22.04.2016 Aufrufe

oneX magazin 05.2015

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

AUSGABE 5 MAI 2015<br />

Einsatz<br />

für die<br />

Armen<br />

Esther Schönmann<br />

Die Gassechuchi in<br />

Langenthal geht auf ihre<br />

Initiative zurück. Doch<br />

deren Weiterbestand<br />

ist gefährdet.<br />

NAPF<br />

Einst so berühmt<br />

wie die Rigi – heute<br />

weit ab vom Trubel<br />

BAHN-PIONIERE<br />

Der Bau der Eisenbahn<br />

nach Huttwil<br />

war eine Pioniertat<br />

STEPHAN ANLIKER<br />

Der GC-Präsident<br />

aus Langenthal gerät<br />

unter Beschuss


«Ässe, Trinke u Spass ha»<br />

Alles unter einem Dach!<br />

«Ässe, Trinke u Spass ha»<br />

Bowlingcenter Langenthal AG<br />

Lotzwilstrasse 66<br />

4900 Langenthal<br />

062 919 01 16<br />

events@gastro-elemaent.ch<br />

let‘s meet ...<br />

THE MEAT<br />

PREMIUM BEEFHOUSE<br />

1<br />

⁄1 Inserat randabfallend<br />

Das erste Beefhouse in Langenthal mit einem 800 Grad Montague Steakhouse Grill<br />

(210 × 297 mm)<br />

Geniessen Sie die vielleicht besten Steaks in der Region aus einem Grillofen, den wir direkt aus Kalifornien importiert<br />

haben. Der Grill erzeugt innerhalb kürzester Zeit eine Hitze von über 800 Grad. Qualitativ bestes Rindfleisch von ausgesuchten<br />

Produzenten erhält durch die enorme Hitze eine sehr schmackhafte, krosse und fast karamellisierte dunkle<br />

Kruste. Dabei bleibt das Fleisch im Kern sehr saftig.<br />

Das Erlebnis für jeden Fleischliebhaber<br />

Reservationen nehmen wir gerne unter 062 919 01 16 oder unter events@gastro-elemaent.ch an<br />

Öffnungszeiten THE MEAT Dienstag bis Samstag 11:30 bis 14:00 Uhr und 18:00 bis 23:00 Uhr<br />

Sonntag und Montag geschlossen<br />

HOLE 19<br />

INDOOR GOLF<br />

Tagesmenüs ab Fr. 14.50<br />

Kreative Küche speditiv serviert<br />

Abendkarte<br />

Kleine, aber feine Speiseauswahl<br />

mit Pfi ff<br />

Seminare und Bankette<br />

Immer wieder gerne – wir beraten<br />

Sie kompetent und voller Elan<br />

Öffnungszeiten<br />

Mo-Fr 08:00-14:00 / 17:00-23:00<br />

Sa 09:00-23:00<br />

So 09:00-21:30<br />

www.elemaent.ch<br />

Schieben Sie eine ruhige Kugel...<br />

...auf einer topmodernen Anlage mit<br />

12 Bahnen<br />

...bei Ihrem Bowlingspass und verbinden<br />

Sie diesen mit einem Apéro<br />

an unserer Apérobar oder einem<br />

Essen im Meat oder Elemänt<br />

...an unseren vier Billardtischen,<br />

zwei „Töggelichäschten“ und zwei<br />

Dartautomaten<br />

Ein Besuch lohnt sich –<br />

Reservation von Vorteil.<br />

Öffnungszeiten<br />

Mo-Di geschlossen<br />

Mi-Do 14:00-23:00<br />

Fr-Sa 14:00-00:00<br />

So 12:00-22:00<br />

Bei uns stehen Sie nie im Regen!<br />

3 professionelle Full-Swing<br />

Golfsimultaoren<br />

8-ung: Nur für Profi s oder solche, die<br />

es werden wollen. Für Einsteiger, die<br />

das Golf spielen erlernen möchten,<br />

bieten wir Ihnen ein Golfpackage mit<br />

einem Golfl ehrer an.<br />

Öffnungszeiten<br />

Mo-So 09:00-22:00<br />

www.hole19.ch<br />

Sei es eine Zigarre oder Zigarette,<br />

Whisky oder ein Glas Rotwein -<br />

kosten Sie in einem Ledersessel<br />

alles was ihr Herz begehrt. In einem<br />

klassischen und eleganten Fumoir,<br />

geprägt von einer warmen Atmosphäre,<br />

lässt sich eine Zigarre in<br />

vollen Zügen geniessen. In unserem<br />

Fumoir können Sie persönlich Ihre<br />

Wahl treffen und geniessen...<br />

Öffnungszeiten<br />

Mo-Fr 08:00-14:00 / 17:00-23:00<br />

Sa 09:00-23:00<br />

So 09:00-21:30<br />

www.elemaent.ch<br />

www.bowling-langenthal.ch


EDITORIAL / INHALT<br />

Liebe Leserin,<br />

lieber Leser<br />

4<br />

Am Abend des Tages der Auslieferung unserer<br />

letzten Ausgabe fand ich in meiner Mailbox<br />

die Aufforderung vor, die Absenderin<br />

anzurufen, was ich selbstverständlich tat.<br />

Doch zwischen dem Absenden der Mail und<br />

meinem Rückruf befand sich eine Zeitspanne<br />

von ungefähr drei Stunden. Und diese<br />

hatte ungeahnt positive Folgen: Die Anruferin<br />

hatte nämlich ursprünglich vor, mir mitzuteilen,<br />

dass sie mit Gratiszeitungen und<br />

-heften trotz Werbekleber am Briefkasten<br />

überhäuft werde und deshalb unser Produkt<br />

nicht auch noch wünsche. Doch in der<br />

Zwischenzeit habe sie darin geblättert und<br />

festgestellt, dass sich das «one x Magazin»<br />

nicht mit andern Publikationen vergleichen<br />

lasse. Deshalb wünsche sie das Heft weiterhin<br />

zu erhalten. Ein herzliches Dankeschön<br />

dieser Leserin. Ein herzliches Dankeschön<br />

allen unseren Leserinnen und Lesern.<br />

Als wir nämlich mit der April-Ausgabe<br />

erstmals als Gratiszeitung auch an die Briefkästen<br />

mit einem Kleber «Keine Werbung<br />

erwünscht» gelangen durften, rechneten<br />

wir durchaus mit negativen Reaktionen.<br />

Falls wir wegen den zusätzlichen 27 000 Exemplaren,<br />

die wir im Verteilgebiet versandten,<br />

nicht mehr als hundert Rekla ma tionen<br />

erhalten, würden wir dies als Erfolg werten.<br />

Es kam keine einzige Reklamation!<br />

Dies ist für uns ebenso überraschend wie<br />

wunderbar. Es ist die schönste Art der<br />

Motiva tion, all unsere Leserinnen und Leser,<br />

die uns die Chance geben, ihnen dieses<br />

Magazin zusenden zu dürfen, nicht zu enttäuschen.<br />

Wir hoffen, dass Sie sich durch<br />

die hier vorliegende Mai-Ausgabe ebenfalls<br />

bestens unterhalten fühlen.<br />

Viel Spass beim Lesen<br />

Ihr Bruno Wüthrich<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgeber: one X Services<br />

