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Mitteilungsblatt - Deutscher Altphilologenverband

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74<br />

Jena um 1700. Stich von Gabriel Bodenehr d. Ä.<br />

nach einer Vorlage von Matthäus Merian d. Ä. (um 1650)<br />

Bericht über den Kongreß des Deutschen <strong>Altphilologenverband</strong>es<br />

vom 9. - 13. April 1996 in Jena<br />

Jena<br />

Die nichtssagende Autobahn führt fast bis ins<br />

Zentrum der berühmten Stadt, die einst als<br />

Siedlung Jani wenige Jahre nach Karl dem Großen<br />

im Zehntregister des Klosters Hersfeld Erwähnung<br />

findet. Luther predigte in der hiesigen<br />

Stadtkirche mit zornigen Worten gegen das rigorose<br />

Tun der Bilderstürmer, Goethe schrieb<br />

hier nicht nur am ‚Faust’, sondern freute sich<br />

geradezu kindlich in seinem ‚närrischen Nest’<br />

über seine Entdeckung des Os intermaxillare.<br />

Schiller begann hier seine immense Arbeit am<br />

‚Wallenstein’, hielt aber auch die berühmteste<br />

Antrittsvorlesung aller Historiker vor 400 begeisterten<br />

Jenaer Studenten. Die vornehmen Humboldtbrüder<br />

schlossen hier an der Saale Freundschaft<br />

mit den Großen, die Schlegelbrüder begründeten<br />

in diesem anziehenden Städtchen ihre<br />

romantische Schule. Professor Fichte bekam am<br />

Ende des Atheismus-Streites seine Entlassung<br />

von der hiesigen Universität, der 23jährige<br />

Schelling fand mit seinen geistreichen Vorle-<br />

sungen zur Naturphilosophie glühende Anhänger.<br />

Eingebettet zwischen die sanften Hügel im<br />

Saaletal, mußte die wohlhabende Stadt die grausigen<br />

Plünderungen des Dreißigjährigen Krieges<br />

aushalten und den spürbaren Rückgang des<br />

Weinbaus verkraften, von eben diesen Hügeln<br />

aus vernichtete schließlich der große Napoleon<br />

die preußischen Truppen. Und auch am Ende<br />

des Zweiten Weltkriegs gehörte Jena zu den am<br />

stärksten zerstörten Städten. Fragwürdigen Neubauten<br />

des DDR-Sozialismus fielen dann noch<br />

unersetzbare Teile der historischen Altstadt zum<br />

Opfer. Vieles verwahrloste in den grauen Jahrzehnten<br />

der Diktatur.<br />

Und jetzt? Aufgerissene Straßen, gestapelte<br />

Baumaterialien, gesperrte Zufahrten zeugen von<br />

der Wende, vom Aufbruch, von der Neugestaltung.<br />

Es entstehen wieder ansehnliche Ensembles<br />

eines schmucken, wohnlichen, menschlichen<br />

Städtchens: mit einem mittelalterlichen<br />

Pulverturm, mit den mächtigen Bronzedenkmä-

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