Mitteilungsblatt - Deutscher Altphilologenverband
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immer mehr außerhalb der deutschen Grenzen.<br />
Produkte „Made in Germany“ gibt es kaum<br />
noch. Sie werden verdrängt durch Produkte<br />
„Made for Siemens usw.“. Die hohe deutsche<br />
Exportquote von 12 % des Welthandels täuscht<br />
also ein hohes nationales Fertigungsvolumen<br />
weitgehend nur noch vor.<br />
Diese globale Ausrichtung der modernen Großunternehmen<br />
verläuft einerseits so, daß in den<br />
ausländischen Zukunftsmärkten Töchter neu<br />
gegründet werden (globale Lokalisierung nannte<br />
der Sony-Chef Movita die Strategie) oder daß<br />
dort bestehende Unternehmen gleichsam an<br />
Kindesstatt angenommen werden. Eine andere<br />
Entwicklung führt zu einem wechselnden Beziehungsgeflecht<br />
von joint-ventures, Allianzen<br />
und Netzwerken größerer Unternehmen. Diese<br />
Entwicklung hat folgenden Hintergrund. Die<br />
Produktzyklen, also die Zeitspanne zwischen<br />
erster Produktidee, Entwicklung zur Serienreife<br />
und Präsentation am Markt, werden immer kürzer.<br />
Schnelligkeit ist ein immer wichtiger werdendes<br />
operatives Ziel. Der Schweizer Manager<br />
Maucher: „In Zukunft fressen nicht mehr die<br />
Großen die Kleinen, sondern die Schnellen die<br />
Langsamen.“ Gleichzeitig steigen die Entwicklungskosten<br />
wegen der Komplexität neuer Produkte<br />
immer mehr an. Infolgedessen sind auch<br />
Großunternehmen nicht mehr in der Lage, die<br />
riesigen Kapitalinvestitionen und Forschungsentwicklungen<br />
allein zu erbringen. Der Begriff<br />
„strategische Allianz“ ist zur Zeit in allen Führungsetagen<br />
Tagesthema.<br />
Neben den sog. Weltunternehmen, den Global<br />
Players, bringt diese Entwicklung noch einen<br />
anderen neuen Typ von Unternehmen hervor:<br />
das sog. virtuelle Unternehmen. Das klassische<br />
Unternehmen, das an einem Ort lokalisiert mit<br />
einer bestimmten Belegschaft ausgestattet, bestimmte<br />
Produkte oder Dienstleistungen schafft,<br />
wird immer mehr durch Unternehmen ersetzt,<br />
die nur aus einer agenturähnlichen Zentrale bestehen,<br />
die ihrerseits weltweit einzelne Elemente<br />
ihrer Produkte oder Dienstleistungen in Auftrag<br />
gibt, einkauft, irgendwo die Synthese der Einzelelemente<br />
herbeiführt und dann ein bunt zusammengewürfeltes<br />
Ergebnis auf dem Weltmarkt<br />
anbietet, sich vielleicht sogar noch dafür<br />
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eines speziellen Vertriebsunternehmens bedient.<br />
Ein Beispiel: Ein computer-chip einer kleineren<br />
US-amerikanischen Computer-Firma wird in<br />
Texas entwickelt, in London wird die Finanzierung<br />
geplant und abgesichert, auf den Philippinen<br />
wird der chip produziert und in Japan in<br />
einen lap-top eingebaut. Fluide Unternehmen<br />
dieses Typs sind lockere, projektbezogene Zusammenschlüsse<br />
von weltweit verteilten Einzelfirmen<br />
oder Einzelkämpfern. Die einzelnen<br />
Akteure stehen in einem schnell ablaufenden,<br />
interaktiven und informellen Lernprozeß. Die<br />
individuellen Lernfähigkeiten werden kombiniert,<br />
so daß das Innovationsvermögen der<br />
Gruppe größer ist als die Summe der Einzelpotenzen.<br />
Nach Abwicklung eines Projektes oder<br />
auch schon nebenher tun sich die Akteure mit<br />
anderen Kooperationspartnern zusammen.<br />
Diese Entwicklung geht einher mit dem, was die<br />
Fachleute Tertiarisierung der Wirtschaft nennen.<br />
Nach klassischem Verständnis verteilen sich die<br />
wirtschaftlichen Aktivitäten in einer Volkswirtschaft<br />
auf drei große Sektoren:<br />
• zunächst auf die sog. Urproduktion, wie<br />
Bergbau und Landwirtschaft, den sog. Primärsektor,<br />
• zweitens auf den Industrie- oder Produktionsbereich,<br />
den man als sekundären Sektor<br />
bezeichnet,<br />
• und schließlich auf den Dienstleistungssektor,<br />
also den tertiären Bereich, der wiederum<br />
mehrere unterschiedliche Teilregionen umfaßt.<br />
Die Entwicklungsgeschichte der deutschen wie<br />
auch anderer moderner Volkswirtschaften zeigt<br />
in der Regel folgenden Ablauf: Der früher dominante<br />
primäre Sektor (1850 machte er in<br />
Deutschland noch 50 % der gesamten wirtschaftlichen<br />
Aktivitäten aus) ist in seinen Anteilen<br />
immer weiter zurückgegangen und heute<br />
zur Bedeutungslosigkeit geschrumpft. Der industrielle<br />
Sektor, der mit seiner noch prägenden<br />
Bedeutung unserer Gesellschaft sogar den Namen<br />
Industriegesellschaft verschafft hat, liegt<br />
heute, gemessen an der gesamten Beschäftigung