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oneX magazin 05.2015

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ESTHER SCHÖNMANN<br />

Kleider und Esswaren<br />

werden jeweils<br />

gerecht unter den<br />

Bedürftigen verteilt –<br />

die Reihenfolge per<br />

Los bestimmt.<br />

lich! Irgendwo sollte man sich treffen dürfen<br />

um sich auszutauschen.<br />

Wie viele Personen arbeiten an diesem<br />

Projekt mit?<br />

Vor einigen Jahren haben wir einen Verein<br />

gegründet. Wir sind insgesamt zu fünft.<br />

Doch meistens können nicht alle kommen,<br />

weil sie teilweise noch erwerbstätig sind. Wir<br />

könnten mehr Kräfte gebrauchen. Doch diese<br />

sollten ein Feeling für sozial schwache<br />

Menschen haben und frei von Vorurteilen<br />

und Angst sein. Gegenüber den Mitarbeitern<br />

der Gassenküche wurde in all den Jahren<br />

noch nie jemand aggressiv. Im Gegenteil es<br />

sind alles liebe, nette und dankbare Menschen.<br />

Berühmt wurde die Raubritter-Suppe von<br />

Hans Ruedi Leuthold. Was hat die Gassechuchi<br />

sonst noch im Angebot?<br />

In den ersten sieben Jahren kochten wir auf<br />

dem Wuhrplatz. Hans Ruedi kochte jeweils<br />

zu Hause vor und benutzte dann vor Ort ein<br />

Gasrechaud, um das Essen fertig zu stellen.<br />

Es war teilweise so kalt, dass die Mahlzeiten<br />

direkt aus dem Auto heraus verteilt wurden<br />

und die Leute ihr Essen auf der Toilette verzehren<br />

mussten. Wir organisierten auch andere<br />

Anlässe. An Ostern färbten wir gemeinsam<br />

Eier und trafen uns danach an der «Langete»<br />

zum Eiertütschen. Während drei Jahren<br />

wurden wir von der Burgergemeinde<br />

Schwarzhäusern engagiert, um unter Anleitung<br />

des Burgerpräsidenten Brombeerranken<br />

im Wald zu schneiden. Das war jedes<br />

Mal ein Abenteuer. Leider vermissen wir<br />

weitere solche Möglichkeiten. Wir verteilen<br />

Flugblätter, wenn wir wieder etwas vorhaben.<br />

Es herrscht jeweils eine besondere Stimmung<br />

an diesen Anlässen. Im Sommer grillieren<br />

wir mit den Leuten oder organisieren<br />

andere Überraschungen. An den fünf Monatsmärits<br />

sind wir auch immer mit diversen<br />

Artikeln anwesend und offerieren Mahlzeiten.<br />

Als der Wuhrplatz umgebaut wurde,<br />

mussten wir weichen. Zum Glück stellte uns<br />

die Stadt einen Raum im Waaghüsli zur Verfügung.<br />

Wir dürfen darin aber nicht essen<br />

und den Raum auch nicht ausschmücken.<br />

Haben Sie sich daran gehalten?<br />

Nicht immer. Wenn es kalt oder nass war,<br />

stellten wir Tische und Bänke in den Raum<br />

und Hans Ruedi kochte im Freien. Doch dann<br />

kam das Evangelische Gemeinschaftswerk<br />

(EGW) auf uns zu und bot uns an, den Jugendraum<br />

in ihrem Haus gegenüber dem<br />

Kino Scala zu benutzen. Dies war natürlich<br />

ein hoch willkommenes Angebot. Nun konnten<br />

wir bereits drei Winter, von Oktober bis<br />

April, in diesem trockenen, warmen Raum<br />

essen und uns unterhalten. Auch konnten<br />

unsere Gäste die gespendeten Kleider in aller<br />

Ruhe aussuchen und anprobieren.<br />

Den Raum im Waaghüsli benutzen Sie<br />

aber weiterhin.<br />

Natürlich! Er dient uns als Lager für die<br />

Märit sachen und jeden Mittwochnachmittag<br />

für die Esswarensortierung<br />

und -verteilung. Wir fragten sogar<br />

für einen weiteren Raum nach, weil<br />

wir inzwischen sehr viele Kleider<br />

erhalten haben und diese gerne deponieren<br />

möchten. Doch eine Antwort<br />

steht noch aus.<br />

Sie erhielten keine Antwort? Dies verwundert<br />

nun doch sehr!<br />

Wie Sie sehen, verfügt das Waaghüsli über<br />

drei kleine Räume. Aber die beiden andern<br />

werden von der Fasnachtsgesellschaft belegt,<br />

welche hier unter dem Jahr ihre Sachen<br />

lagert. Die Stadt will nicht, dass sich die<br />

Randständigen hier allzu lange aufhalten.<br />

Dies störe die Bevölkerung. Doch auf dem<br />

Wuhrplatz stören sie ja scheinbar auch. Sie<br />

stören überall. Randständige werden in unserer<br />

Gesellschaft einfach nicht toleriert.<br />

Aber hier beim Waaghüsli wäre es doch gut.<br />

Hier sind wir etwas versteckt und weg vom<br />

Zentrum.<br />

Wir leben in einer vom Geld dominierten<br />

Welt. Sie betreiben diese Gassenküche<br />

ehrenamtlich. Nehmen all diesen Aufwand<br />

auf sich. Was steckt hinter dieser<br />

Motivation?<br />

Das kommt von innen. Ich hatte schon als<br />

Kind Erbarmen mit den armen Leuten. Ich<br />

war immer auf der Seite der Schwachen und<br />

Armen. Dies kann ich nicht verleugnen.<br />

Trotz ehrenamtlicher Arbeit: Auch ein<br />

Projekt wie die Gassenküche kommt nicht<br />

gänzlich ohne Geld aus. Wie finanzieren<br />

Sie das Projekt?<br />

Zu Beginn investierten wir etwas eigenes<br />

Geld und sammelten. Dann machten wir sozusagen<br />

die hohle Hand. Oft gaben uns Passanten<br />

etwas Bares. Später begannen wir,<br />

Gönnerbriefe zu versenden. Wir schrieben<br />

auch die Frauenvereine, das Blaue Kreuz und<br />

die diversen Kirchen an. Diese Briefe, die wir<br />

jedes Jahr versenden, bleiben nicht ohne<br />

Wirkung. Mal ist es die Kollekte einer Kirche,<br />

mal hat jemand an einem Jassabend, einem<br />

Basar oder einem Firmenanlass für die Gassechuchi<br />

gesammelt, und so kommt Jahr für<br />

Jahr etwas Geld zusammen, das wir dringend<br />

benötigen, um weitermachen zu können.<br />

6 one X 5 / 2015

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