oneX magazin 05.2015
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REPORTAGE<br />
EIN TAG<br />
IN DER<br />
Gasse-<br />
Chuchi<br />
Sie weilen mitten unter uns, und doch stehen<br />
sie am Rand. Weil unsere Gesellschaft lieber<br />
weg- als hinschaut, ist es nicht verwunderlich,<br />
dass die Gassechuchi Langenthal von der<br />
öffentlichen Hand kaum unterstützt wird.<br />
TEXT: BRUNO WÜTHRICH<br />
Wer nichts hat, gilt nichts.<br />
Wer unterstützt werden<br />
muss, noch weniger. Dies<br />
ist eine traurige Tatsache<br />
unserer Gesellschaft. Seit<br />
elf Jahren betreibt Esther Schönmann gemeinsam<br />
mit Hans Ruedi Leuthold und weiteren<br />
drei Helfern die Gassechuchi beim alten<br />
Waaghüsli gleich neben der Markthalle<br />
in Langenthal.<br />
An Tagen, an denen die Gasse chuchi Lebensmittel<br />
und Kleider ausgibt, beginnen die<br />
Vorbereitungen bereits am späten Vormittag.<br />
Es werden Kleider bereit gestellt, Esther<br />
Schönmann organisiert und beantwortet<br />
Fast abgelaufene<br />
Lebensmittel<br />
werden häufig<br />
gespendet.<br />
Fragen der Helfer. Drei Frauen verpacken<br />
Spargeln, die anderswo nicht mehr verkauft<br />
werden können, aber immer noch von bester<br />
Qualität sind. Immer zehn Stück in ein Säcklein.<br />
Die Szenerie strahlt Ruhe und Zufriedenheit<br />
aus. Ein paar Menschen, die gelassen,<br />
aber speditiv am arbeiten sind.<br />
Um 13.00 Uhr kommt der Lieferwagen<br />
von der «Schweizer Tafel». Der Slogan heisst<br />
«verteilen statt wegwerfen». Der Lieferwagen<br />
ist gut gefüllt mit Gemüse, Brot, Kuchen<br />
und anderen Süssigkeiten. Manchmal ist<br />
auch etwas Käse oder Fleisch dabei. Bei all<br />
diesen Waren nähert sich das Ablaufdatum<br />
bedrohlich dem heutigen Tag. Viele Lebensmittel<br />
können noch Wochen nach Ablauf des<br />
abgelaufenen Datums bedenkenlos verzehrt<br />
werden. Gut, dass man dies inzwischen gemerkt<br />
hat und auch ausnutzt.<br />
Gekocht wird nur im Winter. Lebensmittel<br />
und Kleider werden jedoch während des<br />
ganzen Jahres abgegeben. Eifrig wird abgeladen<br />
und die gelieferte Ware in den viel zu<br />
kleinen Raum, der im Waaghüsli zur Verfügung<br />
steht, verfrachtet. Die Platzverhält nisse<br />
sind äusserst prekär. Weil es schnell gehen<br />
muss, sind auf diesen paar Quadratmetern<br />
drei bis vier Personen gleichzeitig tätig, die<br />
sich ihren Platz mit all den Waren teilen.<br />
Esther Schönmann führt Karteikarten von<br />
ihren «Kunden». Da ist der Name drauf vermerkt<br />
und die Anzahl der Personen, die in<br />
diesem Haushalt verköstigt werden müssen.<br />
Die ausgegebenen Lebensmittel ergeben jeweils<br />
fast eine Wochenration.<br />
Fotos: Marcel Bieri, Bruno Wüthrich