Redaktion: Bruno Wüthrich,<br />

Klaus Zaugg<br />

12<br />

04 ESTHER SCHÖNMANN<br />

Die initiative Rentnerin<br />

betreibt mit einigen Gleichgesinnten<br />

die Gassechuchi<br />

in Langenthal. Weil keine<br />

Nachfolge in Sicht ist, bleibt<br />

die Institution gefährdet<br />

10 GASSECHUCHI<br />

Eine Reportage vom Rand<br />

der Gesellschaft.<br />

12 KALK<br />

Der wohl am meisten<br />

unterschätzte Rohstoff<br />

der Welt.<br />

18 NAPF<br />

Verwunschene Landschaft<br />

fernab von der Zivilation –<br />

hier ist Ruhe garantiert.<br />

22 WUSSTEN SIE SCHON<br />

Alte Elektroautos, gesunde<br />

Adrenalinjunkies und umstrittene<br />

Intimrasur.<br />

24 BAHN-PIONIERE<br />

Die spannende Geschichte<br />

des Baus der Langenthal-<br />

Huttwil-Bahn.<br />

28 STEPHAN ANLIKER<br />

Der GC-Präsident aus<br />

Langenthal kommt unter<br />

Beschuss – eine Analyse.<br />

34 IN EIGENER SACHE<br />

Veranstaltungskalender<br />

und Leserbriefe.<br />

18<br />

24<br />

Layout: tnt-graphics AG,<br />

8303 Bassersdorf,<br />

www.tnt-graphics.ch<br />

Auflage: 69 000 Exemplare<br />

Druck: NZZ Print, www.nzzprint.ch<br />

Versand: Die Post<br />

28<br />

Inserate-Annahme und Redaktion:<br />

redaktion@onex<strong>magazin</strong>.ch<br />

one X 5 / 2015 3


ESTHER SCHÖNMANN<br />

«Wenn wir nicht<br />

mehr können,<br />

IST ES<br />

VORBEI»<br />

Esther Schönmann betreut seit 11 Jahren<br />

die Gassechuchi in Langenthal. Sie hilf Bedürftigen<br />

in schwierigen Situationen mit Essen<br />

und Kleidern, die gespendet werden. Doch die<br />

72-jährige sorgt sich um ihre Nachfolge.<br />

TEXT: BRUNO WÜTHRICH<br />

Mit ihrer Wahl zur «Heldin<br />

des Alltags» wurde sie<br />

schweizweit bekannt. Ihre<br />

«Gasse chuchi» wird in Langenthal<br />

rege benutzt und<br />

entspricht einem echten Bedürfnis im sozialen<br />

Bereich. Doch bei den Behörden wird<br />

die Institution mehr geduldet als geliebt, und<br />

schon gar nicht gefördert. Wir sprachen mit<br />

«Gasse chuchi»-Gründerin und -Betreiberin<br />

Esther Schönmann über ihr Engagement,<br />

Menschen am Rande der Gesellschaft, die<br />

Rolle der Behörden und ihre grösste Sorge:<br />

Im Alter von 72 Jahren die Nachfolge regeln<br />

zu können.<br />

one X Magazin: Sie wurden am 1. Februar<br />

dieses Jahres zur «Heldin des Alltags» gewählt,<br />

und zwar weil Sie seit 11 Jahren<br />

die Gassenküche in Langenthal betreiben.<br />

Was haben dieser Titel und die damit verbundene<br />

Publizität bewirkt?<br />

Esther Schönmann: Ich hatte erst gar keine<br />

Ahnung, vorgeschlagen worden zu sein. Erst<br />

als von 230 geprüften Vorschlägen 17 nochmals<br />

ausgewählt wurden und ich in der engsten<br />

Auswahl war, also unter den letzten drei,<br />

vernahm ich davon. Bemerkenswert ist, dass<br />

ich von einer Frau aus Langenthal angemeldet<br />

wurde, die mich nicht persönlich kannte,<br />

aber unsere Arbeit mit der Gassechuchi über<br />

Jahre beobachtet hatte. Diese Wahl löste<br />

sofort sehr viel aus. Ich erhielt massenhaft<br />

Reaktionen per Telefon, per Brief oder per<br />

Mail, ich wurde angefragt für Interviews und<br />

ich wurde eingeladen, Vorträge über unsere<br />

Arbeit in der Gassenküche zu halten. Wir<br />

erhielten einige Geldspenden, und auch Kleider<br />

und Schuhe zum weiterverteilen trafen<br />

ein, und ich wurde mit Blumen beschenkt.<br />

Wie kam es überhaupt zu dieser Gassenküche?<br />

Wie begann diese bemerkenswerte<br />

Geschichte?<br />

Ich arbeitete bis zu meiner Pension zu 100<br />

Prozent in St. Urban in der Verwaltung, und<br />

liess mich nebenbei zur psychologischen<br />

Lebenstherapeutin ausbilden. Das Thema<br />

meiner Diplomarbeit lautete «Sehnsucht,<br />

Sucht, Drogen». Im Rahmen dieser Arbeit<br />

thematisierte ich, wie jemand wegen unerfüllten<br />

Sehnsüchten absacken kann und ich<br />

befasste mich mit allen legalen und illegalen<br />

Drogen. Doch irgendwie war mir dies<br />

zu wenig. Oft gerät ja jemand durch seine<br />

Drogensucht in die Arbeitslosigkeit und in<br />

die soziale Not. Weil ich in St. Urban arbeitete,<br />

wurde mir gestattet, mit Patienten, die<br />

wegen ihrer Abhängigkeit dort weilten, Interviews<br />

zu führen. Doch nur darüber zu<br />

schreiben, war mir immer noch zu wenig,<br />

denn in mir war das Bewusstsein gewachsen,<br />

dass sich jemand um diese Menschen<br />

kümmern sollte. Daraus entstand die Idee<br />

mit der Gassechuchi.<br />

Fotos: Marcel Bieri<br />

4 one X 5 / 2015


«Ich fragte mich im<br />

ersten Winter mehr<br />

als einmal, warum ich<br />

mir das antue»<br />

Esther Schönmann<br />

Nach der Idee wurde es schnell konkret.<br />

Wie ging es weiter?<br />

Ich rief meinen guten Kollegen Hans Ruedi<br />

Leuthold an und erzählte ihm von der Idee.<br />

Er war sofort begeistert und erklärte sich<br />

«In der Langenthaler Gemeindeverwaltung<br />

hatte man die<br />

Befürchung, die Gassechuchi<br />

könnte eine unerwünschte<br />

Art von Tourismus fördern.»<br />

bereit, mitzumachen. Wir fragten auf der<br />

Stadtverwaltung Langenthal an, ob wir<br />

überhaupt so etwas machen dürften und<br />

erhielten zur Antwort, dass man dieses Projekt<br />

auf Zusehen hin dulden würde. Gleich<br />

im ersten Winter wurden wir auf eine harte<br />

Probe gestellt. Es war ein sehr kalter Winter<br />

und ich fragte mich mehr als einmal, weshalb<br />

ich dies überhaupt mache und warum<br />

ich mich bei jedem Hudelwetter frierend ins<br />

Freie stelle, um Mahlzeiten zu<br />

verteilen. Ich war mehrmals<br />

kurz vor dem Aufgeben. Doch<br />

eines Tages kam ich nach Hause<br />

und fand in meinen Briefkasten<br />

die Zeitschrift «Leben<br />

und Glauben» vor. Dort stand<br />

in einem Bericht über Nächstenliebe:<br />

«Was ihr für einen<br />

meiner geringsten Brüder getan<br />

habt, das habt ihr mir getan».<br />

Das war für mich das Zeichen, weiterzumachen.<br />

Ich schrieb dem Autor des Artikels<br />

und bedankte mich dafür, dass er mir<br />

mit seinem Bericht geholfen hatte, mich<br />

trotz meines Zweifels richtig zu entscheiden.<br />

War nach dem ersten Winter wenigstens<br />

die Stadtverwaltung von Ihrer Arbeit<br />

überzeugt?<br />

Wir mussten bereits nach dem ersten halben<br />

Jahr wieder bei der Stadt vorsprechen, denn<br />

in der Verwaltung hatten sie Angst, dass die<br />

Gassechuchi eine unerwünschte Art von Tourismus<br />

fördern könnte. Man befürchtete, es<br />

könnten Menschen von überall aus der<br />

Schweiz nach Langenthal reisen, um hier<br />

gratis zu essen. Doch diese Befürchtung war,<br />

entschuldigen Sie den Ausdruck, vollkommen<br />

lachhaft. Auch heute noch haben die<br />

Behörden Angst vor einer Ausweitung der<br />

sogenannten Szene. Befinden sich mal zehn<br />

Personen gemeinsam an einem Ort, werden<br />

sie gezwungen, die Gruppe aufzulösen. Es<br />

wird ihnen angedroht, dass ihnen verboten<br />

wird, sich an diesem Ort aufzuhalten. Ein<br />

solches Verhalten der Behörden ist nicht nur<br />

nicht in Ordnung, es ist auch unmensch-<br />

one X 5 / 2015 5


ESTHER SCHÖNMANN<br />

Kleider und Esswaren<br />

werden jeweils<br />

gerecht unter den<br />

Bedürftigen verteilt –<br />

die Reihenfolge per<br />

Los bestimmt.<br />

lich! Irgendwo sollte man sich treffen dürfen<br />

um sich auszutauschen.<br />

Wie viele Personen arbeiten an diesem<br />

Projekt mit?<br />

Vor einigen Jahren haben wir einen Verein<br />

gegründet. Wir sind insgesamt zu fünft.<br />

Doch meistens können nicht alle kommen,<br />

weil sie teilweise noch erwerbstätig sind. Wir<br />

könnten mehr Kräfte gebrauchen. Doch diese<br />

sollten ein Feeling für sozial schwache<br />

Menschen haben und frei von Vorurteilen<br />

und Angst sein. Gegenüber den Mitarbeitern<br />

der Gassenküche wurde in all den Jahren<br />

noch nie jemand aggressiv. Im Gegenteil es<br />

sind alles liebe, nette und dankbare Menschen.<br />

Berühmt wurde die Raubritter-Suppe von<br />

Hans Ruedi Leuthold. Was hat die Gassechuchi<br />

sonst noch im Angebot?<br />

In den ersten sieben Jahren kochten wir auf<br />

dem Wuhrplatz. Hans Ruedi kochte jeweils<br />

zu Hause vor und benutzte dann vor Ort ein<br />

Gasrechaud, um das Essen fertig zu stellen.<br />

Es war teilweise so kalt, dass die Mahlzeiten<br />

direkt aus dem Auto heraus verteilt wurden<br />

und die Leute ihr Essen auf der Toilette verzehren<br />

mussten. Wir organisierten auch andere<br />

Anlässe. An Ostern färbten wir gemeinsam<br />

Eier und trafen uns danach an der «Langete»<br />

zum Eiertütschen. Während drei Jahren<br />

wurden wir von der Burgergemeinde<br />

Schwarzhäusern engagiert, um unter Anleitung<br />

des Burgerpräsidenten Brombeerranken<br />

im Wald zu schneiden. Das war jedes<br />

Mal ein Abenteuer. Leider vermissen wir<br />

weitere solche Möglichkeiten. Wir verteilen<br />

Flugblätter, wenn wir wieder etwas vorhaben.<br />

Es herrscht jeweils eine besondere Stimmung<br />

an diesen Anlässen. Im Sommer grillieren<br />

wir mit den Leuten oder organisieren<br />

andere Überraschungen. An den fünf Monatsmärits<br />

sind wir auch immer mit diversen<br />

Artikeln anwesend und offerieren Mahlzeiten.<br />

Als der Wuhrplatz umgebaut wurde,<br />

mussten wir weichen. Zum Glück stellte uns<br />

die Stadt einen Raum im Waaghüsli zur Verfügung.<br />

Wir dürfen darin aber nicht essen<br />

und den Raum auch nicht ausschmücken.<br />

Haben Sie sich daran gehalten?<br />

Nicht immer. Wenn es kalt oder nass war,<br />

stellten wir Tische und Bänke in den Raum<br />

und Hans Ruedi kochte im Freien. Doch dann<br />

kam das Evangelische Gemeinschaftswerk<br />

(EGW) auf uns zu und bot uns an, den Jugendraum<br />

in ihrem Haus gegenüber dem<br />

Kino Scala zu benutzen. Dies war natürlich<br />

ein hoch willkommenes Angebot. Nun konnten<br />

wir bereits drei Winter, von Oktober bis<br />

April, in diesem trockenen, warmen Raum<br />

essen und uns unterhalten. Auch konnten<br />

unsere Gäste die gespendeten Kleider in aller<br />

Ruhe aussuchen und anprobieren.<br />

Den Raum im Waaghüsli benutzen Sie<br />

aber weiterhin.<br />

Natürlich! Er dient uns als Lager für die<br />

Märit sachen und jeden Mittwochnachmittag<br />

für die Esswarensortierung<br />

und -verteilung. Wir fragten sogar<br />

für einen weiteren Raum nach, weil<br />

wir inzwischen sehr viele Kleider<br />

erhalten haben und diese gerne deponieren<br />

möchten. Doch eine Antwort<br />

steht noch aus.<br />

Sie erhielten keine Antwort? Dies verwundert<br />

nun doch sehr!<br />

Wie Sie sehen, verfügt das Waaghüsli über<br />

drei kleine Räume. Aber die beiden andern<br />

werden von der Fasnachtsgesellschaft belegt,<br />

welche hier unter dem Jahr ihre Sachen<br />

lagert. Die Stadt will nicht, dass sich die<br />

Randständigen hier allzu lange aufhalten.<br />

Dies störe die Bevölkerung. Doch auf dem<br />

Wuhrplatz stören sie ja scheinbar auch. Sie<br />

stören überall. Randständige werden in unserer<br />

Gesellschaft einfach nicht toleriert.<br />

Aber hier beim Waaghüsli wäre es doch gut.<br />

Hier sind wir etwas versteckt und weg vom<br />

Zentrum.<br />

Wir leben in einer vom Geld dominierten<br />

Welt. Sie betreiben diese Gassenküche<br />

ehrenamtlich. Nehmen all diesen Aufwand<br />

auf sich. Was steckt hinter dieser<br />

Motivation?<br />

Das kommt von innen. Ich hatte schon als<br />

Kind Erbarmen mit den armen Leuten. Ich<br />

war immer auf der Seite der Schwachen und<br />

Armen. Dies kann ich nicht verleugnen.<br />

Trotz ehrenamtlicher Arbeit: Auch ein<br />

Projekt wie die Gassenküche kommt nicht<br />

gänzlich ohne Geld aus. Wie finanzieren<br />

Sie das Projekt?<br />

Zu Beginn investierten wir etwas eigenes<br />

Geld und sammelten. Dann machten wir sozusagen<br />

die hohle Hand. Oft gaben uns Passanten<br />

etwas Bares. Später begannen wir,<br />

Gönnerbriefe zu versenden. Wir schrieben<br />

auch die Frauenvereine, das Blaue Kreuz und<br />

die diversen Kirchen an. Diese Briefe, die wir<br />

jedes Jahr versenden, bleiben nicht ohne<br />

Wirkung. Mal ist es die Kollekte einer Kirche,<br />

mal hat jemand an einem Jassabend, einem<br />

Basar oder einem Firmenanlass für die Gassechuchi<br />

gesammelt, und so kommt Jahr für<br />

Jahr etwas Geld zusammen, das wir dringend<br />

benötigen, um weitermachen zu können.<br />

6 one X 5 / 2015


An wen richtet sich Ihr Angebot?<br />

Bei uns darf jeder kommen. Im Gegensatz<br />

zum «Tischlein deck dich», das ebenfalls am<br />

Mittwoch Esswaren verteilt, wo aber jeweils<br />

der Sozialausweis der Gemeinde vorgewiesen<br />

werden muss. Bei uns ist kein Ausweis<br />

nötig. Wir kennen unsere Leute und Reiche<br />

stellen sich bei uns sowieso nicht in die Reihe.<br />

Es sind sozial schwache, Asylsuchende,<br />

Familien mit drei oder gar vier Kindern oder<br />

junge Leute von der Gasse, die bei uns Hilfe<br />

suchen.<br />

Wie wird verteilt?<br />

Ich führe Kärtchen. Darauf kann ich auch<br />

ablesen, wie viele Menschen sich in dem<br />

Haushalt des Betreffenden befinden. Daraus<br />

leiten wir ab, wie viele Lebensmittel eingepackt<br />

werden. Wir packen selber ein, die<br />

Menschen dürfen sich nicht selbst bedienen.<br />

Ich mische immer vorher die Kärtchen, damit<br />

dem Zufall überlassen ist, wer zuerst dran<br />

kommt.<br />

Sie stossen dabei auf grosses Interesse.<br />

Kommen auch andere Kunden als diejenigen,<br />

für die das Angebot ursprünglich<br />

gedacht war?<br />

Das Interesse ist gross, und es kommen immer<br />

mehr. Oft sind es Leute, die uns zufällig<br />

entdecken und dann fragen, ob sie auch etwas<br />

erhalten würden. Ich frage dann nach,<br />

ob sie sozial bedürftig seien. Falls dem so ist,<br />

erstelle ich auch für sie ein Kärtchen. Es gibt<br />

auch Sozialämter, die ihre Klienten an uns<br />

verweisen! Es kommen jede Woche ca.<br />

60 bis 80 Personen, um etwas gratis zu erhalten.<br />

«In der hiesigen Bevölkerung<br />

sind wir in den letzten 11 Jahren<br />

bekannter geworden. Die Bereitschaft<br />

wächst, uns zu helfen, mit<br />

Arbeit oder mit Sachspenden.»<br />

Stiessen Sie bei den Behörden von Langenthal<br />

sofort auf positive Resonanz und<br />

offene Ohren?<br />

Was heisst hier sofort? Eigentlich stiess ich<br />

nie auf offene Ohren. Wir werden geduldet<br />

und in Ruhe gelassen. Aber mehr erhalten<br />

wir nicht. Wenn wir am Markt einen Stand<br />

führen, zahlen wir wie alle andern eine<br />

Standgebühr. Früher mussten wir auf dem<br />

Wuhrplatz sogar Parkgebühren bezahlen,<br />

wenn wir dort unser Essen und Esswaren<br />

verteilen wollten.<br />

Welche Klippen mussten Sie umschiffen?<br />

Wurden Auflagen gemacht?<br />

Nein, nicht direkt. Dass wir den Platz anständig<br />

verlassen müssen und dass wir den Kehricht<br />

selber entsorgen, ist eine Selbstverständlichkeit.<br />

Wir müssen<br />

auch für den Raum im Waaghüsli<br />

nichts bezahlen. Es wurde<br />

uns sogar ein Wasseranschluss<br />

mit kleinem Boiler und<br />

ein Wärmegerät installiert!<br />

Wie kommt Ihr Projekt bei<br />

der Bevölkerung an?<br />

Wir hatten nie irgendwelche<br />

Schwierigkeiten mit der Bevölkerung.<br />

Wir wurden auch<br />

nie in irgendeiner Form angemacht. Im Gegenteil.<br />

Wir sind jetzt bekannter geworden,<br />

denn wir sind schon seit 11 Jahren auf der<br />

Gasse. Klar gibt es Leute, die unser Tun als<br />

überflüssig ansehen. Jeder sei selber schuld<br />

an seinem Absturz, ist zuweilen zu hören.<br />

Da bin ich nicht gleicher Meinung. Es wächst<br />

aber die Bereitschaft, uns zu helfen. Gerade<br />

eben war eine Frau da, die uns heute noch<br />

ZUR PERSON<br />

Esther Schönmann<br />

Vor elf Jahren gründete<br />

die heute 72-jährige<br />

Esther Schönmann die<br />

«Gassechuchi» Langenthal.<br />

Die Idee dafür kam<br />

ihr während ihrer Diplomarbeit<br />

zum Abschluss<br />

ihrer Ausbildung zur<br />

psychologischen Lebenstherapeutin.<br />

«Bereits als Kind war ich<br />

immer auf der Seite der<br />

Armen und Schwachen»,<br />

sagt die im zürcherischen<br />

Bonstetten aufgewachsene,<br />

geschiedene Mutter<br />

dreier erwachsener Kinder<br />

(ein Sohn und zwei Töchter).<br />

Nach ihrer Scheidung<br />

war die heute 72-jährige<br />

während 20 Jahren in der<br />

Administration der Psychiatrischen<br />

Klinik St. Urban<br />

tätig. In dieser Zeit liess<br />

sie sich zur psychologischen<br />

Lebenstherapeutin<br />

ausbilden. Beim Erstellen<br />

der Diplomarbeit kam ihr<br />

die Idee zur Gassechuchi.<br />

Bei diesem Projekt beschränkt<br />

sich Esther<br />

Schönmann längst nicht<br />

mehr auf das Kochen von<br />

Mahlzeiten über die Wintermonate.<br />

Ihr Engagement<br />

geht viel weiter (siehe<br />

separater Kasten). Sie<br />

kennt viele derjenigen, die<br />

heute randständig sind,<br />

aus deren Kindheit persönlich.<br />

Im Rahmen des<br />

Möglichen engagiert sie<br />

sich auch im zwischenmenschlichen<br />

Bereich.<br />

Hans Ruedi Leuthold ist<br />

wie Esther Schönmann<br />

bereits 72-jährig. Auch<br />

die andern Helfer der<br />

Gassechuchi sind über<br />

sechzig. Sorgen bereitet<br />

den Betreibern die Regelung<br />

der Nachfolge.<br />

Wenn keine Nachfolger<br />

gefunden<br />

werden können,<br />

wird es mit der<br />

Gassechuchi<br />

nicht mehr weitergehen,<br />

sobald<br />

Hans Ruedi<br />

Leuthold oder<br />

Esther Schönmann<br />

altershalber nicht<br />

mehr können.<br />

Die «Gassechuchi»<br />

beschränkt sich schon<br />

längst nicht mehr<br />

auf das Kochen von<br />

Mahlzeiten.


