oneX magazin 05.2015
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Auf dem Napf suchen<br />
Wanderer die Ruhe<br />
und die Nähe zu einer<br />
unberührten Natur<br />
Was wahre Gold des Napfs ist<br />
Schwarz. Die Köhlerei war ein<br />
wichtiger Wirtschaftszweig.<br />
Heute schätzen Grillspezialisten<br />
die grossen Holzkohlestücke.<br />
Sage geht, dass mitten im Napf ein riesiger<br />
Goldklumpen liege und das Regenwasser<br />
spüle ständig kleine Mengen durch die Nagelfluh<br />
in die Bäche, wo sich alle ein bisschen<br />
davon holen können. Dazu bedarf es allerdings<br />
einiger Geduld, Fachkenntnis und Gerätschaften,<br />
die verschiedene Anbieter von<br />
Goldwasserexkursionen zur Verfügung stellen.<br />
Tatsächlich ist das Napfgold das älteste<br />
bekannte Goldvorkommen der Schweiz und<br />
wurde bereits vor zweitausend Jahren von<br />
den Helvetiern ausgewaschen. Die Mengen<br />
sind allerdings verschwindend klein.<br />
Das wahre Gold ist schwarz. Hier wissen<br />
die Menschen noch, wie Holz in Kohle verwandelt<br />
wird. Jahrhundertelang war die<br />
Köhlerei ein wichtiger Wirtschaftszweig. Abnehmer<br />
dieser Kohle waren Schmiede, Eisengiessereien,<br />
Ziegeleien und Glashütten, aber<br />
auch die Rüstungsindustrie, die Holzkohle<br />
zur Herstellung von Schwarzpulver benötigte.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die<br />
Köhlerei vor dem Aus. Die Umstellung von<br />
Industrie- auf Grillkohle brachte in den<br />
1980er Jahre die Rettung. Die grossen Holzkohlestücke<br />
sind bei Grillspezialisten besonders<br />
gefragt. Und so sehen wir noch heute an<br />
schönen Sommertagen rund um den Napf<br />
den weissen Rauch von den Kohlenmeilern<br />
in den Himmel steigen wie seit den Zeiten<br />
der Urväter. Grad so wie am Horizont die<br />
Dampfsäule des Atommeilers von Gösgen.<br />
BERG DER LEGENDEN<br />
Bis tief in den Dezember hinein ist der Napf<br />
ein Ort des Lichtes. Die Menschen entfliehen<br />
dem Nebel über dem dicht besiedelten Mittelland<br />
auf diesen Berg. Und ein bisschen<br />
spüren und ahnen auch die<br />
Ungläubigen, dass hier noch<br />
immer eine unheimliche<br />
Kraft der Natur wirkt. Nicht<br />
nur, weil es in den Krachen<br />
rund um den Berg viele alternative<br />
Lebensformen gibt, in<br />
Jurten und Hütten gehaust<br />
wird, und hie und da eine<br />
wahre Mordsgeschichte nach<br />
draussen dringt. Oben, am<br />
Rande des kleinen Plateaus steht eine Gedenkstätte<br />
für den 35jährigen Felix Arnold,<br />
einen Spitzenringer. Der mehrfache Schweizer<br />
Meister geriet im März 2009 beim Abstieg<br />
vom Napf in ein Schneebrett und verlor<br />
sein Leben. Und weiter unten, vor dem<br />
Waldstück zum letzten Aufstieg finden wir<br />
eine kleine Gedenktafel, die an einen Wanderer<br />
gemahnt, der hier an einem Herzschlag<br />
gestorben ist.<br />
Was Wunder, dass es kaum eine andere<br />
Gegend in unserem Land gibt, wo sich so viele<br />
Sagen erhalten haben. Die grosse Ur-Angst<br />
des naturnahen Menschen ist hier noch wohlbekannt.<br />
Von Lästerern, die der Teufel entführt,<br />
sind die Geschichten übervoll. Noch im<br />
19. Jahrhundert liess der grosse Rat von Luzern<br />
im katholischen Teil des Napfbergland<br />
heilige Bäume fällen, weil ihnen das Volk<br />
abergläubische Verehrung zollte. Dem Chronisten<br />
wohl vertraut ist der Fall eines Schulhausabwartes,<br />
der nebenbei auch als Totengräber<br />
einer kleinen Gemeinde im Napfbergland<br />
arbeitete. Er half einem Bauern bei der<br />
Heuernte. Aber ein heftiges Gewitter hielt<br />
alle von der Arbeit ab. Der Mann sah unter<br />
der Dachtraufe in den Regen hinaus und haderte,<br />
bei dem Hudelwetter hätte er seine Zeit<br />
besser nützen und ein Grab schaufeln können.<br />
Auf die Ermahnung, er versündige sich, lachte<br />
er nur. Am nächsten Tag verschied sein<br />
Vater an einem Herzschlag.<br />
Die Freundin aus der grossen Stadt hat<br />
dieses wunderlich-unheimliche Herzland<br />
der Schweiz leicht schaudernd ein Wolfsland<br />
genannt. Was sind da Rigi, Schynige Platte<br />
oder Jungfraujoch schon gegen ein echtes<br />
Wolfsland?<br />
one X 5 / 2015 21