stahlmarkt 02.2017 (Februar)
Aus dem Inhalt: Steel International / Stahlstandort Deutschland / Stahlhandel & Stahl-Service-Center / IT, Digitalisierung / Trennende Fertigungsverfahren
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18 K Branchenberichte<br />
Autoindustrie will Zukunftsthemen<br />
offensiv angehen<br />
Stabiler deutscher Markt auch für 2017 in Sicht<br />
Berlin. Die deutsche Autoindustrie steht vor schweren Aufgaben.<br />
Verbandspräsident Wissmann gibt sich zuversichtlich, dass die exportstarke<br />
Branche die Basis für eine erfolgreiche Zukunft geschaffen hat.<br />
Die Herausforderungen für die Autoindustrie<br />
sind enorm. Digitalisierung, Elektromobilität<br />
und damit einhergehend autonomes<br />
Fahren und völlig neue Dienstleistungen<br />
sind die Stichworte. Nur scheinbar ist<br />
dies die Welt von morgen, denn begonnen<br />
hat sie längst. Automobile: das sind in<br />
durchaus absehbarer Zeit elektrisch angetriebene,<br />
mit ihrer Umwelt und ihren Artgenossen<br />
digital vernetzte Produkte, die selbst<br />
fahren und sich selbst kontrollieren. Der<br />
Autobranche könnte die Disruption drohen.<br />
Sie könnte mit ihrer<br />
traditionellen Technologie<br />
künftig vollständig<br />
verdrängt<br />
sein durch Innovation<br />
von fremder Seite<br />
– zerrissen also,<br />
englisch disrupted.<br />
Diese digitale Innovation<br />
war der Autoindustrie bis vor einigen<br />
Jahren in weiten Teilen eher suspekt. Sie<br />
passte nicht zu ihrem Selbstverständnis.<br />
Inzwischen ist erkennbar, dass die Autohersteller<br />
wohl oder übel in diese neue Welt<br />
mit deren nicht nur neuen Technologien,<br />
sondern auch neuen Denkweisen und Führungskulturen,<br />
eingetaucht sind – und auch<br />
eintauchen mussten, wollen sie nicht von<br />
Apple und Google abgelöst werden. Die<br />
deutschen Autokonzerne, die mit ihren Premiumprodukten<br />
eine führende Position<br />
weltweit zu verteidigen haben, sind allesamt<br />
mitten im Umbruch. Hohe Milliardenbeträge<br />
sind verfügbar, um nicht den Anschluss zu<br />
verlieren, um den Prozess mitzugestalten<br />
und schließlich in dessen weiteren Verlauf<br />
wieder eine Art Oberhoheit wie bisher zu<br />
gewinnen. Ein harter Weg – darin sind sich<br />
die Beteiligten einig. Niemand weiß, in welchem<br />
Ausmaß Arbeitsplätze bedroht sind,<br />
wie sich die Zulieferer und darunter insbesondere<br />
der Mittelstand behaupten kann.<br />
Bisher ist bei fast allen Beteiligten vorsichtiger<br />
Optimismus angesagt, darunter auch<br />
beim Verband der Automobilindustrie<br />
(VDA), der dazu schon von Amtswegen verpflichtet<br />
ist. VDA-Präsident Matthias Wissmann<br />
predigt eine »Offensivstrategie für die<br />
Mobilität von morgen«. Er bemüht den im<br />
14. Jahrhundert lebenden italienischen<br />
»<br />
An allen seit 2010 weltweit erteilten Patenten im<br />
Bereich vernetztes und automatisiertes Fahren hat die<br />
deutsche Automobilindustrie einen Anteil von 58 %.<br />
Diese Position wollen wir weiter ausbauen.<br />
Matthias Wissmann, Präsident, Verband der Automobilindustrie (VDA)<br />
Dichter Dante Alighieri, um die Performance<br />
seiner Branche zu belegen: »Der eine wartet,<br />
dass die Zeit sich wandelt, der andere<br />
packt sie kräftig an und handelt.«<br />
Patentweltmeister beim<br />
vernetzten Fahren<br />
Wissmann verweist darauf, dass die deutsche<br />
Automobilindustrie bereits heute Patentweltmeister<br />
beim vernetzten und automatisierten<br />
Fahren ist: »An allen seit 2010<br />
weltweit erteilten Patenten auf diesem Feld<br />
hat sie einen Anteil von 58 %. Diese Position<br />
wollen wir weiter ausbauen.« Unter den<br />
Top-Ten im internationalen Patent-Ranking<br />
»Autonomes Fahren« fänden sich gleich<br />
sechs deutsche Unternehmen: Audi, BMW,<br />
Daimler und Volkswagen sowie die beiden<br />
Zulieferer Bosch und Continental. Wissmann:<br />
»Wir investieren in die Digitalisierung<br />
in den nächsten drei bis vier Jahren 16 bis<br />
18 Mrd. €.« Die Branche habe die Vorteile<br />
der Digitalisierung verinnerlicht, sie seien<br />
überzeugend: Wenn die Fahrzeuge miteinander<br />
vernetzt seien, könnten die Unfallzahlen<br />
deutlich gesenkt werden. Derzeit seien<br />
90 % der Unfälle auf menschliches Fehlverhalten<br />
oder Fehleinschätzungen zurückzuführen.<br />
Wissmann: »Sicherheit ist also das<br />
Hauptargument für die Digitalisierung. Hinzu<br />
kommen Komfort- und Effizienzaspekte.<br />
So könnten durch vernetztes Fahren in<br />
Deutschland 20 % der Staus vermieden<br />
werden. Digitalisierung und Vernetzung<br />
bringen neue Geschäftsmodelle mit sich.<br />
Daten werden als das neue Öl gehandelt,<br />
nur weiß noch keiner so genau, wie man es<br />
fördern soll.« Die Automobilindustrie werde<br />
auch künftig bei der Generierung von Daten<br />
im Fahrzeug gleichermaßen Fahrzeugsicherheit<br />
und Datenschutz gewährleisten.<br />
Was die Elektromobilität angehe, bei der<br />
Kritiker oftmals vorbringen, die deutsche<br />
Branche hinke hinter der Konkurrenz her<br />
bzw. habe wichtige Bereiche verschlafen, so<br />
gibt sich der VDA-Präsident ebenfalls zuversichtlich:<br />
Bis 2020 investiere die deutsche<br />
Autoindustrie über 40 Mrd. € in alternative<br />
Antriebe. Bis dahin würden die deutschen<br />
Automobilhersteller ihr Modellangebot an<br />
E-Autos mehr als verdreifachen – von derzeit<br />
30 Modellen auf knapp 100. Schon 2019<br />
werde der Elektroantrieb in praktisch allen<br />
Baureihen vertreten sein. Heute seien 98 %<br />
des gesamten Pkw-Bestands in Deutschland<br />
Autos mit Verbrennungsmotor. Dies gelte<br />
auch für die Neuzulassungen. Der Anteil von<br />
Elektrofahrzeugen liege noch unter 1 %. Es<br />
ist noch nicht lange her, da gingen Experten<br />
davon aus, dass im Jahr 2025 etwa 3 % der<br />
neu zugelassenen Pkw über einen Elektroantrieb<br />
verfügen würden. »Wir sind heute<br />
davon überzeugt, dass die Entwicklung<br />
wesentlich schneller erfolgen wird und rechnen<br />
damit, dass im Jahr 2025 etwa 15 bis<br />
25 % der Neuzulassungen elektrisch unter-<br />
<strong>stahlmarkt</strong> 2.2017