ESTHER SCHÖNMANN<br />

Längst ist zur Institution<br />

geworden, was vor elf<br />

Jahren klein angefangen<br />

hat und noch heute von<br />

Seiten der Behörden mehr<br />

geduldet ist als erwünscht.<br />

Jeweils von Oktober bis<br />

Ostern wird an jedem<br />

Donnerstag ein Mittagessen<br />

für Randständige und<br />

Bedürftige gekocht. Berühmt<br />

geworden ist die<br />

Raubritter-Suppe des ehemaligen<br />

Posthalters und<br />

heutigen Gassechuchi<br />

Kochs Hans Ruedi<br />

Leuthold. Gegessen wird<br />

jeweils im Jugendraum<br />

des Evangelischen Gemeinschaftswerks<br />

gleich<br />

gegenüber dem Kino<br />

Der Platz ist knapp<br />

für das Team der<br />

«Gassechuchi» – mehr<br />

Räumlichkeiten<br />

würden die Arbeit<br />

erleichtern.<br />

ZUSATZINFOS<br />

Die Gassechuchi Langenthal<br />

Scala. Doch die Gassechuchi<br />

ist heute längst nicht<br />

mehr nur Küche. Während<br />

des ganzen Jahres findet<br />

jeweils am Mittwoch ab<br />

15.00 Uhr eine Lebensmittelabgabe<br />

beim Waaghüsli<br />

gleich neben der<br />

Markthalle statt. Hier dürfen<br />

auch bedürftige Menschen<br />

ohne Sozialausweis<br />

vorbei kommen (im Gegensatz<br />

zum «Tischlein<br />

deck dich», wo der Ausweis<br />

gefordert ist). Grosses<br />

Interesse finden auch<br />

gespendete Kleider und<br />

Schuhe. Dankbar entgegen<br />

genommen werden diese<br />

jeweils am Mittwoch 13-<br />

15 Uhr beim Waaghüsli.<br />

Kleider bringen will. Am Mittag kam eine<br />

andere Frau, die gerne mit anpacken<br />

möchte.<br />

Das Angebot der Gassechuchi<br />

richtet sich in erster<br />

Linie an Menschen, die<br />

sich nicht viel leisten können,<br />

denen es nicht einmal<br />

fürs Essen reicht. Sind<br />

auch Obdachlose dabei?<br />

Ab und zu. Wenn einer bei<br />

seiner Freundin rausgeflogen ist,<br />

kann es passieren. Aber da helfen<br />

sich die Leute untereinander. Die meisten<br />

kennen sich. Es heisst unter Kumpels jeweils<br />

sofort, «dann kannst du bei mir schlafen».<br />

Die Bereitwilligkeit, einander zu helfen in<br />

der Not, ist bei diesen Menschen sehr gross.<br />

Das habe ich anderswo nie erlebt. Ein ganz<br />

spezieller Obdachloser war Lehrer in Ex-<br />

Jugoslawien, wo er seinerzeit mit ansehen<br />

musste, wie seine gesamte Schulklasse ermordet<br />

wurde. Er floh in die Schweiz und<br />

lebte obdachlos, weil er sich nicht mehr in<br />

geschlossenen Räumen aufhalten konnte<br />

und deshalb lieber irgendwo auf einer Parkbank<br />

schlief. Für Obdachlose gibt es in der<br />

Stadt die «Notschlööfi» – ein betreutes Wohnen,<br />

was ich als sehr gut erachte.<br />

Was läuft falsch, dass es überhaupt derartige<br />

Angebote wie Ihres braucht?<br />

In der Schweiz werden Bedürftige materiell<br />

minimal abgefedert. Sie leben in einer Wohnung,<br />

ihre Krankenkasse wird bezahlt und<br />

sie erhalten wöchentlich oder monatlich<br />

einen Betrag, um durchs Leben zu kommen.<br />

Doch das «Seelische» wird bei diesen Menschen<br />

nicht angeschaut. Wenn einer depressiv<br />

ist, lässt man ihn in seiner Depression<br />

allein. Niemand kümmert sich darum. Keine<br />

Überraschung deshalb, wenn sich der Eine<br />

oder Andere unter den Zug wirft. Hinterher<br />

heisst es dann, man hätte halt schauen sollen.<br />

Viele Männer, die zu uns kommen, können<br />

nicht kochen. Niemand würde ihnen<br />

einen Kochkurs anbieten. Wir hatten drei<br />

Mal einen Kochkurs organisiert, aber es fehlt<br />

an geeigneten Räumen. Wir versuchen, diesen<br />

Menschen auch im zwischenmenschlichen<br />

Bereich etwas zu bieten, indem wir<br />

Gespräche führen, sie aufmuntern, ihnen<br />

Geburtstagskärtchen schicken, den Osterhasen,<br />

den Samichlaus überreichen und ein<br />

tolles Weihnachtsfest bieten. Denn es gibt<br />

Leute, die noch nie ein Geburtstagskärtli oder<br />

ein Weihnachtsgeschenk erhalten haben.<br />

Welches sind Ihre grössten Sorgen?<br />

Sorgen ist nicht das richtige Wort. Wir sind<br />

froh, dass wir ärmeren Menschen helfen<br />

Auch wenn ein Grossteil<br />

der Lebensmittel gespendet<br />

werden und sämtliche<br />

Gassechuchi-Mitarbeiter<br />

ehrenamtlich arbeiten,<br />

kommt der Verein trotzdem<br />

nicht ohne Geld aus.<br />

Wer die Gassechuchi<br />

finanziell unterstützen<br />

und die Arbeit des Teams<br />

erleichtern möchte, findet<br />

unten stehend die notwendigen<br />

Angaben.<br />

Geldspenden an Verein<br />

Gassechuchi Langenthal<br />

Clientis Bank Oberaargau,<br />

4950 Huttwil<br />

30-38116-2<br />

CH86 0645 0016 0327<br />

9660 9<br />

können. Die Gassechuchi war jahrelang am<br />

Rande unserer Gesellschaft. Auch finden sie<br />

unseren Marktstand am Rande des Märits.<br />

Ich würde mir wünschen, dass unsere sozial<br />

Schwächeren näher zu uns rutschen könnten.<br />

Für diese Menschen gibt es kaum berufliche<br />

Angebote. Die Arbeitsprojekte sind jeweils<br />

nur für drei oder vier Monate gedacht.<br />

Es sollte viel mehr Plätze geben, wo betreutes<br />

Arbeiten möglich ist. Doch stattdessen<br />

werden solche Projekte aus Kostengründen<br />

geschlossen, wie kürzlich die Keramikwerkstätte<br />

in Roggwil, wo wunderschöne Keramiksachen<br />

hergestellt wurden.<br />

Zu vermuten ist, dass die Menschen, die<br />

am Rande der Gesellschaft leben, auch in<br />

Langenthal und Umgebung nicht weniger,<br />

sondern in Zukunft eher mehr werden.<br />

Was bedeutet dies für Sie und Ihr Projekt?<br />

Es werden immer mehr. Wir tun, was wir<br />

können. Von der «Schweizer Tafel» erhalten<br />

wir wöchentlich 40 Harassen mit Esswaren.<br />

Wir verteilen sie wie die Kleider und Haushaltsgeräte,<br />

die wir von Spendern erhalten.<br />

Der Stadtrat von Langenthal hat Ihnen<br />

zum Titel «Heldin des Alltags» gratuliert.<br />

Was könnte der Stadtrat sonst noch für<br />

Sie, bzw. Ihr Projekt tun?<br />

Dringend wäre ein zusätzlicher Raum für<br />

unser Material. Eine Antwort auf unsere Anfrage<br />

bei der Stadt ist immer noch hängig.<br />

Sie sind 72 Jahre alt, wirken lebendig, fit<br />

und agil. Doch wenn die Gassenküche<br />

noch lange bestehen soll, müssen sie sich<br />

Gedanken um die Nachfolge machen. Welches<br />

sind Ihre Überlegungen?<br />

Hans Ruedi Leuthold ist gleich alt wie ich.<br />

Wenn er nicht mehr kann, ist es vorbei. Das<br />

Gleiche gilt für mich. Ein Nachfolger oder<br />

eine Nachfolgerin ist nicht in Sicht. Alle, die<br />

mithelfen, sind um die 60 Jahre alt. Wir sind<br />

ein kleiner Verein, der alle Einnahmen und<br />

Ausgaben sauber dokumentiert und der deshalb<br />

dereinst problemlos in andere Hände<br />

übergeben werden könnte. Doch die Suche<br />

nach Nachfolgern war bisher vergeblich.<br />

8 one X 5 / 2015


DER WEG ZUR<br />

PLATZREIFE!<br />

Nutzen Sie den Winter und erlernen Sie das<br />

Golfspiel in der kalten Jahreszeit. In der Indoorgolfanlage<br />

erlernen sie die Grundtechniken<br />

und ein klares Verständnis für das Spiel. Im<br />

Frühjahr sind Sie für die Platzreife vorbereitet<br />

und können dann schon im Frühjahr das<br />

Spiel auf dem Platz geniessen.<br />

DIE PE (PLATZERLAUBNIS)<br />

Inbegriffen:<br />

• 17 Unterrichtseinheiten Golf<br />

• Unlimitierte Nutzung der Indoorgolfanlage während<br />

des Unterrichts<br />

• 6 Unterrichtseinheiten Regeln & Etikette (inkl. Prüfung)<br />

• Leihschläger von Hole19 für den Kurs<br />

• Prüfung, Ausweis und Diplom (bei erfolgreicher Prüfung)<br />

• Einführung in die Golfregeln & Etikette<br />

• Praktische Anwendung der Regeln auf dem Golfplatz<br />

• 2. Theoretische Prüfung<br />

Kosten als Einzelkurs: CHF 195.–/Person inkl. Buch «Golfregeln<br />

kompakt» (Durchführung in Gruppen von mind. 4 Personen)<br />

Kosten:<br />

Für Familien (Paar mit max. 2 Kindern bis 20 Jahre):<br />

3 – 4 Teilnehmer, CHF 727.50/Person<br />

Zu zweit:<br />

2 Teilnehmer, CHF 1110.–/Person<br />

Als Einzelunterricht:<br />

1 Teilnehmer, CHF 1620.–<br />

Lotzwilstrasse 66 | 4900 Langenthal<br />

Reservation 062 919 01 16<br />

2. OG via gastro elemänt, www.hole19.ch<br />

VORBEREITUNG AUF DIE PR (PLATZREIFE)<br />

Inbegriffen:<br />

• 9 Unterrichtseinheiten Golf<br />

• Unlimitierte Nutzung der Indoorgolfanlage während<br />

des Unterrichts<br />

• Leihschläger von HOLE19 für den Kurs<br />

Kosten:<br />

Für Familien (Paar mit max. 2 Kindern bis 20 Jahre):<br />

3 – 4 Teilnehmer, CHF 342.50/Person<br />

Zu zweit:<br />

2 Teilnehmer, CHF 530.–/Person<br />

Als Einzelunterricht:<br />

1 Teilnehmer, CHF 800.–


REPORTAGE<br />

EIN TAG<br />

IN DER<br />

Gasse-<br />

Chuchi<br />

Sie weilen mitten unter uns, und doch stehen<br />

sie am Rand. Weil unsere Gesellschaft lieber<br />

weg- als hinschaut, ist es nicht verwunderlich,<br />

dass die Gassechuchi Langenthal von der<br />

öffentlichen Hand kaum unterstützt wird.<br />

TEXT: BRUNO WÜTHRICH<br />

Wer nichts hat, gilt nichts.<br />

Wer unterstützt werden<br />

muss, noch weniger. Dies<br />

ist eine traurige Tatsache<br />

unserer Gesellschaft. Seit<br />

elf Jahren betreibt Esther Schönmann gemeinsam<br />

mit Hans Ruedi Leuthold und weiteren<br />

drei Helfern die Gassechuchi beim alten<br />

Waaghüsli gleich neben der Markthalle<br />

in Langenthal.<br />

An Tagen, an denen die Gasse chuchi Lebensmittel<br />

und Kleider ausgibt, beginnen die<br />

Vorbereitungen bereits am späten Vormittag.<br />

Es werden Kleider bereit gestellt, Esther<br />

Schönmann organisiert und beantwortet<br />

Fast abgelaufene<br />

Lebensmittel<br />

werden häufig<br />

gespendet.<br />

Fragen der Helfer. Drei Frauen verpacken<br />

Spargeln, die anderswo nicht mehr verkauft<br />

werden können, aber immer noch von bester<br />

Qualität sind. Immer zehn Stück in ein Säcklein.<br />

Die Szenerie strahlt Ruhe und Zufriedenheit<br />

aus. Ein paar Menschen, die gelassen,<br />

aber speditiv am arbeiten sind.<br />

Um 13.00 Uhr kommt der Lieferwagen<br />

von der «Schweizer Tafel». Der Slogan heisst<br />

«verteilen statt wegwerfen». Der Lieferwagen<br />

ist gut gefüllt mit Gemüse, Brot, Kuchen<br />

und anderen Süssigkeiten. Manchmal ist<br />

auch etwas Käse oder Fleisch dabei. Bei all<br />

diesen Waren nähert sich das Ablaufdatum<br />

bedrohlich dem heutigen Tag. Viele Lebensmittel<br />

können noch Wochen nach Ablauf des<br />

abgelaufenen Datums bedenkenlos verzehrt<br />

werden. Gut, dass man dies inzwischen gemerkt<br />

hat und auch ausnutzt.<br />

Gekocht wird nur im Winter. Lebensmittel<br />

und Kleider werden jedoch während des<br />

ganzen Jahres abgegeben. Eifrig wird abgeladen<br />

und die gelieferte Ware in den viel zu<br />

kleinen Raum, der im Waaghüsli zur Verfügung<br />

steht, verfrachtet. Die Platzverhält nisse<br />

sind äusserst prekär. Weil es schnell gehen<br />

muss, sind auf diesen paar Quadratmetern<br />

drei bis vier Personen gleichzeitig tätig, die<br />

sich ihren Platz mit all den Waren teilen.<br />

Esther Schönmann führt Karteikarten von<br />

ihren «Kunden». Da ist der Name drauf vermerkt<br />

und die Anzahl der Personen, die in<br />

diesem Haushalt verköstigt werden müssen.<br />

Die ausgegebenen Lebensmittel ergeben jeweils<br />

fast eine Wochenration.<br />

Fotos: Marcel Bieri, Bruno Wüthrich


Das Team: Hans Ruedi<br />

Leuthold, Schwarzhäusern,<br />

Annamarie Attinger,<br />

Herzogen buchsee, Kurt<br />

Ammann, Bellach, Esther<br />

Schönmann, Aarwangen.<br />

Es fehlt Karin Schneider,<br />

Langenthal.<br />

NICHT AUF DEN ERSTEN BLICK<br />

Exakt um 15.00 beginnt die Lebensmittelausgabe.<br />

Längst nicht jedem, der hier seine<br />

Wochenration abholt, sieht man an, dass in<br />

seinem Leben vieles nicht so gelaufen ist, wie<br />

gewünscht. Doch wenn einer zu erzählen<br />

beginnt, dann dämmert es dem Zuhörer,<br />

weshalb jemand in die Randständigkeit geraten<br />

kann. Aber da gibt es auch ganz erstaunliche<br />

Persönlichkeiten, die sich hier<br />

ihre Rationen abholen. Zum Beispiel T., der,<br />

bevor sich Probleme mit dem Rücken einstellten,<br />

als Logistiker arbeitete und ein geregeltes<br />

Leben führte. Er erzählt, dass er bei<br />

der IV für eine Umschulung nachgefragt<br />

habe, die ihm aber verweigert worden sei.<br />

Man habe ihm gesagt, er solle sich halt eine<br />

Stelle suchen, wo er weniger heben müsse.<br />

Dies sei aber nicht so einfach. Trotzdem<br />

macht T. einen positiven und gefestigten<br />

