SOCIETY 369 / 2016
Nr. 369 I Nr. 1 - 2016
Nr. 369 I Nr. 1 - 2016
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DIPLOMATIE<br />
INTERVIEW<br />
»Ich denke es ist hilfreich<br />
für den Dialog<br />
zwischen den betroffenen<br />
Ländern, wenn<br />
es eine solche „Dialog-<br />
und Mediations-<br />
Plattform“ gibt.<br />
«<br />
Was sind die aktuellen Herausforderungen<br />
rund um das Thema Migration?<br />
Im Prinzip sind es insgesamt vier große Themenbereiche,<br />
die in Sachen Migration in der<br />
Gegenwart entscheidend sind: das Wiedererlangen<br />
der Kontrolle über die Flüchtlingsströme,<br />
das Bekämpfen des Schlepperwesens und die<br />
Entwicklung von nachhaltig wirksamen Schutzmechanismen,<br />
die Überprüfung der Richtigkeit<br />
und Funktionalität der Flüchtlingsstatus-Bestimmung<br />
samt entsprechender Aufnahme, wie auch<br />
– wenn notwendig – Rückführungsmodalitäten.<br />
Die Sicherstellung davon, dass jene, die bleiben<br />
werden, auch die Rechte und Möglichkeiten für<br />
ihre Integration und Partizipation erhalten und<br />
dass die Verpflichtungen für beide Seiten – Gesellschaft<br />
und Migranten – klar sind.<br />
Dafür ist eine erfolgreiche Integration im Arbeitsmarkt<br />
und im Ausbildungssystem Voraussetzung;<br />
nur so können wir Radikalisierung und<br />
eine ausgegrenzte Jugend verhindern.<br />
Die Entwicklung eines neuen Migrations-Regimes<br />
mit klaren Vorstellungen von den Zielen und<br />
Wegen, auf denen wir sie erreichen können – in<br />
Solidarität und mit klar verteilten Verantwortlichkeiten.<br />
Und was sind die neuen Akzente, die Sie in Zukunft<br />
mit dem ICMPD setzen wollen?<br />
Ich möchte das ICMPD in Zukunft um zwei zusätzliche<br />
Handlungsfelder und Aufgaben erweitern:<br />
Erstens wissen wir alle, dass es zur Lösung<br />
CURRICULUM<br />
VITAE<br />
Einige Jahre nach seinem<br />
Studium der Rechtswissenschaften<br />
an der Universität<br />
Wien stieg der in der<br />
Hinterbrühl aufgewachsene<br />
und auch heute noch dort<br />
lebende Dr. Michael Spindelegger<br />
nach Vorbild seines<br />
Vaters 1987 in die Politik<br />
ein. Zu seinen wichtigsten<br />
Positionen zählt jene des<br />
Außenministers von 2008<br />
bis 2013, wie auch ab 2011<br />
die des Vizekanzlers und<br />
ÖVP-Bundesparteiobmanns.<br />
Von 2013 bis zu seinem<br />
Rücktritt von sämtlichen<br />
Ämtern im August 2014<br />
war er Finanzminister. Seit<br />
Jänner diesen Jahres ist er<br />
Generaldirektor des Internationalen<br />
Zentrums für<br />
Entwicklung und Migrationspolitik.<br />
Dr. Spindelegger<br />
ist verheiratet und hat zwei<br />
Söhne.<br />
Dr. Michael Spindelegger<br />
mit Sebastian Kurz<br />
der gegenwärtigen Situation einen umfassenden<br />
Ansatz braucht. Es wird nicht ausreichen, nur an<br />
einzelnen Stellrädern anzusetzen. Das würde bedeuten,<br />
die Dimension und die Komplexität der<br />
Situation zu verkennen. Es bedarf einer umfassenden<br />
Lösung, die vom Ursprung des Konfliktes<br />
bis zu den Ankunftsländern reicht.<br />
Nachdem aber jedes Land mit seinen nationalen<br />
Interessen auch „Partei“ ist, braucht es eine<br />
überparteiliche Plattform. Eine Plattform, die<br />
jenseits von nationalen Interessen analysiert,<br />
agieren und vermitteln kann. Für diese Rolle<br />
möchte ich das ICMPD in Zukunft weiterentwickeln<br />
und den verschiedenen Staaten anbieten.<br />
Ich denke es ist hilfreich für den Dialog zwischen<br />
den betroffenen Ländern, wenn es eine solche<br />
„Dialog- und Mediations-Plattform“ gibt!<br />
Zum zweiten müssen wir uns für zukünftige<br />
Entwicklungen besser wappnen. Es muss uns gelingen,<br />
gewisse Entwicklungen vorausschauend<br />
zu erkennen. Wir müssen aus dem ständigen<br />
„Reagieren“ endlich zu einem vorausschauenden<br />
„Agieren“ kommen. Und agieren kann man<br />
nur auf Basis gesicherter Erkenntnisse. Deshalb<br />
kann es nur im Interesse aller sein, wenn wir in<br />
Zukunft noch mehr darauf achten, kommende<br />
Entwicklungen so rechtzeitig wie möglich zu erkennen.<br />
In diesem Sinn wollen wir einen ICMPD-Think<br />
Tank gründen, der sich vor allem mit den zukünftigen<br />
Entwicklungen von Migration beschäftigt.<br />
Dieser Think Tank soll sich mit Fragestellungen<br />
auseinandersetzen, die über einzelne Nationen<br />
und auch über die EU hinausgehen. Es geht um<br />
einen möglichst breiten Blickwinkel, denn nur<br />
so werden sich die großen Migrationsentwicklungen<br />
der Zukunft erkennen lassen.<br />
Das Interview mit dem Generaldirektor von<br />
ICMPD, Vizekanzler a.D. Dr Michael Spindelegger<br />
führte der stellvertretende Chefredakteur, Botschafter<br />
i.R. Dr. Christian Berlakovits. •<br />
<strong>SOCIETY</strong> 1_<strong>2016</strong> | 93