impuls - Soziale Arbeit - Berner Fachhochschule
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FAChBereICh<br />
Gastbeitrag<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> ist …<br />
von regula Mader<br />
Regula Mader, Rechtsanwältin,<br />
Regierungs statthalterin des Amtsbezirks Bern<br />
2000 bis 2009,<br />
regula.mader@bluewin.ch<br />
14<br />
<strong>impuls</strong> September Juni 2010 2010<br />
… mehr. Ja, <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> ist mehr! Mehr<br />
als gewisse Politiker (männlich) immer<br />
wieder undifferenziert von sich geben und<br />
gewisse Medien ebenso undifferenziert<br />
verbreiten. <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> ist viel mehr.<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> ist eine Profession, eine<br />
Fachwissenschaft und eine Form von praktizierter<br />
Sozialpolitik. Als Profession versucht<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong>, praktische soziale<br />
Probleme zu lösen, zu lindern und zu verhindern;<br />
sie stützt sich dabei auf wissenschaftliche<br />
Grundlagen. <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong><br />
umfasst Sozialarbeit, Sozialpädagogik und<br />
soziokulturelle Animation. In ihrer Form<br />
als praktizierte Sozialpolitik liegt eines der<br />
Spannungsfelder, in welchem sich <strong>Soziale</strong><br />
<strong>Arbeit</strong> bewegt, nämlich zwischen gesellschaftlichen<br />
Anforderungen, der wirtschaftlichen<br />
Situation und den konkreten<br />
Bedürfnissen der beteiligten Personen.<br />
Und in diesem Spannungsfeld bewegen<br />
sich auch die Fachpersonen, die Sozialarbeiterinnen<br />
und Sozialarbeiter.<br />
Basis der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> sind die verfassungsmässigen<br />
Grundrechte. «Grundrechte<br />
signalisieren unmittelbar auf den Menschen<br />
bezogene Grundbedürfnisse, deren<br />
sich Recht und Staat annehmen müssen.<br />
Sie tun dies etwa, indem sie jeden Menschen<br />
als Subjekt mit Anspruch auf Existenz<br />
(Recht auf Leben), als Träger einer<br />
besonderen Würde und als Rechtsperson<br />
anerkennen», so Jörg Paul Müller in seinen<br />
Elementen einer schweizerischen Grundrechtstheorie.<br />
Im Zentrum der <strong>Soziale</strong>n<br />
<strong>Arbeit</strong> (und jeder anderen Tätigkeit, also<br />
auch der politischen <strong>Arbeit</strong>) steht die Würde<br />
des Menschen als wichtigster Grundwert<br />
und Wurzel aller Grundrechte. Diese<br />
Würde gilt absolut und darf nicht beschränkt<br />
werden. Menschenwürde bringt<br />
zum Ausdruck, was das Individuum aufgrund<br />
seines Menschseins von der Gemeinschaft<br />
fordern kann.<br />
Grundrechte gestalten unsere Gesellschaft<br />
und unser politisches System. Sie<br />
gewährleisten die subjektiven Rechte des<br />
einzelnen Menschen und basieren auf der<br />
Solidarität und dem Respekt einer Gesellschaft.<br />
Sie sind der Kern der staatlichen<br />
Ordnung. Eine der Begründerinnen der<br />
<strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong>, die Friedensnobelpreisträ<br />
gerin Jane Addams, hat in diesem Zusammenhang<br />
von einer Ethik der Zusammengehörigkeit<br />
gesprochen. Ziel und Aufgabe<br />
der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong> sei die Ethik der Zusammenarbeit,<br />
welche die Demokratie ins<br />
soziale Leben übertragen und damit zum<br />
Fortschritt der Menschheit sowie zur Lösung<br />
sozialer Probleme beitragen müsse.<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> ist also Umsetzung der<br />
Grundrechte im Alltag. Zentral sind dabei<br />
die Rechtsgleichheit, die Verhältnismässigkeit,<br />
das Legalitätsprinzip, das Willkürverbot,<br />
Treu und Glauben, die Verfahrensgerechtigkeit<br />
und viele mehr. Diese<br />
Umsetzung der Grundrechte fordert die<br />
Fachpersonen der <strong>Soziale</strong>n <strong>Arbeit</strong>. Sie<br />
fordert eine laufende Auseinandersetzung<br />
mit Grundfragen unserer Gesellschaft und<br />
der politischen Realität, so widrig diese<br />
sich auch äussert. Sie fordert die Auseinandersetzung<br />
mit der eigenen Profession<br />
und der Rolle dieser Profession im gesellschaftlichen<br />
Alltag. Sie fordert im Kontakt<br />
mit anderen Menschen Solidarität und<br />
Respekt. Sie fordert korrekte Anwendung<br />
der gesetzlichen Grundlagen auf Basis der<br />
Grundrechte. Sie fordert Vernetzung,<br />
Konkretisierung und Differenzierung. Sie<br />
fordert ein gesellschaftspolitisches Engagement<br />
aller Kritik zum Trotz. Sie fordert<br />
eine Auseinandersetzung mit sich selber,<br />
der eigenen Rolle, Geschichte und Erwartungen.<br />
Sie fordert viel und noch viel mehr.<br />
<strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> ist mehr. Sie trägt bei zur<br />
Lösung sozialer Probleme. Dabei stehen<br />
den Beteiligten unterschiedliche Ressourcen<br />
zur Verfügung und sie bewegen sich<br />
innerhalb unterschiedlicher Machtverhältnisse.<br />
Die bestehenden Ressourcen müssen<br />
erschlossen, Handlungskompetenzen<br />
entwickelt, die soziale Vernetzung gefördert<br />
werden. Gesellschaftliche Wertfragen<br />
und der Umgang mit Macht stehen im<br />
Fokus. Und dies alles unter kritischer Beobachtung<br />
der Öffentlichkeit, welche via<br />
Medien informiert wird; teilweise leider<br />
undifferenziert und stark personenfokussiert.<br />
Im Zentrum steht die Würde des Menschen.<br />
Die Würde des Menschen ist unantastbar;<br />
die Würde aller Menschen, auch<br />
derjenigen, die <strong>Soziale</strong> <strong>Arbeit</strong> leisten.