Eindruck. «Irgendwann werde ich etwas finden.<br />

Bis dahin bin ich froh, dass ich hier hin<br />

zu Esther kommen kann. Diese Essensabgabe<br />

erleichtert mein Leben enorm.»<br />

Oder S., der mit seinem Charme alle um<br />

den Finger wickeln kann. Doch es ist nicht<br />

nur sein Charme, der imponiert. Der junge<br />

Mann ist sehr intelligent und belesen, beginnt<br />

mich in eine Diskussion über Politik,<br />

Geschichte und Gegenwart zu verwickeln.<br />

Der Mann hat etwas auf dem Kasten, das<br />

merkt man sofort. Weshalb er an den Rand<br />

der Gesellschaft geraten ist, lässt sich beim<br />

besten Willen nicht erahnen. Über sich erzählt<br />

er nur, dass er gelegentlich einen über<br />

den Durst trinke, aber nicht regel mässig.<br />

Drogen nehme er keine. Ich glaube es ihm,<br />

denn er wirkt wahrlich nicht wie einer, der<br />

in den letzten Stunden einen Absturz hinter<br />

sich hat.<br />

Derweil ruft Esther Schönmann die Namen<br />

derer auf, die ihre Lebensmittel abholen können.<br />

Unter den Menschen verschiedener<br />

Nationalitäten befinden sich auch Mütter mit<br />

ihren Kindern. Die Essensausgabe geht sehr<br />

gesittet über die Bühne. Gut 45 Minuten<br />

später ist alles vorbei. Für Esther Schönmann<br />

und ihre Crew ist es Zeit, das Waaghüsli für<br />

heute abzuschliessen.<br />

Bereits für den nächsten Tag ist eine Überraschungsaktion<br />

geplant. Denn Hans Ruedi<br />

Schönmann, Vizepräsident und Koch der<br />

Gassechuchi Langenthal, und Erfinder der<br />

inzwischen berühmten Raubritter-Suppe,<br />

verkauft am Jahrmarkt in Aarwangen für<br />

den Verein Militär-Käseschnitten. Esther<br />

Schönmann zweigt einige davon ab und verteilt<br />

sie dann auf dem Wuhrplatz an die<br />

Randständigen. Aber davon erfahren die<br />

Beschenkten erst, wenn es soweit ist.<br />

one X 5 / 2015 11


WISSEN<br />

Für die Herstellung<br />

von<br />

Zement ist viel<br />

Kalk nötig.<br />

EIN UNTERSCHÄTZTER<br />

ROHSTOFF<br />

Er kommt uns in den Sinn, wenn wir<br />

seinetwegen ein Haushaltsgerät reparieren<br />

lassen, aber nicht, wenn es um wichtige<br />

Rohstoffe geht: Kalk. Wir zeigen, wie er<br />

gewonnen und wo er gebraucht wird.<br />

TEXT: BRUNO WÜTHRICH<br />

Mal ehrlich: Würde Ihnen<br />

«Kalk» in den Sinn kommen,<br />

wenn Sie aufgefordert würden,<br />

möglichst viele Rohstoffe<br />

aufzuzählen? Würde<br />

es Ihnen überhaupt in den Sinn kommen? Sie<br />

brauchen sich deswegen weder zu schämen<br />

noch zu ärgern, denn auch in Sendungen und<br />

Artikeln über Rohstoffe wird Kalk meistens<br />

übergangen. Und doch würde unser Leben<br />

ohne Kalk um einiges anders aussehen. Denn<br />

Kalk ist einer der bedeutendsten Rohstoffe<br />

des Menschen. Bereits vor 14 000 Jahren wurde<br />

Kalk als Mörtel eingesetzt, und bis heute<br />

hat seine Bedeutung stetig zugenommen. In<br />

der Eisen- und Stahlindustrie, in der Bauoder<br />

Landwirtschaft, beim Strassenbau, im<br />

Umweltschutz oder in unzähligen chemi-<br />

schen Herstellungsprozessen ist Kalk ein unscheinbarer,<br />

aber unverzichtbarer Wirkstoff,<br />

dessen ideenreiche Nutzung unsere Zivilisation<br />

seit Jahrtausenden begleitet.<br />

Der Name Kalk leitet sich vom lateinischen<br />

calx ab. Im weitesten Sinne versteht<br />

man unter Kalk die natürlichen Gesteinsvorkommen<br />

von Calciumcarbonat: Kalkstein,<br />

Marmor und Kreide sowie den Dolomitstein.<br />

Im engeren Sinne versteht man unter Kalk<br />

heute die veredelten Produkte Branntkalk<br />

und Löschkalk, auch Kalkhydrat genannt,<br />

die industriell gewonnen werden.<br />

AUS KNOCHEN UND SCHALEN<br />

Die meisten Kalksteinlagerstätten sind aus<br />

den Schalen und Skeletten im Meer lebender<br />

Organismen entstanden. Vor Millionen von<br />

Jahren bildete sich in den Urmeeren aus<br />

Schalen und Skeletten von Muscheln, Korallen<br />

und anderen Meereslebewesen ein Sedimentgestein,<br />

das sich nach und nach verfestigte.<br />

So entstanden die kalkhaltigen Schichten.<br />

Durch die Bewegung der Kontinentalplatten<br />

schoben sich unaufhaltsam riesige<br />

Gesteinsschichten gegen- und übereinander.<br />

Mit gewaltigen Kräften türmten sich der Himalaya,<br />

die Anden oder die Alpen auf. Dabei<br />

bewegten sich die Kalkschichten der alten<br />

Meeresböden an die Erdoberfläche.<br />

Wann der Mensch zum ersten Mal entdeckte,<br />

dass Kalkstein – gebrannt und mit<br />

Wasser gelöscht – zum Tünchen und zur<br />

Mörtelherstellung verwendet werden kann,<br />

ist nicht bekannt. Funde von Kalkmörtel in<br />

der Osttürkei zeigen aber, dass Kenntnisse<br />

Foto: Shutterstock.com / Nsafonov / nadupics<br />

12 one X 5 / 2015


Bagger in Kalk-Steinbruch in Divnogorie (Russland)<br />

um die Gewinnung, Verarbeitung und Verwendung<br />

von Kalk schon vor rund 14 000<br />

Jahren angewandt wurden.<br />

Um 2500 v. Chr. errichteten die Ägypter<br />

aus Kalkstein eines der Weltwunder – die<br />

137 Meter hohe Cheopspyramide. Über zwei<br />

Millionen gewaltige Kalksteinblöcke wurden<br />

verbaut, ohne Kräne, Aufzüge, Pressluft und<br />

Lastwagen. Neben behauenen Kalksteinblöcken<br />

wurde bereits Kalkmörtel eingesetzt.<br />

Zur gleichen Zeit gingen im Zweistromland<br />

Mesopotamien die ersten «professionellen»<br />

Kalköfen in Betrieb.<br />

Als die Chinesen ihre 2500 Kilometer lange<br />

Mauer zum Schutz vor den Barbaren errichteten,<br />

stabilisierten sie den Boden mit<br />

Kalk. Sie gelten deshalb als Entdecker des<br />

Kalks als Bodenfestiger.<br />

Die Chinesische Mauer wurde in verschiedenen<br />

Techniken errichtet, meist aus gestampftem<br />

Lehm, aber auch mit gemauerten<br />

Bereichen. Während die Lehmziegel mittlerweile<br />

vielfach verwittert sind, blieb der Kalkmörtel,<br />

der die Steine zusammenhält, bis<br />

heute nahezu unbeschadet.<br />

Die Ägypter gerbten ihre Felle mit Kalk,<br />

Assyrer benutzten ihn zur Glasherstellung<br />

und -färbung. Griechen und Römer verwendeten<br />

Kalkfarben für ihre herrlichen Fresken.<br />

Die Kelten düngten ihre Felder regelmässig<br />

mit Kalk. Auch als Heilmittel war Kalk bereits<br />

in der Antike bekannt.<br />

Früh kam Kalk auch in Modetrends zum<br />

Einsatz: Die Frauen der Germanen färben<br />

sich mit ungelöschtem Kalk die Haare<br />

hellrot.<br />

Die Römer entwickelten die Brenntechnik<br />

für Kalk zu einem Standard, der fast heutiges,<br />

industrielles Niveau erreichte. Diese<br />

Technik wurde über das gesamte römische<br />

Imperium verbreitet. Kalköfen römischer<br />

Bauart sind im ganzen Gebiet des alten Germanien<br />

ausgegraben worden. Der Beruf des<br />

Kalkbrenners, des magister calcariarum, war<br />

damals hoch angesehen, wie uns viele Weihesteine<br />

aus römischer Zeit mit Namen und<br />

Portrait beweisen.<br />

Bereits um 200 n. Chr. betrieben die Römer<br />

bei Bad Münstereifel (DE) eine Kalkbrennerei<br />

von überregionaler Bedeutung.<br />

Der teilweise rekonstruierte Betrieb der<br />

Römischen Kalkbrennerei Iversheim kann<br />

als archäologische Fundstätte besichtigt<br />

werden.<br />

one X 5 / 2015 13


WISSEN<br />

Heute ist Kalk ein wichtiger Grundstoff für<br />

praktisch jedes Erzeugnis. Vom Auto bis zum<br />

Zuckerwürfel ist kein Produkt denkbar, das<br />

ohne Kalk entstehen könnte.<br />

VOM ABBAU ZUM ROHSTOFF<br />

Etwa fünf Prozent der Erdoberfläche besteht<br />

aus Kalkstein. In der Regel wird dieser im<br />

Tagebau in Steinbrüchen gewonnen und vor<br />

Ort verarbeitet. Dabei werden als Hauptprodukte<br />

Branntkalk und Kalkhydrat gewonnen.<br />

Nebenprodukte des Abbaus sind Sand,<br />

Schotter, Split und stückiger Kalkstein. Eine<br />

mögliche Abbaustätte wird mittels geophysikalische<br />

Methoden und Kernbohrungen<br />

erforscht. In Europa sind bereits im Vorfeld<br />

und auch während des Abbaus strenge gesetzliche<br />

Vorschriften zu beachten.<br />

Kalkstein wird in der Regel durch Sprengung<br />

abgebaut. Nur wenige Betriebe kommen<br />

ohne Sprengung aus – etwa bei den<br />

Kreidevorkommen im norddeutschen Raum.<br />

Dieses weiche Gestein wird mit Eimerkettenbaggern<br />

oder aber durch Schrappen mit<br />

Hydraulikbaggern abgebaut.<br />

Bei den Sprengungen bilden sich stufenförmige<br />

Abbausohlen. Um die Erschütterung in<br />

der Umgebung zu reduzieren, werden viele<br />

kleine Einzelsprengungen im Tausendstelsekunden-Abstand<br />

gezündet. Für den Beobachter<br />

scheint die Sprengung gleichzeitig<br />

abzulaufen, er vernimmt auch nur einen<br />

Detonationsknall. Durch die Sprengung wird<br />

das Gestein leicht angehoben und fällt als<br />

grobstückiges Haufwerk in unterschiedlicher<br />

Korngrösse am Fuss der Wand zusammen.<br />

Nur wenige übergrosse Gesteinsbrocken, die<br />

Knäpper, müssen nachträglich für den Transport<br />

zerkleinert werden, meistens durch eine<br />

Fallbirne. Diese rund zehn Tonnen schwere<br />

Eisenkugel wird vom Bagger oder Radlader<br />

auf den Knäpper fallen gelassen.<br />

DER WEG INS KALKWERK<br />

Anschliessend wird das Haufwerk mit gigantischen<br />

Hydraulikbaggern auf entsprechend<br />

dimensionierte Schwerlastkraftwagen geladen.<br />

Mit ihrer gewaltigen Nutzlast von fast<br />

100 (!) Tonnen transportieren diese das Material<br />

zum Brecher.<br />

Im Brecher wird der Stein durch schlagende<br />

oder drehende Bewegung auf die gewünschte<br />

Korngrösse verkleinert. Teilweise sind<br />

dafür mehrere Brecher hintereinandergeschaltet,<br />

welche die Steine Schritt für Schritt<br />

zerkleinern. Die Härte des Gesteins, die angestrebte<br />

Korngrössenverteilung und die<br />

täglich zu bewältigende Rohsteinmenge<br />

bestimmen Art, Grösse und Konstruktion der<br />

Brechaggregate. Nach dem Brechen werden<br />

Verunreinigungen durch Absieben von Stein<br />

getrennt. In einigen Werken ist auch ein<br />

Waschvorgang nachgeschaltet, um alles, was<br />

nicht dazu gehört, zu entfernen. Das dafür<br />

notwendige Wasser wird nach dem Waschvorgang<br />

in einen Klärteich geleitet. Die ausgewaschenen<br />

Feststoffe setzen sich darin ab,<br />

und das Reinwasser kann wieder dem Wasserkreislauf<br />

des Werkes zugeführt werden.<br />

Das gereinigte Korngemisch wird auf<br />

Siebanlagen nach unterschiedlichen Korngrösen<br />

sortiert (klassiert), teilweise wird der<br />

Rohstein gemahlen. Der klassierte oder gemahlene<br />

Kalkstein ist bereits in dieser Verarbeitungsstufe<br />

ein begehrter Rohstoff,<br />

ZUSATZINFOS<br />

Einige Einsatzgebiete von Kalk<br />

Stahlindustrie<br />

Von der Sicherheitsnadel bis<br />

zum Banktresor: Ohne Stahl<br />

keine Sicherheit. Und ohne<br />

Kalk kein Stahl. Eisen und<br />

Stahl sind unersetzliche<br />

Grundstoffe der Industrie. Kalk<br />

wird bei ihrer Herstellung in<br />

sehr unterschiedlicher Form<br />

und grosser Menge eingesetzt.<br />

Umweltschutz<br />

Die Biosphäre gliedert sich in<br />

die drei Bereiche Wasser, Luft<br />

und Boden. Der Spezialist für<br />

Umweltschutz in allen drei Bereichen<br />

heisst Kalk.<br />

gezug- und Spaltzugeigenschaften.<br />

Der Grund: Kalkstein<br />

geht durch die enge Verwandtschaft<br />

mit dem Bindemittel<br />

Zement eine besonders haltbare<br />

Verbindung ein.<br />

Tiefbau<br />

Alle Wege führen über Kalk: Er<br />

ist bereits im Untergrund aktiv,<br />

bevor die Strasse entsteht.<br />

Wenn der Boden zu nass oder<br />

zu trocken ist, fehlt die Tragfähigkeit.<br />

Mit Kalk bekommt die<br />

Strasse eine stabile Basis.<br />

Chemische Industrie<br />

Die Einsatzmöglichkeiten von<br />

Kalk in der chemischen Industrie<br />

sind vielfältig. Es kommt<br />

sowohl als natürliches Calciumcarbonat,<br />

als gebranntes<br />

Calciumoxid, als gelöschtes<br />

Kalkhydrat oder als chemisch<br />

gefälltes Calciumcarbonat zum<br />

Einsatz.<br />

Glas und Keramik<br />

Aus einem Gemisch von Quarzsand,<br />

Soda, Pottasche und<br />

Kalkstein wird in der Glaswanne<br />

bei Temperaturen um<br />

1450 °C Glas erschmolzen.<br />

Kalk macht dabei als Härtebildner<br />

das Glas hart und<br />

dicht.<br />

Hochbau<br />

Der älteste Kunde der Kalkindustrie<br />

ist das Baugewerbe.<br />

Zum Anmischen von Mörtel<br />

auf der Baustelle wird Kalk<br />

seit Jahrtausenden eingesetzt.<br />

Seither ist Kalk<br />

von keiner Baustelle<br />

Die Herstellung<br />

mehr wegzudenken.<br />

vieler Kosmetikprodukte<br />

