08.12.2012 Aufrufe

impuls - Soziale Arbeit - Berner Fachhochschule

impuls - Soziale Arbeit - Berner Fachhochschule

impuls - Soziale Arbeit - Berner Fachhochschule

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

schied die unwürdigen von den würdigen.<br />

Letztere erhielten Solidarität, Erstere wurden<br />

unterdrückt. Zwischen 1500 und 1800<br />

wurden erstmals politische Massnahmen<br />

zur Armutslinderung ergriffen. Es wurden<br />

Armen­ und Zuchthäuser gegründet;<br />

die Finanzierung von Bedürftigen über die<br />

Heimatgemeinde wurde eingeführt. Mit<br />

zunehmender Industrialisierung und Mobilität<br />

im 19. Jahrhundert versagte aber das<br />

Heimatgemeindeprinzip. Um 1900 kam es<br />

zur langsamen Herausbildung eines Sozialversicherungssystems<br />

und einer Ursachen<br />

bekämpfenden Sozialpolitik.<br />

Anreizmodelle<br />

aus ökonomischer Sicht<br />

Laut Dr. Sonia Pellegrini, wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin am Fachbereich <strong>Soziale</strong><br />

<strong>Arbeit</strong>, ist Sozialhilfe als staatliche Dienstleistung<br />

der Aufwandoptimierung punkto<br />

Zeit und Geld, zielgerechtem Mitteleinsatz<br />

und den wirksamsten Massnahmen verpflichtet.<br />

Als Instrumente zur Effizienzsteigerung<br />

sind laut Pellegrini Anreizmodelle<br />

gegenüber stark kontrollierenden Ansätzen<br />

vorzuziehen, da sie ausschliesslich das<br />

Ziel festlegen. Folgende Anreizmodelle<br />

könnten sich – im Vergleich zu einem<br />

Selbstbehaltssystem – positiv auf die Ressourcennutzung<br />

auswirken:<br />

– Allgemeine Effizienzsteigerungsanreize:<br />

Das Ziel ist eine Kostensenkung bei<br />

gleicher Qualität. Angesprochen sind<br />

mögliche Fusionen oder Reorganisa tionen<br />

von Sozialdiensten.<br />

– Benchmarking­System: Ziel ist, mittels<br />

Effizienzgrad die besten Praktiken von<br />

anderen Gemeinden zu identifizieren und<br />

zu kopieren.<br />

– Bonus­Malus­System: Malus­/Bonusentrichtung<br />

bei Überschreitung/Unterschreitung<br />

eines geschätzten Werts um<br />

30 Prozent oder mehr unter Berücksichtigung<br />

des Effizienzgrads.<br />

Die bernische Reform kombiniert das<br />

Benchmarking­ und das Bonus­Malus­<br />

System. Pellegrini regte in ihrem Referat<br />

an, beim Benchmarking­System die Qualität<br />

der verwendeten Messverfahren zu<br />

überprüfen, kleineren Gemeinden flankierende<br />

Massnahmen anzubieten und den<br />

Bonus­Malus abzustufen.<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> und Ökonomie:<br />

ein Widerspruch?<br />

Prof. Pascal Engler, Dozent am Fachbereich<br />

<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong>, behandelte das<br />

Thema «Ökonomisierung <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong>»<br />

und ging dabei von folgender Ausgangslage<br />

aus:<br />

– Infolge knapper Ressourcen muss <strong>Soziale</strong><br />

<strong>Arbeit</strong> die ökonomische Perspektive<br />

im Sinne wirksamer und zielgerichteter<br />

Massnahmen mitdenken.<br />

– <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> kann effizienter werden.<br />

– Bei der Lösung sozialer Probleme<br />

besteht eine gegenseitige Abhängigkeit<br />

zwischen Politik und <strong>Soziale</strong>r <strong>Arbeit</strong>.<br />

Engler sieht das politische System als<br />

abhängig von der Problemlösungskompetenz<br />

der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong>, da soziale Probleme<br />

