<br />

hält nicht nur die Ergebnisse<br />

der Arbeit fest und macht das<br />

Arbeitsfeld übersichtlich: Sie kann die<br />

Kinder auch beim Kontrollieren ihrer<br />

Texte unterstützen. Dabei ist es für<br />

rechtschreibschwächere Kinder wichtig,<br />

erreichbare Ziele zu vereinbaren.<br />

In regelmäßigen Abständen wurde mit<br />

Paul ein Fehlerschwerpunkt festgelegt,<br />

auf den er sich bei der Kontrolle<br />

konzentrieren wollte. Dann lag vor<br />

ihm eine kleine Karte, auf der dieser<br />

Schwerpunkt notiert war: Habe ich alle<br />

Angelika Gadow<br />

Grund- und<br />

Hauptschullehrerin,<br />

Fachleiterin<br />

für Deutsch<br />

und Englisch<br />

am Zentrum für<br />

schulpraktische<br />

Lehrerausbildung<br />

(ZfsL) Kleve / NRW<br />

Nomen mit großem Anfangsbuchstaben<br />

geschrieben? Oder: Habe ich alle<br />

lang gesprochenen i mit ie geschrieben?<br />

Ein Rechtschreibunterricht, in dem<br />

so gearbeitet wird, ist ausgesprochen<br />

übungsintensiv, weil eine große Menge<br />

an Wörtern umgewälzt wird, und doch<br />

sehr materialarm. Beides kommt rechtschreibschwächeren<br />

Kindern entgegen.<br />

Sie benötigen lediglich<br />

––<br />

ein Heft, in das sie schreiben,<br />

––<br />

ihr Wörterheft, in dem sie ihren<br />

Wortschatz sammeln,<br />

––<br />

ein Wörterbuch oder eine Wörterliste<br />

zum Nachschlagen.<br />

Das skizzierte Vorgehen hat aber auch<br />

Vorteile für die Lehrerin:<br />

––<br />

Der Aufwand ist gering. Sie wählt zu<br />

jeder Einheit Lernwörter aus und<br />

stellt eine überschaubare Anzahl von<br />

Aufgaben für die wachsende Rechtschreibkartei<br />

zusammen.<br />

––<br />

Während Kinder wie Finn schnell<br />

selbstständig anspruchsvollere Nachdenk-<br />

und Forscheraufgaben bearbeiten<br />

können, hat sie Zeit, Kinder<br />

wie Paul bei ihrem Weg zum richtigen<br />

Schreiben zu begleiten.<br />

Anmerkungen<br />

(1) Brügelmann, H.: Zehn Jahre Kinder<br />

auf dem Weg zur Schrift. In: Brügelmann,<br />

H. / Richter, S. (Hg.) (1994): Wie wir recht<br />

schreiben lernen. Lengwil am Bodensee:<br />

Libelle Verlag, S. 23<br />

(2) Brügelmann, H. in Zusammenarbeit mit<br />

Bohnenkamp, A. / Brinkmann, E. / Junge,<br />

B.: »Mikroanalysen der Rechtschreibung«:<br />

Rechtschreibkönnen in verschiedenen<br />

Aufgaben. In: Brügelmann, H. / Richter, S.<br />

(Hg.) (1994): Wie wir recht schreiben lernen.<br />

Lengwil am Bodensee: Libelle Verlag, S.188<br />

(3) Vgl. Bartnitzky, H. in diesem Heft, S. 3 ff.<br />

(4) Vgl. dazu Bartnitzky,H. / Hecker,U. / Lassek,<br />

M. (Hg.) (2013): Individuell fördern –<br />

Kompetenzen stärken (ab Klasse 3). Heft 1,<br />

(5) Erichson, C.: Der Orthographie auf der<br />

Spur. In: Brügelmann, H. / Balhorn, H. (1995):<br />

Schriftwelten im Klassenzimmer. Lengwil:<br />

Libelle Verlag, S. 205<br />

GS <strong>aktuell</strong> <strong>124</strong> • November 2013<br />

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