wäre<br />

Beton besteht aus drei<br />

Komponenten: Zement,<br />

Wasser und Zu-<br />

ohne Kalk nicht<br />

möglich<br />

schlag. Für diesen Zuschlag<br />

haben sich Kalkund<br />

Dolomitstein bestens bewährt:<br />

Schotter, Splitt oder<br />

Brechsand erfüllen höchste<br />

Anforderungen an Druck-, Bie-<br />

14 one X 5 / 2015


WISSEN<br />

Riesiger Schachtofen zum<br />

Brennen des Kalkes.<br />

Auch in<br />

Farben wird Kalk<br />

verarbeitet<br />

und wird als Schotter, Splitt oder Sand an<br />

die Bauwirtschaft geliefert, und findet im<br />

Umweltschutz oder in der Landwirtschaft<br />

Verwendung.<br />

AUS KALKSTEIN WIRD KALK<br />

Kalkstein und auch der verwandte Dolomitstein<br />

verändern beim Erhitzen ihre chemische<br />

Zusammensetzung. Bei Temperaturen<br />

zwischen 900 und 1200 °C wird der Kalkstein<br />

(CaCO 3<br />

) in gasförmiges Kohlendioxid<br />

(CO 2<br />

) und Calciumoxid (CaO = Branntkalk)<br />

zerlegt. Die Aufgabe eines guten Kalkbrenners<br />

besteht also darin, möglichst viel natürliches<br />

Kohlendioxid aus dem Stein zu<br />

treiben. Der graue, schwere Kalkstein wird<br />

zum begehrten, schneeweissen, leichten<br />

Kalk. Dabei kommen zwei Arten von Öfen<br />

zum Einsatz:<br />

Der Schachtofen: Rund 30 Meter über dem<br />

Erdboden befindet sich die so genannte<br />

Gichtbühne des Schachtofens. Über diese<br />

gelangen die Kalksteine in ein senkrecht stehendes,<br />

zylinderähnliches<br />

Brennaggregat und rutschen<br />

danach langsam in die Brennzone.<br />

In der Brennzone wird das<br />

mineralisch gebundene Kohlendioxid<br />

abgespalten. Der<br />

nun gebrannte Kalk sinkt weiter<br />

nach unten, durchläuft die<br />

Kühlzone und wird am untersten<br />

Ende des Schachtofens abgezogen.<br />

Für den Brennprozess können alle festen,<br />

flüssigen und gasförmigen Brennstoffe eingesetzt<br />

werden. Dabei werden die festen<br />

Brennstoffe – wie Kohle und Koks – dem<br />

Kalkstein vor der Beschickung zugemischt,<br />

während die übrigen Brennstoffe in der<br />

Brennzone zugeführt werden.<br />

Der Drehrohrofen: Im Gegensatz zum feststehenden,<br />

senkrechten Schachtofen sind<br />

Drehrohröfen leicht geneigte, zylindrische<br />

Rohre, die sich um ihre Längsachse drehen.<br />

Die Länge eines solchen Ofens kann bis zu<br />

120 Meter betragen. Der Durchmesser der<br />

Drehrohre liegt zwischen vier und fünf Metern.<br />

Bei diesem Ofentyp wird der Kalkstein<br />

am leicht erhöhten Ende aufgegeben und<br />

durchwandert durch die Drehbewegung<br />

langsam den Ofen.<br />

Am Ende des Ofens, direkt beim Eintritt<br />

der Flamme, wird der fertige Branntkalk<br />

über einen Kühlrost oder Kühlschacht abgezogen.<br />

Wegen der hohen Temperaturen sind<br />

die Brennaggregate mit feuerfesten Steinen<br />

(Dolomit- oder Magnesitsteinen, Schamotte)<br />

ausgemauert.<br />

DER VIELSEITIGE ROHSTOFF<br />

Ob im Haus- oder Strassenbau verwendet<br />

oder bei der Produktion von Eisen und Stahl,<br />

Glas und Kunststoffen, zahlreichen Hygieneartikeln,<br />

Papier und Schmuck, Lebensmitteln<br />

und Getränken eingesetzt — der Rohstoff<br />

Kalk ist allgegenwärtig und aus unserem<br />

Leben nicht mehr wegzudenken. Die Hauptprodukte<br />

der Kalkindustrie sind<br />

Kalkstein,<br />

Kalksteinmehl,<br />

Kalkhydrat,<br />

Feinkalk.<br />

Kalkhydrat entsteht durch die Reaktion<br />

von Branntkalk mit Wasser; der Kalk wird<br />

«gelöscht». Dieser chemische Vorgang, der<br />

auch als Hydratation bezeichnet wird, setzt<br />

Wärme frei. Aus der Verbindung von Branntkalk<br />

(CaO) und Wasser (H 2<br />

O) entsteht Kalkhydrat<br />

(Ca(OH) 2<br />

= Calciumhydroxid). Beim<br />

Ablöschen von nur 100 g Calciumoxid entsteht<br />

ausreichend Wärme, um einen Liter<br />

Wasser um circa 25° C zu erwärmen. Für den<br />

Löschvorgang werden in der Kalkindustrie<br />

spezielle Löschmaschinen eingesetzt, die «trocken<br />

löschen». Das heisst, die zugesetzte Wassermenge<br />

wird exakt so dosiert, dass als Endprodukt<br />

ein trockenes Pulver entsteht.<br />

Fotos: Shutterstock.com / Christian Kobierski / Severija<br />

16 one X 5 / 2015


www.bowling-langenthal.ch<br />

Montag & Dienstag Ruhetag | Mittwoch & Donnerstag 14:00 – 23:00 Uhr<br />

Freitag & Samstag 14:00 – 24:00 Uhr | Sonntag 12:00 – 22:00 Uhr<br />

Lotzwilstrasse 66 | 4900 Langenthal | Tel. 062 919 01 16


NAPF<br />

DER LUNGEN-<br />

PUTZER<br />

im Wolfsland<br />

Der Napf ist das Herzstück eines wunderlichen Wolfslandes<br />

im wilden Zentrum der Schweiz. Vor 200 Jahren<br />

berühmt wie die Rigi, heute ein verwunschener Zauberberg<br />

wie einst der Monte Verità bei Ascona.<br />

TEXT: KLAUS ZAUGG<br />

Lungenputzer» nennen die Einheimischen<br />

den Aufstieg vom Lutherntal<br />

herauf. Wer guten Schnauf hat,<br />

schafft es locker in einer Stunde.<br />

Gut vierhundert Höhenmeter hinauf<br />

durch Weiden und Wälder auf 1406 Meter.<br />

Dieser Berg, der die Lungen putzt, könnte<br />

so bekannt sein wie die Rigi, die Schynige<br />

Platte oder das Jungfraujoch.<br />

Franz Josef Stalder verglich 1797 in seinem<br />

Buch über das Entlebuch die Aussicht vom<br />

Napf mit jener von der Rigi. Frei von störenden<br />

Nachbarbergen schweift der Blick von<br />

den Schneebergen des Berner Oberlandes<br />

weit übers Mittelland bis zum Schwarzwald.<br />

Der Zürcher Professor Leonard Meister<br />

schrieb 1782 über diese Aussicht: «Nie fand<br />

ich rührender den Gott der Natur.» Noch im<br />

19. Jahrhundert scheint es, als könnte der<br />

Napf eine touristische Bedeutung erlangen<br />

wie die Rigi. Das einfache Wirtshaus auf dem<br />

Berg brennt durch Blitzschlag in die Fahnenstange<br />

am 26. Juli 1881 ab.<br />

Der damals bekannte Wirt des Hotels Bahnhof<br />

zu Langnau kauft das Gelände auf dem<br />

Gipfel und errichtet 1881 ein Hotel mit 35<br />

Zimmern. In der zeitgenössischen Werbung<br />

Fotos: Marcel Bieri<br />

18 one X 5 / 2015


Das Berghotel<br />

auf dem Napf ist<br />

nur zu Fuss zu erreichen,<br />

es führt keine<br />

Strasse hinauf<br />

heisst es: «Die neusten Zeitungen liegen auf,<br />

und eine Auswahl von Büchern und Musikalien<br />

nebst gutem Piano stehen den Gästen jederzeit<br />

zur Verfügung.» Der Napf ist drauf und<br />

dran, ein Kurort zu werden. Wir lesen im Reiseführer<br />

«Das malerische & romantische Emmenthal»<br />

von Emil August Türler aus dem Jahr<br />

1887: «Auf nur kurze Distanz des Gasthauses<br />

entspringen fünf Quellen des reinsten und<br />

besten Trinkwassers, welches mit Erfolg zu<br />

Trunk- und Badekuren verwendet wird. Kalte<br />

und warme Bäder, sowie auch Douchen, sind<br />

zu jeder Tageszeit erhältlich. Das Klima ist sehr<br />

gesund und zuträglich. Das Nervensystem wird<br />

hier gekräftigt, die Blutmasse erfrischt und<br />

somit das Allgemeinbefinden wesentlich gefördert,<br />

der Patient erholt sich sehr gut und<br />

wird wieder kräftig und berufsfähig.»<br />

GRENZE ALS HINDERNISS<br />

Wunderliche Wendungen der Geschichte<br />

haben dazu geführt, dass dieser Berg heute<br />

weniger bekannt ist als vor 200 Jahren, und<br />

nie ein Kurort oder eine Touristenattraktion<br />

geworden ist. Das Berghotel steht noch. Aber<br />

das Klavier ist nicht mehr da. Gebadet wird<br />

auch nicht mehr. Keine Strasse führt hinauf,<br />

auch keine Bahn, und es gibt am Fusse<br />

one X 5 / 2015 19


NAPF<br />

Die Aussicht vom Napf<br />

ist atemberaubend<br />

keine Infrastruktur um den Tourismus zu<br />

fördern. Am Ende des Lutherntals, von wo<br />

aus der Aufstieg am kürzesten ist und die<br />

Lunge putzt, gibt es nur ein Stück Wiese als<br />

Parkplatz. Die Parkgebühr von zwei Franken<br />

ist freiwillig beim Stall des dortigen Bauerhofes<br />

durch ein Rohr einzuwerfen.<br />

Dabei hätte der Napf alles, um eine Touristen-Attraktion<br />

zu sein. Dieser Berg ist der<br />

Mittelpunkt eines wilden Zentrums der<br />

Schweiz. Wie geschaffen für ein Disneyland<br />

der Voralpen. Hier verschmelzen die rückständigsten,<br />

dunkelsten Enden des Emmentals,<br />

des Entlebuches, des Luzerner Hinterlandes<br />

und des Oberaargaus zu einem undurchdringlichen<br />

Land wie aus einem Roman<br />

von John Ronald Reuel Tolkien. Keine Strasse<br />

quert dieses Bergland. Es wird von einem Eisenbahn-<br />

und Strassenkreis von knapp 100<br />

Kilometern Länge umschlossen. Aber weil es<br />

Die fehlende Infrastruktur<br />

verhindert<br />

eine touristische<br />

Entwicklung des<br />

Napfgebiets<br />

eben nur rundherum und nicht mitten durch<br />

geht, dauert eine Fahrt mit der Eisenbahn von<br />

Huttwil auf die hintere Seite des Napfes nach<br />

Langnau doppelt so lange wie nach Zürich –<br />

obwohl es nur halb so weit ist.<br />

Den wunderbaren Stillstand der Zeit,<br />

nicht einmal 100 Kilometer von den urbanen<br />

Zentren Bern, Solothurn und Luzern entfernt,<br />

verdankt der Napf seiner ganz besonderen<br />

Lage zwischen zwei Kantonen (Luzern,<br />

Bern) und zwei Konfessionen. Im oberen<br />

Emmental gab noch nie viel Geld für die<br />

Förderung des Fremdenverkehrs. Dieser Teil<br />

des Bernbietes ist ärmer als die Leventina.<br />

In den letzten 25 Jahren hat sich auf der<br />

emmentalischen Seite des Napfes kein neues<br />

Unternehmen angesiedelt. Die Luzerner<br />

auf der anderen Seite hätten durchaus Geld<br />

und fördern innovativ den Tourismus. Unter<br />

anderem mit der UNESCO-Biosphäre Entlebuch.<br />

Aber sie haben keine Lust, eine Strasse<br />

oder eine Bahn zu einem Bergrestaurant zu<br />

finanzieren, das auf Berner Boden steht und<br />

seine Steuern der bernischen Gemeinde Trub<br />

abliefert. Die Kantonsgrenze verläuft quer<br />

über die Gipfelfläche.<br />

GOLD UND RUHE<br />

Und so ist der Napf im 21. Jahrhundert ein<br />

Monte Verità der Proletarier geworden. So<br />

wie der Hügel bei Ascona in den ersten Jahrzehnten<br />

des letzten Jahrhunderts das Zentrum<br />

einer kulturellen Gegenströmung war,<br />

und Freidenker und Müssiggänger aus ganz<br />

Europa anlockte, so ist der Napf heute ein<br />

Ort der Ruhe und Besinnung für Rentner,<br />

Büetzer und Bürolisten, die weder Anarchie<br />

noch Veränderung der Weltordnung suchen.<br />

Laut und lärmig wird es nur ab und zu, wenn<br />

lokale Fussballteams als Saisonvorbereitung<br />

einen Ausflug mit Besäufnis und Übernachtung<br />

zur Teambildung nützen.<br />

Der Napf ist also eine wunderbare Oase<br />

der Ruhe geblieben. Eine Gegenwelt zur globalisierten<br />

Hektik des 21. Jahrhunderts. In<br />

der Naturmythologie gilt der Berg mit der<br />

dominanten Lage und Ausrichtung als<br />

Kraftzentrum und Sitz von Gottheiten. Eingeweihte<br />

sagen, auf den Weiden des Gipfel-<br />

Plateaus bilde sich ständig ein See von ionisierter<br />

Luft, und die Schwingen der Nagelfluh,<br />

aus der dieser Zauberberg aufgebaut<br />

ist, wirke intensiv.<br />

Die aussergewöhnliche Atmosphäre hänge<br />

auch mit der Wirkung des Goldes zusammen,<br />

das aus dem Inneren ausstrahle. Die<br />

20 one X 5 / 2015


Auf dem Napf suchen<br />

Wanderer die Ruhe<br />

und die Nähe zu einer<br />

unberührten Natur<br />

Was wahre Gold des Napfs ist<br />

Schwarz. Die Köhlerei war ein<br />

wichtiger Wirtschaftszweig.<br />

Heute schätzen Grillspezialisten<br />

die grossen Holzkohlestücke.<br />

Sage geht, dass mitten im Napf ein riesiger<br />

Goldklumpen liege und das Regenwasser<br />

spüle ständig kleine Mengen durch die Nagelfluh<br />

in die Bäche, wo sich alle ein bisschen<br />

davon holen können. Dazu bedarf es allerdings<br />

einiger Geduld, Fachkenntnis und Gerätschaften,<br />

die verschiedene Anbieter von<br />

Goldwasserexkursionen zur Verfügung stellen.<br />

Tatsächlich ist das Napfgold das älteste<br />

bekannte Goldvorkommen der Schweiz und<br />

wurde bereits vor zweitausend Jahren von<br />

den Helvetiern ausgewaschen. Die Mengen<br />

sind allerdings verschwindend klein.<br />

Das wahre Gold ist schwarz. Hier wissen<br />

die Menschen noch, wie Holz in Kohle verwandelt<br />

wird. Jahrhundertelang war die<br />

Köhlerei ein wichtiger Wirtschaftszweig. Abnehmer<br />

dieser Kohle waren Schmiede, Eisengiessereien,<br />

Ziegeleien und Glashütten, aber<br />

auch die Rüstungsindustrie, die Holzkohle<br />

zur Herstellung von Schwarzpulver benötigte.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die<br />

