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impuls - Soziale Arbeit - Berner Fachhochschule

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ForSChuNG<br />

Vormundschaftsgeschäfte. In diesem Aufgabenfeld<br />

befasst sich die Behörde – im<br />

Gegensatz zum Feld der Sozialhilfe – mit<br />

dem einzelnen Personenfall und ist damit<br />

in operative Geschäfte involviert. Die<br />

Untersuchungsergebnisse zeigen, dass<br />

dieser Spagat zwischen operativ (Vormundschaft)<br />

und strategisch (Sozialhilfe)<br />

besser zu bewältigen ist, wenn einige<br />

Grundsätze beachtet werden: Vormundschaftsgeschäfte<br />

weisen eine andere<br />

Dynamik auf als Sozialhilfegeschäfte. Sie<br />

sind konkret lebensnah und lassen sich oft<br />

nicht aufschieben. Bei Sozialhilfegeschäften,<br />

insbesondere im Bereich der institu ­<br />

tio nellen Sozialhilfe, geht es teils um abstrakte<br />

Analyse, Planung und Steuerung.<br />

Wegen dieser unterschiedlichen Dynamik<br />

sind im Alltag der Behörden Massnahmen<br />

dafür vorzusehen, dass das strategische<br />

Denken und Handeln nicht durch das<br />

dynamische operative Vormundschaftsgeschäft<br />

dominiert und verdrängt wird. Weiter<br />

ist zu verhindern, dass Sozialbehörden<br />

mit der Doppelrolle Sozialhilfe und Vormundschaft<br />

ihr operatives, auf den Einzelfall<br />

bezogenes Wirken im Aufgabenfeld<br />

Sozialhilfe fortsetzen. Schliesslich beinhaltet<br />

die Doppelrolle der Sozialbehörden<br />

auch ein beträchtliches Potenzial für Rollenkonflikte,<br />

etwa dann, wenn eine Kommission<br />

in der Rolle der Vormundschaftsbehörde<br />

dem Sozialdienst, den sie als<br />

Sozialbehörde strategisch steuert, einen<br />

klientenbezogenen Auftrag erteilt.<br />

Wegen dieser Rollenkonflikte und weil<br />

die Handhabung der Vormundschaftsgeschäfte<br />

hohe inhaltliche Ansprüche an<br />

die Sozialbehörden stellt, sieht ein Teil der<br />

in dieser Untersuchung Befragten grosse<br />

Vorteile in der Übertragung der Aufgaben<br />

im Vormundschaftsbereich an eine neue<br />

Fachbehörde, wie sie das revidierte Vormundschaftsrecht<br />

vorsieht. Gleichzeitig<br />

wird diese bald bevorstehende Erneuerung<br />

für viele Sozialbehörden ein Überdenken<br />

ihrer bleibenden Aufgaben und damit<br />

einhergehend ihrer Organisationsstruktur<br />

bedeuten.<br />

Verankerung der Sozialhilfe<br />

in der Bevölkerung<br />

Sozialbehörden sollen die Sozialdienste in<br />

ihrer Aufgabenerfüllung beaufsichtigen<br />

und unterstützen. Die Ergebnisse dieser<br />

Untersuchung zeigen auf, dass die Behörden<br />

die Aufsichtsrolle besser wahrnehmen<br />

können als die Unterstützungsrolle. Die<br />

Laienbehörde kann in fachlichen Fragen<br />

naturgemäss nur beschränkt mitargumentieren<br />

und ist in diesem Sinn in der Regel<br />

im operativen Geschäft nur bedingt ein<br />

unterstützender Partner. Die Unterstützungsfunktion<br />

ist auf strategischer Ebene<br />

anzulegen: Idealerweise sind Sozialbehör­<br />

26<br />

<strong>impuls</strong> September 2010<br />

den Garanten für die Güte der lokalen bzw.<br />

regionalen Sozialpolitik. Diese Form der<br />

Unterstützung wird etwa dann sichtbar,<br />

wenn ein Behördenmitglied öffentlich die<br />

Gründe für den Ausbau des Sozialdienstes<br />

oder eines <strong>Arbeit</strong>sprojektes darlegt und<br />

damit diesen Institutionen für ihre Praxis<br />

den Rücken stärkt. Diese Brückenfunktion<br />

der Sozialbehörde zwischen sozialen Institutionen<br />

und Bevölkerung ist nicht zu unterschätzen.<br />

