Perspektivwechsel Empowerment
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„Wir brauchen Räume für Frauen – überall!“<br />
– ein Interview mit Jennifer Kamau, International Women’s Space<br />
Das Interview führte: Tahera Ameer<br />
International Women’s Space (IWS) Berlin ist eine feministische politische Gruppe, bestehend aus Migrantinnen<br />
und geflüchteten Frauen und Frauen ohne Migrations-/Fluchterfahrung. Sie arbeitet gegen Rassismus,<br />
Sexismus und andere intersektionale Machtstrukturen. Sie gründete sich im Rahmen der Oranienplatz-Bewegung<br />
als eine Gruppe von Geflüchteten im Dezember 2012, die die leerstehende Gerhart-Hauptmann-Schule<br />
in Berlin-Kreuzberg besetzte. Dem voraus war ein von Geflüchteten organisierter Protestmarsch von Würzburg<br />
nach Berlin gegangen, der am 6. Oktober 2012 den Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg als Ziel erreichte.<br />
Zwischen Oktober 2012 und April 2014 besetzen hier in selbst errichteten Zelten Geflüchtete den Raum und<br />
stritten für ihre Rechte. Im April 2014 räumte die Berliner Bezirksregierung das Camp auf dem Oranienplatz.<br />
Im Juni 2014 wurde die Gerhart Hauptmann Schule geräumt. Einige Aktivist/-innen vereinbarten mit dem<br />
Bezirk, die Schule weiterhin nutzen zu dürfen. Seit vielen Jahren gibt es Verhandlungen über die Gründung<br />
eines International Refugee‘s Center in der Schule.<br />
In dem folgenden Interview erzählt Jennifer Kamau von IWS von ihrer Arbeit und verdeutlicht ihre Perspektiven<br />
auf die Themen Gewalt gegen Frauen und <strong>Empowerment</strong>-Arbeit.<br />
Was macht International Women’s Space und<br />
warum habt Ihr damit angefangen?<br />
Es ist wichtig zu betonen, dass IWS Teil der Oranienplatz-Bewegung<br />
war. Die Gerhart-Hauptmann-Schule<br />
zu besetzen, hatte einen großen Symbolwert für uns.<br />
Denn im Zuge dieser Besetzung wurde klar, dass es<br />
die Notwendigkeit gab, als Frauen für einen Raum zu<br />
kämpfen, in dem wir einfach zusammenkommen können,<br />
reden können, und verstehen was Frauen widerfährt,<br />
die dem System ausgesetzt sind. In was für eine<br />
Situation bringt das System Frauen? Wenn wir darüber<br />
reden, dass wir in der Gerhart-Hauptmann-Schule angefangen<br />
haben, muss jede/-r verstehen, dass das eine<br />
sehr stark männlich dominierte Struktur war. Ein Raum<br />
für Frauen, das war ein alltäglicher Kampf, den wir über<br />
17 Monate geführt haben. Wir sind Teil des Prozesses<br />
gewesen, die Gerhart-Hauptmann-Schule zu etablieren.<br />
In den Verhandlungen mit dem Bezirk waren wir<br />
die einzige organisierte Gruppe. Das war für uns ein<br />
sehr großer Erfolg. Genau das hat den Leuten auch<br />
sehr deutlich gemacht, und wir haben das betont: wir<br />
sind Frauen, die über eigene Räume reden und sie auch<br />
schaffen. Wir gehen mit gutem Beispiel voran.<br />
Unser Beratungskonzept war, dass immer jemand im<br />
Büro war, damit jede Refugee-Frau irgendwo auf der<br />
Suche nach unserem Raum immer jemanden im Büro<br />
treffen würde. Und das machten wir für einen anhaltenden<br />
Zeitraum. Es entwickelte sich wegen des<br />
Bedarfs an Schlafplätzen weiter. Es gab Frauen, die<br />
waren in völlig isolierten Sammelunterkünften untergebracht.<br />
Überall in Deutschland. Und aus unterschiedlichen<br />
Gründen wollten die Frauen aus diesen<br />
Sammelunterbringungen raus und nach Berlin: weil sie<br />
einen Anwalt brauchten oder medizinische Behandlung,<br />
oder einfach nur die Tatsache, dass sie die Struktur<br />
durchbrechen wollten, eine bestimmte Situation<br />
auferlegt zu bekommen und ihren eigenen Weg in die<br />
Stadt suchten. Dabei gab es Frauen, für die der IWS eine<br />
Durchgangsstation war und andere, die blieben. Aber<br />
wir hatten immer verzweifelte Frauen, zum Beispiel<br />
diejenigen, die aus Lampedusa kamen. Die waren gerade<br />
in Deutschland angekommen und konnten sonst<br />
nirgends hingehen. In diesem Raum zu sein war besser,<br />
als irgendwo sonst zu sein. Und wir organisierten<br />
auch unsere eigenen Workshops mit Anwält/-innen.<br />
Das war für die Frauen sehr wichtig, um zu verstehen,<br />
was im Asylsystem tatsächlich passierte, und um die<br />
Frauen anzuleiten, wie sie ihre Anträge machen sollten.<br />
Wir hatten samstags unser wöchentliches Plenum. Wir<br />
hatten Deutschkurse für die Frauen und es gab unterschiedliche<br />
Aktivitäten: einmal Selbstverteidigung,<br />
ein anderes Mal eine Strick-Runde. All das passierte<br />
innerhalb dieser 17 Monate und wir sahen, wie es funktionieren<br />
kann. Denn als wir mit dem IWS anfingen,<br />
wusste niemand, wie das funktionieren würde. Das<br />
was für jede von uns etwas vollkommen Neues. Aber<br />
wichtig war, dass der IWS unterschiedliche Frauen aus<br />
unterschiedlichen Teilen der Welt zusammenbrachte,<br />
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