Köhlerei vor dem Aus. Die Umstellung von<br />

Industrie- auf Grillkohle brachte in den<br />

1980er Jahre die Rettung. Die grossen Holzkohlestücke<br />

sind bei Grillspezialisten besonders<br />

gefragt. Und so sehen wir noch heute an<br />

schönen Sommertagen rund um den Napf<br />

den weissen Rauch von den Kohlenmeilern<br />

in den Himmel steigen wie seit den Zeiten<br />

der Urväter. Grad so wie am Horizont die<br />

Dampfsäule des Atommeilers von Gösgen.<br />

BERG DER LEGENDEN<br />

Bis tief in den Dezember hinein ist der Napf<br />

ein Ort des Lichtes. Die Menschen entfliehen<br />

dem Nebel über dem dicht besiedelten Mittelland<br />

auf diesen Berg. Und ein bisschen<br />

spüren und ahnen auch die<br />

Ungläubigen, dass hier noch<br />

immer eine unheimliche<br />

Kraft der Natur wirkt. Nicht<br />

nur, weil es in den Krachen<br />

rund um den Berg viele alternative<br />

Lebensformen gibt, in<br />

Jurten und Hütten gehaust<br />

wird, und hie und da eine<br />

wahre Mordsgeschichte nach<br />

draussen dringt. Oben, am<br />

Rande des kleinen Plateaus steht eine Gedenkstätte<br />

für den 35jährigen Felix Arnold,<br />

einen Spitzenringer. Der mehrfache Schweizer<br />

Meister geriet im März 2009 beim Abstieg<br />

vom Napf in ein Schneebrett und verlor<br />

sein Leben. Und weiter unten, vor dem<br />

Waldstück zum letzten Aufstieg finden wir<br />

eine kleine Gedenktafel, die an einen Wanderer<br />

gemahnt, der hier an einem Herzschlag<br />

gestorben ist.<br />

Was Wunder, dass es kaum eine andere<br />

Gegend in unserem Land gibt, wo sich so viele<br />

Sagen erhalten haben. Die grosse Ur-Angst<br />

des naturnahen Menschen ist hier noch wohlbekannt.<br />

Von Lästerern, die der Teufel entführt,<br />

sind die Geschichten übervoll. Noch im<br />

19. Jahrhundert liess der grosse Rat von Luzern<br />

im katholischen Teil des Napfbergland<br />

heilige Bäume fällen, weil ihnen das Volk<br />

abergläubische Verehrung zollte. Dem Chronisten<br />

wohl vertraut ist der Fall eines Schulhausabwartes,<br />

der nebenbei auch als Totengräber<br />

einer kleinen Gemeinde im Napfbergland<br />

arbeitete. Er half einem Bauern bei der<br />

Heuernte. Aber ein heftiges Gewitter hielt<br />

alle von der Arbeit ab. Der Mann sah unter<br />

der Dachtraufe in den Regen hinaus und haderte,<br />

bei dem Hudelwetter hätte er seine Zeit<br />

besser nützen und ein Grab schaufeln können.<br />

Auf die Ermahnung, er versündige sich, lachte<br />

er nur. Am nächsten Tag verschied sein<br />

Vater an einem Herzschlag.<br />

Die Freundin aus der grossen Stadt hat<br />

dieses wunderlich-unheimliche Herzland<br />

der Schweiz leicht schaudernd ein Wolfsland<br />

genannt. Was sind da Rigi, Schynige Platte<br />

oder Jungfraujoch schon gegen ein echtes<br />

Wolfsland?<br />

one X 5 / 2015 21


WUSSTEN SIE SCHON<br />

NICHT WIRKLICH NEU<br />

Elektroautos gibt es seit über 100 Jahren<br />

Seit Tesla Elektroautos baut, die normalen<br />

Luxuslimousinen in nichts mehr nachstehen,<br />

ist der Siegeszug dieser «Geschosse» kaum<br />

mehr aufzuhalten. Denn damit sind Reichweiten<br />

von bis zu 500 km möglich. Die Reichweite<br />

ist bisher eines der Hauptargumente,<br />

die beim Entscheid, ob Elektroauto oder<br />

nicht, ins Feld geführt werden.<br />

Ein wesentliches Argument für Elektroautos<br />

ist der Verbrauch. Ist der Wagen einmal<br />

angeschafft, fährt man mit ihm wesentlich<br />

günstiger als mit einem Benziner oder<br />

Diesler. Natürlich sollte man dabei eine Luxuskarosse<br />

nicht mit einem Kleinwagen<br />

vergleichen.<br />

Fast niemand weiss, dass Elektroautos keineswegs<br />

eine neue Erfindung sind. Es gab<br />

sie nämlich bereits vor über 100 Jahren.<br />

Rund 60 000 sollen um 1900 die Strassen<br />

der USA frequentiert haben, was ca. 40 Prozent<br />

des Verkehrsaufkommens bedeutete.<br />

Auch in Europa waren die Gefährte beliebt.<br />

In Deutschland fuhr gar Kaiser Willhelm<br />

ein solches, bzw. liess sich darin chauffieren.<br />

Die Hersteller hiessen Henschel,<br />

Hercules, Dixi/Wartburg, Lloyd oder Siemens.<br />

Der belgische Rennfahrer Camille<br />

Jenatzy stellte 1899 mit seinem Elektrofahrzeug<br />

«La Jamais Contante» mit über 100<br />

Stundenkilometern sogar einen neuen Geschwindigkeitsrekord<br />

auf. Elektroautos waren<br />

also bereits damals keine lahmen Kisten.<br />

Benziner hatten zu dieser Zeit einen ganz<br />

entscheidenden Nachteil. Um den Motor zu<br />

starten, musste man kurbeln. Dies war bei<br />

den Akku-Autos nicht notwendig. Zudem<br />

waren Kupplung und Gangschaltung überflüssig.<br />

Diese beiden Argumente überwogen<br />

für viele Kunden die grössere Reichweite der<br />

Benziner. Doch ausgerechnet die Elektrik<br />

machte den Elektroautos für Jahrzehnte den<br />

Garaus. 1912 erfand nämlich Charles Kettering<br />

aus Ohio den elektrischen Anlasser.<br />

Damit hatte die Kurblerei bei den Benzinern<br />

ihr Ende gefunden.<br />

Ein elektrisch betriebener Plymouth aus dem frühen 20. Jahrhundert<br />

1<br />

WUSSTEN<br />

SIE SCHON?<br />

22 one X 5 / 2015


DER KICK MACHT AUSGEGLICHEN<br />

Leben Extremsportler gesünder?<br />

2<br />

Sie wollen immer höher hinaus, noch schneller<br />

sein, noch näher an den Tod. Nur in Gefahr<br />

fühlen sie sich lebendig. Immer wieder<br />

werden deshalb neue Herausforderungen<br />

gesucht. Wie kann man so die Frage stellen,<br />

ob Extremsportler gesünder leben.<br />

Doch wenn wir den Extremsport dieser<br />

Menschen ausklammern, lohnt sich die Frage<br />

durchaus. Denn laut einer im «Journal of<br />

Personality and Social Psychology» veröf-<br />

fentlichten Studie sind die «high sensation<br />

seekers» überraschend normale Menschen<br />

– alles andere als Wahnsinnige, die immer<br />

auf der Suche nach dem Adrenalinkick sind.<br />

Abseits ihrer Leidenschaften würden Extremsportler<br />

ein achtsames und erfülltes<br />

Leben führen, so die Studie. Sie können sich<br />

mehr an den kleinen Dingen freuen als Menschen,<br />

die nie an ihre Grenzen gehen. Die<br />

Auswertung von Krankheitsdaten belegt zudem,<br />

dass Bergsteiger, Kayakfahrer, Fallschirmspringer,<br />

Freestyle-Snowboarder etc.<br />

deutlich weniger anfällig für Depressionen<br />

und deshalb auch viel weniger suizidgefährdet<br />

sind. Zudem belegt eine frühere Studie,<br />

dass Extremsportler besser mit Stresssituationen<br />

umgehen können als andere Menschen.<br />

Sie schütten in belastenden Momenten<br />

weniger Cortisol aus und haben keine so<br />

hohe Herzfrequenz.<br />

Fotos: Shutterstock.com / Darren Brode / Vladimir Gjorgiev / Pressmaster<br />

HAARE BIETEN SCHUTZ<br />

Hygienische Körperrasur?<br />

Noch weiss man nicht, was man von den in<br />

der Presse auftauchenden Artikeln halten<br />

soll, die zum Mut zu mehr Körperbehaarung<br />

auffordern. Seit etwa zwei Jahrzehnten predigen<br />

uns die Trendsetter nämlich etwas<br />

anders. Körperbehaarung sei weg zu rasieren,<br />

und zwar nicht nur aus ästhetischen,<br />

sondern auch aus hygienischen Gründen.<br />

Doch glaubt man Ernst Tabori, ärztlicher<br />

Direktor am Deutschen Beratungszentrum<br />

für Hygiene in Freiburg, ist die Meinung,<br />

Körperbehaarung sei unhygienisch, ein Mythos.<br />

Gegenüber der Zeitschrift PM sagte er:<br />

«Hygienischer ist das nicht.» Man müsse sich<br />

aber mit Haaren etwas gründlicher waschen.<br />

Haare unter den Achseln und im Schambereich<br />

erfüllen gleich mehrere Zwecke. Sie<br />

tragen nämlich die Gerüche, die auf den<br />

richtigen Partner durchaus angenehm wirken.<br />

Oder anders ausgedrückt: Sie tragen<br />

den Lockstoff, dank dem wir den richtigen<br />

Partner finden. Dazu bieten Haare den entsprechenden<br />

Körperregionen einen gewissen<br />

Schutz, indem sie die Reibung reduzieren.<br />

Gerade unter den Achseln können ohne Haare<br />

schneller Hautreizungen entstehen.<br />

Ausserdem haben Haare einen kühlenden<br />

Effekt, indem sie den Körperschweiss aufnehmen<br />

und die Produktion von Verdunstungskälte<br />

fördern. Menschen aus wärmeren<br />

Regionen haben deshalb tendenziell eine<br />

dichtere Körperbehaarung.<br />

3<br />

one X 5 / 2015 23


BAHNPIONIERE<br />

DIE BAHN BRACHTE<br />

DIE NEUE ZEIT<br />

Seit 1889 existiert die Bahnverbindung zwischen Langenthal<br />

und Huttwil. Finanziert wurde die Linie von den Gemeinden<br />

und Privatpersonen. Doch am Anfang stand ein Streit.<br />

TEXT: KLAUS ZAUGG<br />

Das Langetental und das Luzerner Hinterland<br />

weisen in der zweiten Hälfte<br />

des 19. Jahrhunderts ausser in Langenthal<br />

keine Industrie auf. Die Menschen sind<br />

zur Hauptsache in der Landwirtschaft und im<br />

Kleingewerbe tätig. Ein mühseliges, aber auch<br />

beschauliches Leben. Die letzten Jahre der<br />

guten alten Zeit. Die meisten kommen kaum<br />

je aus ihren Dörfern hinaus.<br />

Aber die neue Zeit zieht herauf. Und das<br />

Symbol dieser neuen Zeit ist die Eisenbahn.<br />

Heute ist kaum mehr vorstellbar, wie sehr<br />

die Eisenbahn die Menschen faszinierte. Was<br />

später die Fliegerei und die Raumfahrt, das<br />

ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

die Eisenbahn. Aber im Unterschied zur Fliegerei<br />

und zur Raumfahrt hat auch der «kleine<br />

Mann», hat das Volk Einfluss auf die Entwicklung.<br />

Leidenschaften und Feindschaften entzünden<br />

sich zuerst an der Linienführung.<br />

Eine der Streitfragen damals: Soll die Eisenbahn<br />

von Bern nach Luzern durch das Entlebuch<br />

über Langnau nach Wolhusen oder<br />

über Emmenmatt, Sumiswald, Huttwil, Willisau<br />

nach Wolhusen geführt werden? Als der<br />

Kanton Bern gegen die Huttwil-Lösung entscheidet<br />

und die Dampfrösser durchs Entlebuch<br />

gen Luzern rollen, sind Enttäuschung<br />

und Unwillen gross. Nun geht es darum, das<br />

Langetental und das Luzerner Hinterland<br />

doch mit der Eisenbahn zu erschliessen.<br />

Denn nur mit der Eisenbahn gibt es einen<br />

besseren Anschluss an die Landeszentren<br />

und eine Industrialisierung.<br />

Schliesslich kommt es am 16. Dezember<br />

1886 im Stadthaus zu Huttwil zur ersten<br />

Generalversammlung der Langenthal-Huttwil-Bahn.<br />

Sie ist heute in die BLS integriert.<br />

An der Finanzierung beteiligen sich der Kanton<br />

Bern, die Gemeinden und private Investoren.<br />

Das Aktienkapital betägt 814 000<br />

Franken. Der Kanton Bern steuert 400 000<br />

Franken bei. Für grossen Unmut sorgt, dass<br />

sich Langenthal nicht am Eisenbahnbau be-<br />

Fotos: «Die Vereinigten Huttwil-Bahnen» von Otto Schuppli


ZUSATZINFOS<br />

Beiträge<br />

So ähnlich wie auf dieser Aufnahme vom Braunkohleabbau im ersten Weltkrieg<br />

bei der Haltestelle Gondiswil, muss man sich den Bahnbau vorstellen.<br />

teiligt. Die Einwohnergemeinde lehnt den<br />

Beitrag von 30 000 Franken mit grossem<br />

Mehr ab. Langenthal hat ja seine Industrie,<br />

seine Eisenbahn und – anders als die Ortschaften<br />

im Langetental – keine Bevölkerungs<br />

abnahme zu beklagen. Im Gegenteil,<br />

Langenthal wächst. Wozu also eine Eisenbahn<br />

zu den Bauern und Knechten nach<br />

Huttwil hinauf mitfinanzieren? Viele argwöhnen,<br />

dass sich diese Haltung der Langenthaler<br />

gegenüber den Huttwilern bis ins<br />

21. Jahrhundert hinein nicht geändert hat.<br />

Die anderen Orte im Tal der Langeten<br />

machen hingegen mit. Die Beiträge der einzelnen<br />

Gemeinden, jeweils von der Gemeinde-<br />

versammlung bewilligt, finden Sie in der Box<br />

«Beiträge», rechts oben. Interessant ist auch,<br />

wie viele private Investoren (also Privatpersonen)<br />

aus den einzelnen Gemeinden in<br />

dieses Eisenbahnprojekt investieren. Auch<br />

diese Zahlen sind noch erhältlich und in derselben<br />

Box aufgeführt. Diese Zahlen mögen<br />

zeigen, wie gross die Eisenbahnbegeisterung<br />

und der Glaube an die neue Technologie<br />

sind. In den meisten Gemeinden kommt<br />

von Privatpersonen noch mehr Geld als<br />

von der Gemeinde. Letztlich wird der Bau<br />

1 117 344.90 Franken kosten und bleibt damit<br />

sogar unter dem Voranschlag von 1,2<br />

Millionen, Box «Kostenverteilung», rechts.<br />

Gemeinde<br />

(CHF)<br />

Private<br />

(CHF)<br />

Huttwil 217 000 201 000<br />

Eriswil 3 000 35 000<br />

Wyssachen 5 000 10 000<br />

Dürrenroth 2 000 6 500<br />

Gondiswil 2 500 3 000<br />

Auswil 4 000 2 000<br />

Rohrbach 6 500 3 000<br />

Rohrbachgraben 2 000 5 000<br />

Kleindietwil 3 000 6 000<br />

Ursenbach 5 000 6 500<br />

Leimiswil 3 000 27 000<br />

Madiswil 10 000 3 500<br />

Gutenburg 5 000 1 500<br />

Lotzwil 3 000 3 000<br />

Langenthal – 16 500<br />

ZUSATZINFOS<br />

Kostenverteilung<br />

Ausgaben für<br />

Organisation und<br />

Administration<br />

Verzinsung des<br />

Baukredites<br />

Kosten (CHF)<br />

65000<br />

30 000<br />

Landkäufe 250 000<br />

Geleise 564 000<br />

Bahnhofgebäude 120 000<br />

Signalanlagen 25 200<br />

Rollmaterial 151 600<br />

Gerätschaften 18 200<br />

Unvorhergesehenes 76 000<br />

Langenthal vor 1895: E3/3 1 mit Zug nach Huttwil. Noch fehlt die<br />

durchgehende Luftbremse (Sammlung H. Schneeberger)<br />

one X 5 / 2015 25


Bahnhofszene von Huttwil zur Dampfzeit<br />

Insgesamt sind 250 Parzellen mit einer Gesamtfläche<br />

von 160 000 Quadratmetern zum<br />

Durchschnittspreis von 1.43 Franken erworben<br />

worden. Gebaut werden sechs Stationsgebäude<br />

mit WC-Anlagen, drei Bahnwärterhäuschen<br />

und der Schuppen für die Lokomotiven<br />

in Huttwil. 17 000 Schwellen werden<br />

verbaut, wegen zu hoher Preise nur 7000<br />

aus Eichenholz, die übrigen 10 000 aus<br />

Tannenholz. Der Bau wird zwischen Madiswil<br />

und Gutenburg begonnen und in zwei<br />

Richtungen vorangetrieben.<br />

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts<br />

gibt es eine verlässliche Wetterregel:<br />

Wenn in Huttwil gefeiert wird, dann regnet<br />

es. Am 31. Oktober 1889, einem Donnerstag,<br />

erfolgte in Huttwil die feierliche Eröffnung<br />

– und es regnete ohne Unterbruch. Aber die<br />

Leute seien in grosser Zahl nach Huttwil gekommen<br />

und unter strömendem Regen fuhr<br />

der Festzug um 13:22 Uhr in Huttwil ein.<br />

Der Fahnen- und Girlandenschmuck sei in<br />

Huttwil grossartig gewesen, die Volksmenge<br />

fast unübersehbar. Die Höchstgeschwindigkeit<br />

des Zuges war auf 35 km/h festgesetzt<br />

und nur im Falle von Verspätungen durfte<br />

mit 40 km/h über die Schienen gebraust<br />

werden. Gezogen vom «Choli». So nannten<br />

die Leute die Dampflokomotiven liebevoll.<br />

«Choli» ist die volkstümliche Bezeichnung<br />

für ein schwarzes Pferd.<br />

Doch der historische Tag endet mit einem<br />

Drama. Während des Banketts wird der<br />

hochgeehrte und beliebte Jakob Affolter,<br />

Regierungsstatthaler zu Trachselwald, kurz<br />

vor Mitternacht vom Schlag getroffen und<br />

stirbt vierzehn Stunden später. Dabei hatte<br />

er sich während des ganzen Tages bei bester<br />

Laune an den Feierlichkeiten beteiligt.<br />

Die Eisenbahn bringt dem Langetental<br />

den erhofften wirtschaftlichen Aufschwung<br />

und öffnet den Menschen den Horizont.<br />

Denn damals gab es ja noch keine Autos und<br />

Motorräder. Entweder reiste man zu Fuss,<br />

mit dem Pferdefuhrwerk oder eben jetzt mit<br />

der Eisenbahn. Wie gross die Begeisterung<br />

ist, zeigt sich auch daran, dass sogar ein Lied<br />

für die Langenthal-Huttwil-Bahn komponiert<br />

wird, siehe Box unten. Als Autor gilt<br />

ein gewisser Ernst Bittersüss. Wobei nicht<br />

ganz klar ist, ob es sich dabei um ein Pseudonym<br />

oder den richtigen Namen handelt.<br />

Eine Inschrift am Einweihungstag, siehe<br />

Box rechts, ermunterte die Nachbarn, ebenfalls<br />

tätig zu werden. Und tatsächlich. Nur<br />

sechs Jahre später begann am 9. Mai 1895<br />

der regelmässige Bahnbetrieb zwischen<br />

Huttwil und Wohlhusen. Ab dem 1. Juni<br />

1908 fuhren die ersten Züge von Huttwil<br />

über Sumiswald und Ramsei und am 1. September<br />

1915 wurde auch die Eisenbahnlinie<br />

nach Eriswil eröffnet. Weil nun die Räder<br />

aus Eisen waren und nicht mehr aus Holz,<br />

verloren auch die meisten Wagner ihr Einkommen.<br />

Ein neues Zeitalter begann.<br />

ZUSATZINFOS<br />

Inschrift<br />

Am Tag der Einweihung war am Bogen<br />

bei der Abzweigung der Luzernstrasse<br />

in Huttwil folgende Inschrift zu lesen:<br />

Ihr Fründe us em Hinterland<br />

Nät eui Bahn jez au a d‘Hand<br />

Dir gseht hüt, dass nit nahla gwinnt<br />

Und wenn mehr de i zwöi, drü Jahre<br />

Zu euch cheu mit em Choli fahre<br />

Mir gwüss au bir Yweihig sind.»<br />

Lied Langenthal-Huttwil-Bahn<br />

Uf de Schwizer Ysebahne<br />

Het es vieli Statione<br />

Allie Jahr gits neue derzue<br />

Dass me spare cha die Schuh<br />

Z’Langenthal geits z’erst es Bitzli<br />

Rächts ab gegem Schore-Schtützli<br />

Links sött zwar e Haltstell sy,<br />

Doch jitz fahrt me halt verby<br />

Eh! Wie ma dr Choli chute<br />

Luegit! Scho i paar Minute<br />

Het er jitz bi Lotzu still,<br />

Dass uf Rütschele cha wer will<br />

Stygit y! Ihr Manne, Fraue!<br />

S’isch no mängs dürs Tal uf z’gschaue<br />

Z’Gutenburg gits guete Wy<br />

Drum muss dert e Haltstell sy<br />

Wer nid dumm ist wie ne Bäse<br />

Het vom «linke Mäder» gläse<br />

Madiswil heisst d’Station<br />

Wo-n-er gsi isch uf em Thron<br />

Wer viel Gnuss ha will vom Läbe,<br />

Dörft zwar do scho blybe chläbe<br />

Doch dr Zug ist nid am Ziel<br />

Zerst geits no uf Kleindietwil<br />

Und mit chunnt in gueter Ruh<br />

Schnurstraks gägä Rohrbach zue<br />

He! Vo Ausu und vom Grabe!<br />

Chömit gleitig häre z’trabe<br />

Gäb mes nume dänke cha<br />

Chunt dr Zug scho z‘Huttu a<br />

Wenn me de wyter fahre cha<br />

Fö mer de vo Neuem a.<br />

26 one X 5 / 2015


MÖCHTEN SIE UNABHÄNGIGER VON IHREM<br />

STROMVERSORGER WERDEN?<br />

Eigenverbrauch mit Speicherlösung! Erreichen Sie einen Autarkiegrad von bis zu 75 %<br />