Es scheint, dass eine lokale<br />

oder regionale Sozialbehörde rein durch<br />

ihre Existenz eine das Sozialwesen stützende<br />

Funktion einnimmt. Dies zeigt sich in<br />

der Diskussion um Sozialhilfemissbrauch.<br />

In den Interviews wiesen verschiedene<br />

Beteiligte darauf hin, dass öffentlich geführte<br />

«Missbrauchsdebatten» in ihren<br />

Gemeinden nicht vorkämen oder rasch<br />

beruhigt werden könnten, weil die Behörden<br />

die wirkungsvolle Aufsicht der Sozialdienste<br />

konkret nachweisen können. Die<br />

Sozialbehörden an der Schnittstelle zwischen<br />

sozialen Institutionen und der Bevölkerung,<br />

zwischen Verwaltung und Politik<br />

spielen hier eine wichtige Rolle. Es erstaunt<br />

nicht, dass die sogenannte Dossierkontrolle<br />

– die stichprobenweise Kontrolle<br />

der Rechtmässigkeit des Bezugs staatlicher<br />

Unterstützung – von den befragten<br />

Behörden als eine ihrer Kerntätigkeiten<br />

dargestellt wird. Sie ist klar fassbar und<br />

konkret ausführbar.<br />

Sozialbehörden erfüllen wichtige Aufgaben<br />

an zentralen Schnittstellen des<br />

Gesellschaftssystems: Am Schnittpunkt<br />

von Öffentlichkeit und Verwaltung sowie<br />

am Schnittpunkt von Laienverständnis und<br />

professionellem Verständnis von sozialer<br />

Hilfe. Sie steuern und kontrollieren soziale<br />

Dienste und Institutionen und können<br />

dabei als Garanten einer passenden,<br />

rechtmässigen Sozialhilfe wirken. Diese<br />

Position bildet die Basis ihrer zweiten<br />

Aufgabe: die Sozialdienste unterstützend<br />

zu steuern und zu begleiten.<br />

Der Forschungsbericht «Sozialbehörden im Kanton Bern»<br />

kann unter forschung.soziale­arbeit@bfh.ch bestellt<br />

werden.<br />

Vier Formen von<br />

organisationsstrukturen<br />

der Sozialbehörden<br />

Eine systematische Standortbestimmung<br />

zur <strong>Arbeit</strong> der Sozialbehörden im Kanton<br />

Bern muss sich auf eine hohe Variationsbreite<br />

betreffend Grösse des Einzugsgebietes,<br />

Organisationsformen und<br />

Organisationsgefässen, Entscheidungskompetenzen<br />

sowie inhaltlicher Zuständigkeit<br />

der Sozialbehörden einlassen.<br />

Im Rahmen der hier vorgestellten Studie<br />

wird eine Typologie der Sozialbehörden,<br />

die entlang der Dimension der «inhaltlichen<br />

Zuständigkeit der Behörden»<br />

entwickelt wurde, dargestellt. In der<br />

schrift lichen Befragung wurden die Behördenpräsidentinnen<br />

und ­präsidenten<br />

gefragt, in welchen der drei Aufgabenfelder<br />

– institutionelle Sozialhilfe, individuelle<br />

Sozialhilfe und Vormundschaft –<br />

sie tätig sind. Die Typologie beschreibt<br />

vier Behördenmodelle:<br />

Modell 1 – «eine Behörde<br />

für soziale Aufgaben»<br />

Die Sozialbehörde bearbeitet alle drei<br />

Aufgabenfelder (institutionelle Sozialhilfe,<br />

individuelle Sozialhilfe und Vormundschaft).<br />

Modell 2 – «Behörde<br />

für die Sozialhilfe»<br />

Die Sozialbehörde ist ausschliesslich in<br />

der Sozialhilfe tätig, nämlich in den<br />

Aufgabenfeldern institutionelle Sozialhilfe<br />

und individuelle Sozialhilfe.<br />

Modell 3 – «Behörde<br />

für die institutionelle Sozialhilfe<br />

und die Vormundschaft»<br />

Die Sozialbehörde bearbeitet die <strong>Arbeit</strong>sfelder<br />

institutionelle Sozialhilfe und Vormundschaft.<br />

Modell 4 – «Behörde<br />

für die institutionelle Sozialhilfe»<br />

Die Sozialbehörde ist ausschliesslich für<br />

die institutionelle Sozialhilfe zuständig.<br />

www.soziale­arbeit.bfh.ch/forschung

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