Legitimationsdruck erzeugen. <strong>Soziale</strong><br />

<strong>Arbeit</strong> erhalte so die Chance als Partnerin<br />

aufzutreten. Da sie bisher nicht ausgewiesen<br />

habe, was sie qualitativ und quantitativ<br />

leisten könne, drohe ihr Fremdbestimmung.<br />

Aus Sicht der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> ist<br />

gemäss Engler eine geeignete theoretische<br />

Fundierung von Effizienz (haben wir es<br />

«richtig» getan?) und Effektivität (haben wir<br />

«das Richtige» getan?) hängig. Werde<br />

effizient gleichgesetzt mit kostengünstig,<br />

könne die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> nicht mehr «das<br />

Richtige» tun und verliere ihre Legitimationsbasis.<br />

Engler empfiehlt ein nachhaltiges<br />

Problemlösungskonzept, welches<br />

unter Einbezug von Wirtschaft, Umwelt<br />

und <strong>Soziale</strong>m eine multiprofessionelle,<br />

interdis ziplinäre Kooperation vorsieht. Bei<br />

Verwendung eines Ökonomiebegriffs,<br />

der das <strong>Soziale</strong> mit einbezieht, biete die<br />

Ökonomisierung der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> mehr<br />

Chancen als Risiken. Fraglich sei, ob die<br />

aktuellen Vernehmlassungsmodelle diese<br />

Nachhaltigkeit beachten.<br />

Aus der Podiumsdiskussion<br />

An der Diskussionsrunde würdigten alle<br />

Teilnehmenden die vorgeschlagenen kantonalen<br />

Massnahmen aus ihrer Sicht. Unter<br />

der Leitung von Prof. Daniel Iseli, Dozent<br />

und Projektleiter am Fachbereich <strong>Soziale</strong><br />

<strong>Arbeit</strong>, wirkten folgende Personen in der<br />

Diskussionsrunde mit:<br />

– Daniel Bichsel, Finanzverwalter Gemeinde<br />

Zollikofen, Vizepräsident Verband<br />

Bernisches Gemeindekader BGK<br />

– Andrea Lüthi, Geschäftsleiterin <strong>Berner</strong><br />

Konferenz für Sozialhilfe und Vormundschaft<br />

BKSV, Grossrätin SP<br />

– Blaise Kropf, Gewerkschaftssekretär<br />

vpod, Präsident Grüne Kanton Bern,<br />

Grossrat<br />

– André Gattlen, stellvertretender Vorsteher<br />

des Sozialamtes des Kantons Bern<br />

Das Publikum erhielt anschliessend Gelegenheit,<br />

Fragen zu stellen und die eigene<br />

Meinung einzubringen. Das Bonus­Malus­<br />

System, dessen Chance auf eine Mehrheit<br />

im Grossen Rat intakt scheint, fand mehr<br />

befürwortende Stimmen als das ebenfalls<br />

diskutierte Selbstbehaltsmodell. Es war<br />

aber spürbar, dass etliche Anwesende<br />

Bedenken hegen und Optimierungsbedarf<br />

sehen.<br />

Stimmen zur Veranstaltung<br />

«Obwohl für mich der Bonus­Malus das<br />

kleinere Übel ist, bin ich kritisch, weil<br />

ein nachhaltiger Mitteleinsatz wichtiger<br />

sein sollte als die Frage, wie viel Geld wir<br />

ausgeben.»<br />

Liliane Zurflüh<br />

Leiterin regionaler Sozialdienst Erlach<br />

«Ich sehe auch viele Gefahren im Bonus­<br />

Malus­System, weil es Mitarbeitende unter<br />

Druck setzen kann.»<br />

Katharina eichelberger<br />

Sozialamt Langenthal<br />

«Das Bonus­Malus­System scheint ein<br />

gangbarer Weg und eine gute Diskussionsgrundlage<br />

für weitere Optimierungen zu<br />

sein.»<br />

Beatrice reusser<br />

Leiterin Abteilung <strong>Soziale</strong>s Biel und Vizepräsidentin der<br />

<strong>Berner</strong> Konferenz für Sozialhilfe und Vormundschaft<br />

«Ich bin froh, dass das vorgeschlagene<br />

Anreizsystem Bewährtes – Solidarität im<br />

Lastenausgleich – nicht in Frage stellt.»<br />

Andreas Diggelmann<br />

Leiter Sozialdirektion Burgdorf<br />

<strong>impuls</strong> September 2010<br />

11

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!