22.04.2016 Aufrufe

oneX magazin 05.2015

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Auf dem Napf suchen<br />

Wanderer die Ruhe<br />

und die Nähe zu einer<br />

unberührten Natur<br />

Was wahre Gold des Napfs ist<br />

Schwarz. Die Köhlerei war ein<br />

wichtiger Wirtschaftszweig.<br />

Heute schätzen Grillspezialisten<br />

die grossen Holzkohlestücke.<br />

Sage geht, dass mitten im Napf ein riesiger<br />

Goldklumpen liege und das Regenwasser<br />

spüle ständig kleine Mengen durch die Nagelfluh<br />

in die Bäche, wo sich alle ein bisschen<br />

davon holen können. Dazu bedarf es allerdings<br />

einiger Geduld, Fachkenntnis und Gerätschaften,<br />

die verschiedene Anbieter von<br />

Goldwasserexkursionen zur Verfügung stellen.<br />

Tatsächlich ist das Napfgold das älteste<br />

bekannte Goldvorkommen der Schweiz und<br />

wurde bereits vor zweitausend Jahren von<br />

den Helvetiern ausgewaschen. Die Mengen<br />

sind allerdings verschwindend klein.<br />

Das wahre Gold ist schwarz. Hier wissen<br />

die Menschen noch, wie Holz in Kohle verwandelt<br />

wird. Jahrhundertelang war die<br />

Köhlerei ein wichtiger Wirtschaftszweig. Abnehmer<br />

dieser Kohle waren Schmiede, Eisengiessereien,<br />

Ziegeleien und Glashütten, aber<br />

auch die Rüstungsindustrie, die Holzkohle<br />

zur Herstellung von Schwarzpulver benötigte.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die<br />

Köhlerei vor dem Aus. Die Umstellung von<br />

Industrie- auf Grillkohle brachte in den<br />

1980er Jahre die Rettung. Die grossen Holzkohlestücke<br />

sind bei Grillspezialisten besonders<br />

gefragt. Und so sehen wir noch heute an<br />

schönen Sommertagen rund um den Napf<br />

den weissen Rauch von den Kohlenmeilern<br />

in den Himmel steigen wie seit den Zeiten<br />

der Urväter. Grad so wie am Horizont die<br />

Dampfsäule des Atommeilers von Gösgen.<br />

BERG DER LEGENDEN<br />

Bis tief in den Dezember hinein ist der Napf<br />

ein Ort des Lichtes. Die Menschen entfliehen<br />

dem Nebel über dem dicht besiedelten Mittelland<br />

auf diesen Berg. Und ein bisschen<br />

spüren und ahnen auch die<br />

Ungläubigen, dass hier noch<br />

immer eine unheimliche<br />

Kraft der Natur wirkt. Nicht<br />

nur, weil es in den Krachen<br />

rund um den Berg viele alternative<br />

Lebensformen gibt, in<br />

Jurten und Hütten gehaust<br />

wird, und hie und da eine<br />

wahre Mordsgeschichte nach<br />

draussen dringt. Oben, am<br />

Rande des kleinen Plateaus steht eine Gedenkstätte<br />

für den 35jährigen Felix Arnold,<br />

einen Spitzenringer. Der mehrfache Schweizer<br />

Meister geriet im März 2009 beim Abstieg<br />

vom Napf in ein Schneebrett und verlor<br />

sein Leben. Und weiter unten, vor dem<br />

Waldstück zum letzten Aufstieg finden wir<br />

eine kleine Gedenktafel, die an einen Wanderer<br />

gemahnt, der hier an einem Herzschlag<br />

gestorben ist.<br />

Was Wunder, dass es kaum eine andere<br />

Gegend in unserem Land gibt, wo sich so viele<br />

Sagen erhalten haben. Die grosse Ur-Angst<br />

des naturnahen Menschen ist hier noch wohlbekannt.<br />

Von Lästerern, die der Teufel entführt,<br />

sind die Geschichten übervoll. Noch im<br />

19. Jahrhundert liess der grosse Rat von Luzern<br />

im katholischen Teil des Napfbergland<br />

heilige Bäume fällen, weil ihnen das Volk<br />

abergläubische Verehrung zollte. Dem Chronisten<br />

wohl vertraut ist der Fall eines Schulhausabwartes,<br />

der nebenbei auch als Totengräber<br />

einer kleinen Gemeinde im Napfbergland<br />

arbeitete. Er half einem Bauern bei der<br />

Heuernte. Aber ein heftiges Gewitter hielt<br />

alle von der Arbeit ab. Der Mann sah unter<br />

der Dachtraufe in den Regen hinaus und haderte,<br />

bei dem Hudelwetter hätte er seine Zeit<br />

besser nützen und ein Grab schaufeln können.<br />

Auf die Ermahnung, er versündige sich, lachte<br />

er nur. Am nächsten Tag verschied sein<br />

Vater an einem Herzschlag.<br />

Die Freundin aus der grossen Stadt hat<br />

dieses wunderlich-unheimliche Herzland<br />

der Schweiz leicht schaudernd ein Wolfsland<br />

genannt. Was sind da Rigi, Schynige Platte<br />

oder Jungfraujoch schon gegen ein echtes<br />

Wolfsland?<br />

one X 5 / 2015 21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!