Mitteilungsblatt - Deutscher Altphilologenverband
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steht über die in den deutschen Markt drängenden<br />
Hifi-Produkte aus Fernost mittelbar im<br />
Wettbewerb mit seinen koreanischen oder japanischen<br />
Kollegen. In jedem deutschen Produkt<br />
sind die hohen deutschen Gestehungskosten<br />
repräsentiert, in jedem koreanischen Modell die<br />
entsprechend niedrigeren fernöstlichen Werte.<br />
Beide Arbeitnehmergruppen konkurrieren ferner<br />
über den Produktwettbewerb auf dem Weltmarkt<br />
überall dort, wo neben den teuren deutschen<br />
Produkten die billigeren ausländischen<br />
Produkte im Regal stehen. Der deutsche EDV-<br />
Spezialist steht in unmittelbarer Konkurrenz mit<br />
dem über Online zeitnah zugänglichen Informatiker<br />
in Indien oder Kiew. Der deutsche Bauarbeitnehmer<br />
befindet sich auf der deutschen Baustelle<br />
in direkter Konfrontation mit den weit<br />
billigeren Arbeitskräften aus Portugal, von der<br />
illegalen Konkurrenz aus den Billiglohnländern<br />
ganz abgesehen. Und immer mehr wird der<br />
deutsche Akademiker-Arbeitsmarkt von exzellenten<br />
Bewerbern aus den EG-Staaten oder aus<br />
den USA bevölkert, sehr zum Nachteil der deutschen<br />
Jungakademiker, die wegen struktureller<br />
Nachteile schwer zu kämpfen haben.<br />
Dieser gleichsam globale Druck auf den deutschen<br />
Arbeitsmarkt ist nicht zeitlich begrenzt.<br />
Er wird eher noch zunehmen. Der Vorstandsvorsitzende<br />
der Siemens AG, von Pierer, sagt:<br />
„Der Wind von gestern ist heute zum Sturm<br />
geworden. Morgen wird daraus ein Orkan werden.“<br />
Die entscheidende Aufgabe für Wirtschaft, Politik<br />
und Gesellschaft wird darin bestehen, dieses<br />
Zentralproblem unseres Zeitalters angemessen<br />
zu lösen. Hierzu sind viele Einzelschritte<br />
erforderlich, die hier und jetzt zu behandeln zu<br />
weit führen würde. Entscheidend ist aber festzuhalten,<br />
daß auch im Zusammenhang mit dieser<br />
hier nur angedeuteten Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik<br />
die Entwicklung der nächsten<br />
Jahre zu gravierenden Veränderungen in der<br />
Arbeitslandschaft führen wird.<br />
Eine unmittelbare Folge des immensen weltweiten<br />
Konkurrenzdrucks ist eine ganze Welle<br />
von tiefgreifenden Umstrukturierungen in den<br />
deutschen Unternehmen. Die Chiffren dieser<br />
64<br />
Prozesse, die in den letzten Jahren nahezu alle<br />
Unternehmen erfaßt haben, Klein- und Mittelunternehmen<br />
ebenso wie große Unternehmen,<br />
lauten: lean management, total quality management,<br />
kontinuierliche Verbesserungsprogramme,<br />
reingeneering usw. All diesen Prozessen<br />
ist gemeinsam, daß sie die unternehmerischen<br />
Ziele, Abläufe und Ergebnisse einer unerbittlichen<br />
Effizienz- und Kostenkontrolle unterziehen,<br />
daß sie ferner eine Neuformulierung der<br />
unternehmerischen Ziele, insbesondere eine<br />
totale Orientierung am Kundeninteresse, beinhalten.<br />
Auf dieser Basis gelangen sie zu ganz<br />
neuen - eben schlanken - organisatorischen<br />
Strukturen und Arbeitsformen. Die massiven<br />
Personalfreisetzungen der letzten vier Jahre, die<br />
zum Verlust von über einer Million vor allem<br />
industrieller Arbeitsplätze geführt haben, haben<br />
dabei zum ersten Mal in größerem Umfange<br />
auch von Akademikern besetzte Positionen erfaßt.<br />
Die neuen organisatorischen Strukturen äußern<br />
sich z. B. in einer stark abgeflachten Hierarchie-<br />
Architektur. An die Stelle der klassischen Pyramide<br />
im Unternehmensaufbau mit vielen Führungsebenen<br />
ist das Bild eines Satellitenkranzes<br />
getreten, der sich um ein kleines Zentrum gruppiert.<br />
Dezentralisierung heißt das Zauberwort.<br />
Selbständige Einheiten mit klarer Sach- und<br />
Finanzverantwortung, sog. profit-centers und<br />
centers of excellence, haben die tycoonartigen<br />
Gebilde abgelöst.<br />
Auf der unteren operativen Ebene breitet sich<br />
mehr und mehr Gruppenarbeit aus. Es werden<br />
Teams von unterschiedlich qualifizierten Mitarbeitern<br />
gebildet, die autonom oder teilautonom<br />
auf relativ breiten Feldern der Produktion oder<br />
Dienstleistung selbständig agieren. Der nach<br />
dem taylorschen Prinzip der Arbeitsteilung zum<br />
Einzelkämpfer degenerierte klassische Arbeitnehmer<br />
wird zum Teamkollegen, der umfassende,<br />
vielfältige Aufgaben zu erledigen hat, aber<br />
auch völlig andere Kompetenzen aufweisen muß<br />
als der traditionelle Industriearbeiter. Die Arbeitsergebnisse<br />
dieser Gruppen liegen um 30 v.<br />
H. höher, die Arbeitskosten um 50 v. H. niedriger<br />
als in traditionell operierenden Konkurrenzunternehmen.