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Mitteilungsblatt - Deutscher Altphilologenverband

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der Natur. Daraus ist zu folgern, daß der Prozeß<br />

der Selbstwerdung des Menschen der Unterstützung<br />

von seiten des Fortschritts wie auch der<br />

Tradition bedarf: Zukunft braucht Herkunft -<br />

eine essentiell-individuelle Wahrheit (Erfahrungen<br />

von geschichtlich-kulturellen Situationen)<br />

und auch eine existentiell-universale Wahrheit<br />

(ethische Einsichten in die Vergangenheit für<br />

die Zukunft und die Erhaltung der Art).<br />

Für das Gymnasium jenseits der Jahrtausendwende<br />

bedeuten diese Feststellungen, daß<br />

angesichts unvorstellbarer Möglichkeiten der<br />

Multimedia - trotzdem oder gerade deshalb - das<br />

Programm einer vertieften allgemeinen Bildung<br />

einen entscheidenden Stellenwert einnehmen<br />

wird. Dabei haben geisteswissenschaftliche wie<br />

auch naturwissenschaftliche Fächer den gleichen<br />

Rang, auf der Suche nach neuen Harmonien.<br />

Alle Kraft muß eingesetzt werden, die anstehenden<br />

Existenzprobleme, etwa die Versöhnung<br />

von Ökonomie und Ökologie, erfolgreich anzugehen.<br />

Somit steht auch das Gymnasium in der<br />

Verantwortung, es muß eine Schule der Verantwortung<br />

werden. Alle geisteswissenschaftlichen<br />

Fächer (Fächer der Herkunft, Basisfächer, Wurzelfächer)<br />

haben grundlegende Bedeutung in der<br />

gymnasialen Bildungstheorie.<br />

Moderner und realistischer als Francis Bacon,<br />

der die Geisteswissenschaften als ‚museale Disziplinen’<br />

abqualifizierte, erscheint nach Maiers<br />

Überzeugung das tiefsinnige Wort des Euripides:<br />

„Wer in seiner Jugend die Musen vernachlässigt,<br />

der hat die vergangene Zeit verloren und<br />

ist für die Zukunft tot.“<br />

1.2 ‚Zukunft braucht Herkunft’ - dieses Motto<br />

gewinnt, so formulierte es der Ministerpräsident<br />

des Freistaates Thüringen, Dr. BERNHARD<br />

VOGEL, in seinem Grußwort an die Kongreßteilnehmer<br />

gerade für die neuen Bundesländer eine<br />

ganz besondere Bedeutung. Denn weithin<br />

herrscht die Überzeugung, daß nach der politischen<br />

Wende die Zukunft einer Neuorientierung<br />

bedürfe, nicht nur einer Aufarbeitung der Vergangenheit.<br />

Vogel sieht in dem für den Kongreß<br />

in Jena gewählten Motto die Spannung zwischen<br />

alt und neu, einst und jetzt, den Aufbruch<br />

76<br />

zu neuen Ufern, der sich wieder an Werten orientiert.<br />

Der Ministerpräsident erkennt im humanistischen<br />

Menschenbild ein Modell überzeitlich<br />

gültiger Wertvorstellungen. In diesem Zusammenhang<br />

erinnert er an die Rückkehr zu den<br />

gemeinsamen Wurzeln der kulturbildenden<br />

Kraft des Abendlandes, an dessen Anfang Theorie<br />

und Praxis stehen (Heisenberg). Nach Vogels<br />

Überzeugung sind die Altphilologen<br />

‚Brückenbauer’.<br />

Eindrucksvolle Zahlen belegen die neuen Anstrengungen<br />

und den gelingenden Aufbruch zu<br />

den intendierten Zielen in Thüringen: 12.000<br />

Schüler lernen wieder Latein, in der Stadt Jena<br />

allein an zehn Gymnasien; 200 Teilnehmer von<br />

28 thüringischen Gymnasien an einem altsprachlichen<br />

Wettbewerb. Vogel schließt daraus,<br />

daß die Bedeutung der Humanitas in seinem<br />

Bundesland nach zwei Diktaturen sehr<br />

bewußt erkannt worden ist.<br />

Unter dem Motto ‚virtute et exemplo’ hielt der<br />

Ministerpräsident große Teile seines Grußwortes<br />

zum Erstaunen der Fachleute in lateinischer<br />

Sprache. Er schloß mit einem Wort Senecas, daß<br />

nämlich Schwierigkeiten oft nur daher rührten,<br />

weil Mut fehle, Aufgaben energisch anzugehen.<br />

Allen, die es hören wollten, ins Stammbuch<br />

geschrieben!<br />

1.3 Humanismus gilt als geistesgeschichtliche<br />

Bewegung mit dem Ideal edler, allseitig ausgebildeter<br />

Menschlichkeit. In der historischen<br />

Realität bekommt der Begriff recht unterschiedliche<br />

Ausformungen: in der römischen Kultur,<br />

in der Renaissance, im Humanitätsideal der<br />

deutschen Klassik, schließlich auch bei Marx<br />

und Sartre.<br />

Der Berliner Journalist Dr. JÜRGEN BUSCHE<br />

griff in seinem kritischen Vortrag „Klassische<br />

Philologie nach dem Ende des ‚Silbernen’ Humanismus“<br />

eine Epoche deutscher Philologen<br />

auf und an, die in den Jahren 1910 - 1970 von<br />

Werner Jaeger bis Wolfgang Schadewaldt<br />

reicht, um die politische Haltung großer deutscher<br />

Fachwissenschaftler im Zusammenhang

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