11.12.2012 Aufrufe

Mitteilungsblatt - Deutscher Altphilologenverband

Mitteilungsblatt - Deutscher Altphilologenverband

Mitteilungsblatt - Deutscher Altphilologenverband

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Traditionsvereine, Gewerkschaften usw. Unsere<br />

Zeit bedarf angesichts der wachsenden Unübersichtlichkeit<br />

der Welt mehr als frühere Jahrzehnte<br />

der Zielorientierung, Sinnstiftung und<br />

ethischen Richtungsangabe. Überall drängen<br />

sich neue ethische Fragestellungen auf: In den<br />

Medien, in der Forschung, in der Medizin, in<br />

der Verteilung der Güter dieser Welt, im Umgang<br />

mit den Ressourcen dieser Erde. In einer<br />

Zeit der Werterelativierung steht den Schulen,<br />

allen voran dem Gymnasium, immerhin der<br />

ganze Schatz der humanistisch-christlichen Tradition<br />

zur Verfügung. Hier wächst den Gymnasien<br />

eine verstärkte Verantwortung zu.<br />

Zum Kanon der vermittlungsbedürftigen ethischen<br />

Einstellungen gehört eine ganze Reihe<br />

von modernen, der Zeit angemessenen und zugewandten<br />

Tugenden, die aber bei genauerem<br />

Zusehen wiederum alte klassische Lebenseinstellungen<br />

darstellen.<br />

Ich meine z. B.<br />

• den verantwortlichen Umgang mit Risiken,<br />

• die Bereitschaft, Neues zu wagen,<br />

• die Einsicht, daß jeder Einzelne zunächst für<br />

sich selbst verantwortlich ist und nicht nur<br />

Forderungen an die Gemeinschaft stellen<br />

darf,<br />

• die Fürsorge für die Dritte Welt und Umwelt,<br />

• die Bereitschaft zum Aufbau selbständiger<br />

Existenzen, an denen es dieser Gesellschaft<br />

so sehr gebricht.<br />

Ganz entscheidend ist dabei auch das Vorbild<br />

der Lehrer. Junge Menschen haben ein untrügliches<br />

Gefühl für die Echtheit pädagogischer Signale.<br />

Dieser Überlegung endet in der unausweichlichen,<br />

wenn auch nicht gerade neuen Anforderung,<br />

daß das Gymnasium neben dem Bildungsauftrag<br />

in beträchtlichem Umfang auch erzieherische<br />

Aufgaben zu tragen hat.<br />

These 6<br />

Die vielbeschworenen Schlüsselqualifikationen,<br />

gemeint sind insbesondere die Methoden- und<br />

die Sozialkompetenz, müssen stärker als bisher<br />

72<br />

zum pädagogisch-didaktischen Ziel der allgemeinen<br />

Bildung, insbesondere der gymnasialen<br />

Bildung erklärt werden.<br />

Die Signale der Arbeitswelt an das Bildungssystem,<br />

die mit dem Begriff Schlüsselqualifikationen<br />

umschrieben werden, sind dort bislang noch<br />

zu wenig aufgenommen worden. Es geht bei der<br />

dahinterstehenden Definition der Anforderungen,<br />

die heute an den modernen idealtypischen<br />

Arbeitnehmer zu stellen sind, nicht um irgendwelche<br />

Beliebigkeiten oder harmlose Wunschvorstellungen,<br />

sondern um einen existentiellen<br />

Kampf, wie ich durch die wiederholten Hinweise<br />

auf die Dynamik des globalen Wettbewerbs<br />

glaube deutlich gemacht zu haben.<br />

Dies ist eine grundlegende Erkenntnis aller Geo-<br />

Ökonomen: Am Ende werden nur diejenigen<br />

aus dem Kreis der Schwellenländer oder klassischen<br />

Industrieländer mithalten können, die<br />

ausreichende Investitionen in ihr Humankapital<br />

tätigen, also alles daran setzen, die allgemeine<br />

und berufliche Qualifikation ihrer Staatsbürger<br />

zu steigern. Wir können an vielen Kennziffern<br />

ablesen: Unser Qualifizierungsvorsprung von<br />

Gestern schrumpft immer mehr. Dabei haben<br />

wir Deutschen zusätzlich mit einem strukturellen<br />

Defizit zu tun: Unsere gesellschaftliche<br />

Trägheit im Vergleich zu den jungen aufbrechenden<br />

Völkern rings um die Welt. Wenn man<br />

etwa ökonomische Werte, wie Wochenarbeitszeit,<br />

Lebensarbeitszeit, Produktivitätszuwachs<br />

der miteinander konkurrierenden Länder vergleicht,<br />

dann stellt man fest: unser hohes Lebens-<br />

und Wohlfahrtsniveau, das wir alle bewußt<br />

genießen und nicht preisgeben wollen,<br />

belastet unsere Wettbewerbsfähigkeit auf Dauer<br />

sehr. Ein japanischer Ingenieur z. B. arbeitet bei<br />

2.000 Stunden Jahresarbeitszeit um etwa 400<br />

Stunden länger als ein deutscher Ingenieur. Das<br />

sind bei einer 40 Stundenwoche 10 Arbeitswochen.<br />

Einen indischen oder koreanischen Ingenieur<br />

will ich erst gar nicht in diesen Vergleich<br />

einbeziehen. Ähnlich schlecht schneidet<br />

Deutschland ab, wenn man die finanziellen<br />

Aufwendungen für das gesamte Bildungssystem<br />

- gemessen in Prozentanteilen am Bruttosozialprodukt<br />

- mit den entsprechenden Werten ande-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!