Mitteilungsblatt - Deutscher Altphilologenverband
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Er allein darf<br />
Den Guten lohnen,<br />
Den Bösen strafen,<br />
Heilen und retten,<br />
Alles Irrende, Schweifende<br />
Nützlich verbinden.<br />
(Goethe, Das Göttliche, 1783)<br />
Am nördlichen Rand dieser edlen Stadt der<br />
deutschen Klassik erhebt sich der Ettersberg mit<br />
seinen schattigen Buchen: ein lauschiger Buchenwald?<br />
Buchenwald - da durchzuckt es auch<br />
den beschaulichen Klassikschwärmer. So nah<br />
die Brutalität der Humanität? Weimar war 1932<br />
ein Hort der Nationasozialisten geworden. Nur<br />
fünf Jahre später begannen die ersten Häftlinge<br />
das Konzentrationslager Buchenwald zu füllen,<br />
als Unmenschen gezeichnet, gequält und entstellt.<br />
Fast sechzigtausend aus 32 Ländern erlagen<br />
bis Kriegsende den Mißhandlungen, dem<br />
Hunger und der Kälte. - Was ist der Mensch?<br />
Π�λλ� τ� δεινά, κ��δ�ν �ν-<br />
θρώπ�υ δειν�τερ�ν πέλει.<br />
(Sophokles, Antigone 332f.)<br />
Zukunft braucht Herkunft - und Sprache braucht Stimme<br />
Latinitas viva auf dem DAV-Kongreß in Jena<br />
Während und nach seiner Rede beim Festakt des<br />
diesjährigen DAV-Kongresses in Jena erntete<br />
Dr. Bernhard Vogel, der Ministerpräsident des<br />
Gastgeberlandes Thüringen, großen Beifall, und<br />
das nicht nur, weil er mit seinen Gedanken den<br />
versammelten Altphilologen aus dem Herzen<br />
sprach, sondern sich auch in einigen Teilen seiner<br />
Rede souverän der lateinischen Sprache<br />
bediente. In Jena hatte man überhaupt den Eindruck,<br />
daß die Aufgeschlossenheit gegenüber<br />
dem Phänomen des gesprochenen Lateins spürbar<br />
gewachsen ist.<br />
So zeichnete sich dieser Kogreß dadurch aus,<br />
daß zum ersten Mal (seit wie langer Zeit eigent-<br />
Mit Recht verwies Friedrich Maier zu Beginn<br />
des Kongresses des DAV auf das provozierende<br />
Verhältnis von Geist und Macht, auf Hans Jonas’<br />
Deutung des sophokleischen Wortes als<br />
‚beklommene Huldigung an des Menschen beklemmende<br />
Macht’, wie sich das Ungeheuere<br />
menschlichen Tuns auf die ihn umgebende Welt<br />
auswirkt. „Der Mensch unterscheidet, wählet<br />
und richtet“ (Goethe).<br />
„Klassisch zu leben und das Altertum praktisch<br />
in sich realisieren ist der Gipfel und das<br />
Ziel der Philologie. Sollte dies ohne allen Zynismus<br />
möglich sein?“<br />
fragte Friedrich Schlegel im 147. Stück seiner<br />
Athenäums-Fragmente. Jürgen Busche gab in<br />
seinem kritischen historischen Rückblick der<br />
Versammlung der über achthundert deutschen<br />
Altphilologen zu Jena 1996 die kurze, klare und<br />
in die Zukunft weisende Antwort mit auf den<br />
Weg:<br />
„Ich denke - ja. Aber nicht ohne Skepsis.“<br />
ALFRED SELMAIER, München<br />
lich?) ein akademischer Vortrag in lateinischer<br />
Sprache auf dem Programm stand: De urbibus<br />
Germaniae humanitate distinctis. Frau OStR’ i.<br />
H. ULRIKE WAGNER, Didaktikerin an der Universität<br />
Erlangen und unermüdlicher praeco<br />
Latinitatis vivae in Bayern, fesselte die zahlreichen<br />
Zuhörer über eine Stunde durch ihr frei<br />
vorgetragenes, verständlich formuliertes und<br />
deutlich ausgesprochenes Latein und durch die<br />
Aktualität des Themas: so stellte sie Bamberg,<br />
die Stadt der letzten DAV-Tagung, Jena gegenüber<br />
und beleuchtete mit ausgewählten lateinischen<br />
Texten, mit interessanten Folien und<br />
weitgehend von ihr selbst aufgenommenen Dias<br />
die humanistische Glanzzeit der beiden Städte