Doppelt Kosten sparen!<br />

Kein Einkauf von teurem Strom<br />

Unabhängiger von künigen Strompreiserhöhungen<br />

Angebot & Terminvereinbarung unter:<br />

+41 791 368 338<br />

Wir sind Ihr kompetenter Ansprechpartner für:<br />

Planung & Montage Ihrer Solaranlage<br />

Eigenverbrauch & Speicherlösungen<br />

Effizienz - Gutachten<br />

Thermographie / Funktionsgarantie<br />

80% ALLER PV-ANLAGEN<br />

BRINGEN NICHT DEN<br />

GEWÜNSCHTEN ERTRAG!<br />

Die Thermografiekamera macht Schäden sichtbar!<br />

FRÜHJAHRSANGEBOT: ab199.- CHF<br />

(bis 10 kWp)<br />

lokavis energietechnik GmbH<br />

Niederlassung Schweiz<br />

Hauptstr. 42<br />

CH- 4938 Rohrbach<br />

Tel. +49 (0) 8721 78 166 0<br />

Mail. info@lokavis.ch<br />

Web. www.lokavis.ch<br />

… so schnell wie die Truckracer sind wir nicht,<br />

jedoch sehr schnell wenn es um den Verkauf<br />

Ihrer Immobilie geht!


STEPHAN ANLIKER<br />

Blick online,<br />

15. Mai 2015<br />

GC<br />

ist nicht<br />

LANGENTHAL<br />

Ein «weisser Ritter» aus dem Oberaargau<br />

versucht in Zürich das Fussballgeschäft<br />

zu reformieren. Warum Stephan Anliker<br />

bei GC nicht glücklich wird.<br />

TEXT: KLAUS ZAUGG<br />

Steht unter Druck als Präsident<br />

von GC: Stephan Anliker<br />

Wie funktioniert eigentlich die<br />

grosse Welt des Sports? Beispielsweise<br />

das Eishockeyund<br />

Fussball geschäft? Bis<br />

vor kurzem waren die<br />

Oberaargauer im grossen Sportzirkus bloss<br />

Zuschauer. Keiner drehte am grossen Rad.<br />

Aber nun haben wir mit Stephan Anliker<br />

einen Unternehmer aus Langenthal in einer<br />

Schlüsselposition. Er ist Präsident bei GC. Und<br />

sein Fussball-Schicksal verschafft uns einen<br />

faszinierenden Einblick ins helvetische Sportbusiness.<br />

Stephan Anliker ist angetreten, um<br />

GC zu neuem Glanz zu führen. Eigentlich<br />

sollte es «der GC» heissen. Weil es sich ja um<br />

den «Grasshopper Club» handelt. Aber geläufig<br />

ist uns ja GC. Also bleiben wir dabei.<br />

Ein grösserer Gegensatz zu seinem Vorgänger<br />

ist bei Stephan Anlikers Amtsantritt<br />

kaum vorstellbar. Mit ihm übernimmt ein<br />

Mann das Präsidium, der öffentliche Auftritte<br />

so wenig sucht wie den Besuch bei der<br />

Dentalhygienikerin. Aber es muss halt<br />

manchmal sein. Für seinen Vorgänger André<br />

Dosé war das Scheinwerferlicht der TV-Kameras<br />

hingegen so wichtig wie das Sonnenlicht<br />

für Pflanzen.<br />

Stephan Anlikers Engagement bei GC<br />

begann bereits vor acht Jahren, damals<br />

noch im guten Glauben, er könne dies dis-<br />

Fotos: Marcel Bieri<br />

28 one X 5 / 2015


NZZ am Sonntag<br />

online,<br />

10. Mai 2015<br />

kret und ohne die Übernahme einer Führungsposition<br />

tun. Aber er ist ein verantwortungsbewusster<br />

Unternehmer. So konnte<br />

er nicht mehr «Nein» sagen und aussteigen,<br />

als sich in Zeiten der Not herausstellte,<br />

dass keiner für die Position des Leitwolfs so<br />

gut geeignet ist wie er. Schliesslich hat er<br />

ja als Präsident des SC Langenthal Führungserfahrung<br />

im Sport. Er ist sozusagen<br />

der gute Mensch aus Langenthal.<br />

Stephan Anliker ist Architektur-Unternehmer.<br />

Hauptsächlich zwischen Bodensee und<br />

Freiburg plant und baut, saniert, kauft und<br />

verkauft er Immobilien aller Art, und seine<br />

Firmen halten nach eigenen Angaben einen<br />

«mittelgrossen Immobilienbestand.» In den<br />

Büros der Duksch & Anliker-Gruppe in Langenthal,<br />

Zug und Zürich beschäftigt der diplomierte<br />

Architekt inzwischen mehr als 50<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />

Stephan Anliker ist 2007 nicht einfach aus<br />

Spass am Fussball bei GC erst in den Business<br />

Club eingestiegen und später einer der «Owner»<br />

geworden, die pro Jahr 250 000 Franken<br />

einschiessen und so zum innersten<br />

Machtzirkel gehören. Er bestreitet im kleinen<br />

Kreise nicht, dass er einen schönen Teil<br />

seiner Aufträge dem über die Jahrzehnte<br />

geknüpften Sportnetzwerk im Eishockey und<br />

im Fussball verdankt. GC und Geschäft<br />

one X 5 / 2015 29


STEPHAN ANLIKER<br />

kann er also gut miteinander verbinden.<br />

Zürich ist sowieso seine zweite Heimat. Seine<br />

Mutter ist am Zürichsee über Ufenau und<br />

Lützelau aufgewachsen. Sein Vater lebte 15<br />

Jahre in und um Zürich. Obwohl Stephan<br />

Anliker in Langenthal gross wurde, verbrachte<br />

er in seiner Jugend die Ferien immer am<br />

Zürichsee. Das Wesen und Wirken der Zürcher<br />

ist ihm also vertraut.<br />

Bei GC gelang Stephan Anliker mit<br />

der Lösung des Falls Salatic erstmal<br />

ein Meisterstück, an dem die<br />

meisten anderen Fussballmanager<br />

kläglich gescheitert wären.<br />

ERFOLGREICH – AUCH IM SPORT<br />

Aber nicht nur der Zürcher, auch der Sport<br />

ist ihm vertraut. Fussball hat er zwar nur im<br />

Juniorenalter gespielt. Aber er war Hallenmeister<br />

im Kugelstossen und fünfmal Vizemeister<br />

im Diskuswerfen. Später wurde er<br />

Trainer von Regula Aebi. Sie ist eine der<br />

schnellsten Schweizerinnen aller Zeiten. Erst<br />

kürzlich ist ihr Rekord über 200 Meter unterboten<br />

worden. Sie ist seine Frau geworden.<br />

Die Familie Anliker-Aebi bewohnt ein<br />

umgebautes Bauernhaus am Rande von Langenthal<br />

und Tochter Chiara (15) und Sohn<br />

Gregori (13) treiben intensiv Sport.<br />

Mit der Sanierung und Führung eines<br />

Profi-Sportunternehmens ist der GC-Vorsitzende<br />

durchaus vertraut. 2002 hat er den SC<br />

Langenthal übernommen, der soeben den<br />

sportlichen Aufstieg in die NLB geschafft<br />

hatte. Damals schien es fast unmöglich, die<br />

Langenthaler, die 18 Jahre zuvor unter dem<br />

Präsidium des heutigen Berner Regierungsrats<br />

Hansjürg Käser hoch verschuldet in die<br />

1. Liga abgestiegen waren, noch einmal in<br />

der zweithöchsten Spielklasse zu etablieren.<br />

Ja, ein Profi-Sportunternehmen im Oberaargau<br />

schien reine Utopie. Doch Stephan Anliker<br />

hat es geschafft. Das Budget ist nach<br />

und nach von 1,5 auf 5 Millionen aufgestockt<br />

worden und 2012 gewannen die Langenthaler<br />

zum ersten Mal die NLB-Meisterschaft.<br />

Die Entwicklung eines verschuldeten, strukturschwachen<br />

Hockeyklubs zu einem wirtschaftlich<br />

stabilen und sportlich erfolgreichen<br />

Sportunternehmen ist ein Meisterstück<br />

Stephan Anlikers.<br />

Der GC-Vorsitzende wirkt sanft in der<br />

Art. Für ein «Alphatier» in der Bau- und<br />

Immobilienbranche und im Sportbusiness<br />

ist er überaus geduldig und wohltuend zurückhaltend.<br />

Deshalb wird er oft unterschätzt.<br />

Aber wenn die Zeit reif ist, fällt er<br />

zügig, doch ohne Hast unbequeme Entscheidungen<br />

und übernimmt dafür die Verantwortung.<br />

Auch im Fussball gelingt ihm mit der Lösung<br />

im «Fall Salatic» erst einmal ein Meisterstück.<br />

Über Wochen hinweg hat Stephan<br />

Anliker beharrlich gearbeitet und ein Problem<br />

gelöst, an dem die meisten Fussballmanager<br />

gescheitert wären. Er hat einen<br />

Spieler, der in seinem Unternehmen schon<br />

lange nicht mehr tragbar war, der gegen den<br />

Trainer rebellierte und Intrigen anzettelte,<br />

nicht einfach entlassen – er hat ihn verkauft.<br />

Darüber hinaus ist er auch noch einen<br />

Trainer kostenlos losgeworden, den er bald<br />

hätte feuern müssen.<br />

Nach dem ersten Konflikt mit Trainer Michael<br />

Skibbe weiss Stephan Anliker, dass<br />

Vero Salatic bei GC nicht mehr tragbar ist.<br />

Und er ahnt auch, dass sein Trainer in eine<br />

unhaltbare Situation geraten wird. Aber beide,<br />

der aufmüpfige Spieler und der Trainer,<br />

sind vertraglich langfristig an GC gebunden.<br />

Eine Trennung würde eine siebenstellige<br />

Summe kosten.<br />

Zuerst folgt die Suspendierung des Spielers<br />

um die Autorität des Trainers vorläufig<br />

zu retten. Aber dann hat Stephan Anliker<br />

im Alleingang (ja, es war ein<br />

Alleingang) den Trainer gezwungen,<br />

Vero Salatic wieder<br />

einzusetzen. Weil es nur<br />

so möglich ist, den Transferwert<br />

dieses Spielers zu erhalten.<br />

Die Untergrabung der<br />

Autorität des Trainers nimmt<br />

er bewusst in Kauf und die<br />

mediale Kritik aus der Medienhauptstadt<br />

Zürich ignoriert<br />

er cool. Es fällt einem<br />

GC-Präsidenten wahrscheinlich leichter,<br />

kühlen Kopf zu bewahren, wenn er seinen<br />

Lebensmittelpunkt nicht in Zürich, sondern<br />

in Langenthal hat.<br />

Die Rechnung geht auf. Trainer Michael<br />

Skibbe, dessen Entlassung unabdingbar gewesen<br />

wäre, ist unter Ausdruck höchsten<br />

Bedauerns für einen neuen Arbeitgeber in<br />

der Türkei aus dem laufenden Vertrag freigegeben<br />

worden – und dafür hat es auch<br />

noch Geld gegeben. Seinem Architekten-<br />

Kollegen Christian Constantin hat Stephan<br />

Anliker nun Vero Salatic verkauft. Der GC-<br />

Präsident hatte den Sion-Zampano mit einer<br />

Forderung von vier Millionen provoziert, um<br />

am Ende, wie kalkuliert, rund eine Million<br />

zu bekommen.<br />

BESSERE KRISENMANAGER?<br />

Sind die Männer des Eishockeys also die besseren<br />

Krisenmanager? Ja, mit ziemlicher<br />

Sicherheit. Eishockey ist als Spiel noch emo-<br />

Blick online,<br />

11. Mai 2015<br />

30 one X 5 / 2015


Tages-Anzeiger<br />

online,<br />

10. Mai 2015<br />

Tages-Anzeiger<br />

online,<br />

10. Mai 2015<br />

tionaler als Fussball und die Auseinandersetzungen<br />

zwischen den Bossen rund um Spiel<br />

und Business sind in der «Hitze des Gefechts»<br />

oft heftiger, aber ehrlicher und weniger gekünstelt<br />

als im Fussball. Hockey-Bosse sind<br />

weniger vom persönlichen Ego getrieben und<br />

geknechtet als Fussball-Generäle und halten<br />

sich viel mehr im Hintergrund. Das Eishockey<br />

kennt keinen Ancillo Canepa und keinen<br />

Christian Constantin. Auch keine Hasar deure<br />

wie Marc Roger, Bulat Tschagajew oder Helios<br />

Jermini. Selbst Präsidenten, die bei ihrem<br />

Hockeyunternehmen die Aktienmehrheit<br />

haben (wie Walter Frey) und sich gebärden<br />

könnten wie Canepa und Constantin, halten<br />

sich vornehm zurück.<br />

Die einzigen präsidialen Hockey-Selbstdarsteller<br />

der Neuzeit sind Jeannot Martinet<br />

(er war in Fribourg in den 1990er Jahren<br />

sehr erfolgreich und steht heute noch in<br />

höchstem Ansehen), Langnaus BDP-Gründer<br />

Hans Grunder (2009 an der Ilfis zum Rücktritt<br />

gezwungen) und Ambris Filippo Lombardi<br />

(noch im Amt). Aber Grunder und<br />

Lombardi sind Politiker und als «animal<br />

politique» gilt für beide: «Ich stehe im Rampenlicht,<br />

also bin ich und werde gewählt.»<br />

Es gibt noch einen ehemaligen Eishockey-<br />

Kadermann, der eine grandiose Fussball-<br />

Karriere hingelegt hat: Sepp Blatter. Er startete<br />

seine Funktionärslaufbahn mit einem<br />

Beziehungsdelikt. Verbandspräsident Josef<br />

Kuonen aus Visp macht den ehrgeizigen,<br />

noch nicht einmal 30-jährigen Sepp Blatter<br />

aus seinem Dorf während seiner Amtszeit<br />

(1962 bis 1966) zum Generalsekretär des<br />

Schweizerischen Eishockeyverbandes: Was<br />

Seppli im Eishockey lernt, vergisst Sepp nimmermehr.<br />

Der mächtigste Schweizer Sportfunktionär<br />

aller Zeiten ist im Eishockey «geformt»<br />

worden. Der Sonnenkönig des Fussballs<br />

ist der Mann, der aus der Kälte der<br />

Kunsteisbahnen gekommen ist.<br />

Wegen Stephan Anliker zu behaupten,<br />

dass aus dem Eishockey die besseren Fussball-<br />

Führungskräfte kommen, wäre schon etwas<br />

vermessen. Aber wer wagt es im Wissen um<br />

Sepp Blatter, diese These anzuzweifeln?<br />

VERSCHWORENE BRUDERSCHAFT<br />

Nach all dem müssten wir davon ausgehen,<br />

dass Stephan Anliker in Zürich ein hoch geachteter<br />

Fussball-Präsident geworden ist.<br />

Und dass GC bald auf Augenhöhe mit Basel<br />

spielen und geschäften wird. Aber so ist es<br />

nicht. Selbst die zurückhaltende NZZ hat<br />

Stephan Anliker inzwischen als «Präsident<br />

ohne Macht» bezeichnet. Die Chronisten aus<br />

Zürich nehmen ihn nicht mehr richtig ernst.<br />

In Zürich setzen sich im Fussballgeschäft<br />

eher Blender durch, die immer wieder Storys<br />

hergeben. Wie Ancillo Canepa, der sogar<br />

seinen Hund zum Medienthema macht. Bei<br />

Stephan Anliker absolut unvorstellbar. Im<br />

grossen Medienzirkus Zürich, wo alle nationalen<br />

Medien ihren Hauptsitz haben, wird<br />

nur gerühmt, wer es versteht, Indiskretionen<br />

zum richtigen Zeitpunkt den richtigen Leuten<br />

zu verraten. Auch das kommt für Stephan<br />

Anliker nicht in Frage.<br />

Nun beginnen wir zu erahnen, warum<br />

das, was beim SC Langenthal geht, bei GC<br />

nicht funktioniert. Obwohl es doch eigentlich<br />

kaum einen Unterschied gibt. Der Umsatz ist<br />

bei GC zwar fünfmal höher als beim SC Langenthal.<br />

Aber am Ende des Tages ist es doch<br />

die gleiche Branche: Das Profi-Sportgeschäft.<br />

Das Beispiel von Stephan Anliker zeigt<br />

uns die Unterschiede zwischen Eishockey<br />

und Fussball. Eishockey ist zwar auch ein<br />

internationaler Sport. Aber im Vergleich<br />

one X 5 / 2015 31


STEPHAN ANLIKER<br />

zum Fussball ist es ein Regionalsport. Die<br />

Kultur des Eishockeys ist nahezu einheitlich.<br />

Es sind Nordamerikaner, Skandinavier, Osteuropäer<br />

und ein paar Mitteleuropäer, die<br />

dieses Geschäft betreiben. Die wichtigste<br />

Liga der Welt ist die nordamerikanische<br />

NHL. Sie beschäftigt drei Viertel der besten<br />

Spieler der Welt. Nordamerika ist nach wie<br />

vor das grösste Reservoir für ausländische<br />

Spieler im europäischen Hockey. Geschäfte<br />

mit Nordamerika sind stark reglementiert.<br />

Das haben inzwischen ja auch unsere Banken<br />

erfahren. Es gibt zwar «Bruderschaften» –<br />

vor allem unter den Kanadiern – die sich<br />

gegenseitig Jobs zuhalten und sich gegenseitig<br />

bevorzugen. Aber die Geldflüsse sind<br />

transparent und bezahlt werden nur Leute,<br />

die für einen Klub arbeiten.<br />

Fussball hingegen ist global. So wie Sepp<br />

Blatter nicht nach den Regeln der helvetischen<br />

direkten Demokratie seine FIFA führen<br />

kann und sich bauernschlau der internationalen<br />

Fussballkultur angepasst hat, so lässt<br />

sich GC nicht wie der SC Langenthal führen.<br />

Im Fussball sind so ziemlich alle Kulturen,<br />

Mentalitäten und Geschäftsmodelle der Erde<br />

vertreten. Mit etwas Boshaftigkeit können<br />

wir das Fussball-Business so bezeichnen:<br />

Eine Gruppe von Menschen inszeniert ein<br />

Spiel und erweckt bei den Mächtigen und<br />

Reichen den Eindruck, dieses Spiel sei so<br />

wichtig, dass es sich lohne, Geld zu investieren.<br />

Und wer zahlt, bekommt eine Bühne<br />

und bekommt die Öffentlichkeit und Popularität,<br />

die es nicht gibt, wenn Museen finanziert,<br />

Schulen gefördert und Kulturveranstaltungen<br />

gesponsert werden. Weil dieses Geschäft<br />

global ist, lässt es sich nicht mehr<br />

kontrollieren. Um es noch etwas boshafter<br />

zu sagen: Spieler, Trainer, Sportchefs und<br />

Berater haben sich weltweit zu einer Bruderschaft<br />

zusammengefunden. Wer wo wieviel<br />

und wofür kassiert, ist nicht mehr feststellbar.<br />

Unvergessen bleibt jener Präsident eines<br />

helvetischen Fussballunternehmens, der<br />

seinen Sportchef spöttisch als «unseren Doppelverdiener»<br />

bezeichnete. In dieser Welt ist<br />

der «weisse Ritter» Stephan Anliker hilflos<br />

wie Don Quichotte beim Kampf gegen die<br />

Windmühlen. Und er hat, anders als Don<br />

Quichotte mit Sancho Panza, nicht einmal<br />

einen treuen Diener, der ihm hilft.<br />

GC ist ein Produkt dieser globalen Fussballwelt.<br />

Im Eishockey ist es auch in der<br />

Schweiz möglich, schwarze Zahlen zu schreiben.<br />

In der Schweiz kann nur Basel dank der<br />

regelmässigen Teilnahme an der Champions<br />

League Gewinne erwirtschaften. Alle anderen<br />

Klubs arbeiten primär wegen Missmanagements<br />

defizitär und haben sich längst an die<br />

Schuldenwirtschaft gewöhnt. Auch GC. Wenn<br />

nun der gute Mensch aus dem Oberaargau<br />

versucht, GC so zu strukturieren wie seine<br />

Firmen und «seinen» SC Langenthal, dann ist<br />

er zum Scheitern verurteilt. Er kann zwar den<br />

«Fall Salatic» noch lösen, er kann den Sportchef<br />

entlassen und man lässt ihn vorerst gewähren.<br />

Aber wenn es so redlich, transparent<br />

und kostensparend laufen sollte wie beim SC<br />

Langenthal, dann würden zu viele ihre Pfründe<br />

und ihren Einfluss verlieren.<br />

WER ZAHLT, BEFIEHLT<br />

Der berühmt-berüchtigte chinesische Revolutionsführer<br />

Mao Zedong hat einmal gesagt,<br />

alle politische Macht komme aus den Gewehrläufen.<br />

Aufs Fussballgeschäft übertragen<br />

bedeutet dies: Alle Macht kommt aus<br />

dem Portemonnaie. Nur wer die Rechnungen<br />

selbst bezahlt wie Ancillo Canepa beim FC<br />

Zürich oder Christian Constantin bei Sion,<br />

hat Gestaltungskraft und kann heuern und<br />

feuern wie und wann und wen er will. Wer<br />

die Rechnungen hingegen nicht selbst zahlt,<br />

verliert eher früher als später seine Macht<br />

und wird am Ende selbst von der NZZ als<br />

Präsident ohne Macht bezeichnet.<br />

Es hat kürzlich einen blumigen Vergleich<br />

gegeben. GC zu präsidieren sei für Stephan<br />

Anliker auf Dauer etwa so, als ob Peter<br />

Spuhler Staatspräsident von Kasachstan<br />

würde. Mit dem Auftrag, innert kürzester<br />

Zeit die Vetternwirtschaft abzustellen und<br />

volle Transparenz zu schaffen. Das mag bösartig<br />

sein. Aber es hat wohl schon etwas für<br />

sich. Der Unternehmer und SVP-Politiker<br />

Peter Spuhler hätte übrigens auch GC-Präsident<br />

werden sollen. Aber er hat abgelehnt.<br />

Er wusste, warum.<br />

20 Minuten<br />

online,<br />

9. Mai 2015<br />

Mit dem Langenthaler System<br />

wird Anliker bei GC scheitern<br />

32 one X 5 / 2015


Lust auf Wohlbefinden und Gesundheit?<br />

Fitness, Wellness und Gesundheit<br />

9 Jahre max Fitnesscenter<br />

99 Tage Fitness, Wellness und<br />

Gesundheit für 3 x 99.-<br />

Ihre Vorteile:<br />

- 2 begleitete Einführungstrainings<br />

- Gesundheitscheck, Rückencheck<br />

- 3 Monate Fitness- und Gesundheitstraining<br />

- Besuch der Kurse Ihrer Wahl<br />

- 3 Monate Saunalandschaft<br />

- Abschlusscheck und -analyse<br />

Einziges ***** Sterne-Fitnesscenter der Region<br />

Wohlbefinden Gesundheit Fitness Mobil Dampfbad Aktivität<br />

Lebensqualität Schmerzfrei Vitalität Junggeblieben Atmosphäre Spinning<br />

Entspannung Familiär Kraft Massage Sauberkeit so angenehm<br />

anders Betreuung Beweglichkeit Fit im Alter Rückentraining<br />

Vertrauen Qualität Ausdauer Lebensfreude Physiotherapie<br />

Ehrlichkeit Gewichtskontrolle Fun Koordination Sauna Freundlichkeit<br />

Yoga Krankenkassenanerkannt Fitnesscenter des Jahres<br />

Gemeinsamkeit Vorbeugen Aussenbereich Spass Lebenslust Wellness<br />

Motivation Persönlich Ganzheitlich Gemütlichkeit Zuverlässigkeit<br />

Erfolg Sicherheit gesundheitsorientiertes<br />

Fitnesstraining Selbstwert Erholung MTT<br />

Individualität Rehibilitation Pilates Freunde<br />

www.maxfit.ch & www.fiveseasons.ch


DIE SEITE DER LESER<br />

Leserbriefe<br />

Sehr interessant<br />

Die erste Ausgabe, die ich gelesen habe.<br />

Sehr interessant und spannend. Hat mich<br />

überzeugt. Gute Arbeit. Bravo. Freue<br />

mich bereits auf die nächste Ausgabe.<br />

Heidi Graber, Langenthal<br />

Erträgliches Mass an Werbung<br />

Leider sind die drei ersten Ausgaben von<br />

one X Magazin bei mir ohne Beachtung<br />

im Altpapier gelandet, da jeden Tag sehr<br />

viel Lesestoff im Briefkasten landet.<br />

Die Ausgabe 4 habe ich nun aber mit von<br />

Seite zu Seite grösserem Interesse und<br />

Freude gelesen. Herzliche Gratulation zu<br />

allen Artikeln, die in der Ausgabe 4 erschienen<br />

sind. Sehr gut recherchiert, sehr<br />

gut und verständlich geschrieben und<br />

inhaltlich sehr aussagekräftig mit vielen<br />

guten Fotos. So z. B. auch der Kurzbeitrag<br />

«Warum ist Deflation so gefährlich?».<br />

Sehr anschaulich geschrieben, so dass<br />

es auch ein Nicht-Finanzfachmann begreift.<br />

Zudem ein (für ein Gratis<strong>magazin</strong>)<br />

ab solut erträgliches Mass an Werbung.<br />

Ich hoffe, dass das so bleibt. Mir ist absolut<br />

klar, dass sich ein Gratis<strong>magazin</strong> nur<br />

über Werbung finanzieren lässt. Es gibt<br />

aber Gratis<strong>magazin</strong>e, wo man vor lauter<br />

Werbung die Beiträge mit der Lupe suchen<br />

muss. Diese sind dann vielfach<br />

nicht mal gut geschrieben.<br />

Veranstaltung<br />

Offizieller Concours Thörigen<br />

vom 12. – 14. Juni 2015<br />

Springplatz beim Restaurant<br />

Sternen Thörigen<br />

Freitag: 2er Equipen kombiniert<br />

ab 13:30 Uhr 3er Equipen Springen<br />

Samstag:<br />

ab 8:00 Uhr<br />

Sonntag:<br />

ab 7:30 Uhr<br />

B70/B80<br />

R100/R105<br />

Kombinierte Prüfung B1<br />

Hypona-Cup<br />

B/R90<br />

R110/R115<br />

Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg<br />

und Spass, (ohne den geht es sicher nicht)!<br />

und vor allem viele Leser und wenige, aber<br />

gute Sponsoren/Inserenten. Bleiben Sie<br />

Ihrer Art zu recherchieren und zu schreiben<br />

treu. Ich freue mich auf viele gute, interessante<br />

Artikel, Interviews und viele gute<br />

Bilder der nächsten Ausgabe wie in der<br />

Ausgabe 4!<br />

Noch eine Frage: Kann man die drei ersten<br />

Ausgaben irgendwo bestellen? Ich würde<br />

diese sehr gerne nachträglich noch lesen!<br />

Ernst Nydegger, Wynigen<br />

Speis und Trank gibt es im Festzelt<br />

und am Bierwagen.<br />

Freundlich lädt ein:<br />

Der Reitsportverein Thörigen<br />

Lob für das one X Magazin<br />

Da hat sich Rudolf Egger wohl etwas zu<br />

weit aus dem Fenster gelehnt. Nur was<br />

ihm gefällt, soll publiziert werden.<br />

Auf keinen Fall Jodler-Vereinsnachrichten,<br />

das war auch im Leserbrief und immer<br />

noch meine Meinung. Über das schönste<br />

Brauchtum der Schweiz, das Jodeln, wäre<br />

es allerdings durchaus möglich sehr viel<br />

«Historisches» zu berichten. Alles was in<br />

irgendeiner Form Strom braucht oder benützt,<br />

soll im one X Magazin Platz haben.<br />

Josef Röösli, Roggwil<br />

Ihre Meinung<br />

interessiert uns<br />

Sind Sie mit etwas nicht einverstanden?<br />

Haben Sie Fragen, die auch andere Leser<br />

interessieren könnten? Oder haben Sie eine<br />

Ergänzung zu einem Artikel? Dann schreiben<br />

Sie uns. Ab der kommenden Ausgabe<br />

reservieren wir Platz für Sie.<br />

Oder möchten Sie über ein Thema, das wir<br />

noch nicht gebracht haben, mehr erfahren?<br />

Wir können Ihnen zwar keinen Artikel darüber<br />

garantieren. Aber prüfen werden wir<br />

Ihren Vorschlag ganz bestimmt.<br />

Wir wissen noch nicht, was auf uns zukommt,<br />

wenn wir die Möglichkeit zu Leserreaktionen<br />

bieten. Möglich, dass keine einzige<br />

kommt. Ebenfalls möglich, dass wir<br />

nicht alle Ihre E-Mails und Briefe publizieren<br />

können, und deshalb eine Auswahl treffen<br />

müssen. Werden Sie bitte nicht zu lang.<br />

Sonst müssten wir Ihren Beitrag eventuell<br />

kürzen.<br />

Beiträge mit beleidigenden, diffamierenden,<br />

rassistischen und sexistischen Inhalt werden<br />

nicht veröffentlicht.<br />

Wir freuen uns auf Ihr Feedback.<br />

PROFITIEREN<br />

SIE JETZT VOM<br />

VERANSTALTUNGS-<br />

KALENDER<br />

Möchten Sie Ihre Veranstaltung<br />

bei uns publizieren?<br />

Dann teilen Sie uns dies<br />

doch bitte mit.<br />

SCHREIBEN<br />

SIE UNS<br />

E-Mail:<br />

redaktion@onex<strong>magazin</strong>.ch<br />

Postadresse:<br />

Redaktion one X Magazin<br />

Feedback<br />

Lotzwilstrasse 66<br />

4900 Langenthal<br />

Foto: Shutterstock / Gajus<br />

34 one X 5 / 2015


1<br />

⁄1 Inserat randabfallend<br />

(210 × 297 mm)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!