Mitteilungsblatt - Deutscher Altphilologenverband
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Grußwort des Vorsitzenden des DAV-Landesverbandes Thüringen<br />
Magnifizenz,<br />
hochverehrter Herr Vorsitzender Prof. Maier,<br />
verehrte Professores,<br />
verehrte Kolleginnen und Kollegen,<br />
werte Gäste, meine Damen und Herren!<br />
Im Namen des Thüringer Landesverbandes heiße<br />
ich Sie, die Sie von nah und fern der Einladung<br />
zum Jenaer Kongreß gefolgt sind, in der<br />
Saalestadt herzlich willkommen. Wir Thüringer<br />
Altsprachenlehrerinnen und -lehrer schätzen uns<br />
glücklich und geehrt, daß wir als erstes neues<br />
Bundesland Gastgeber einer so bedeutsamen<br />
Zusammenkunft sein dürfen. Wie andere deutsche<br />
Regionen kann auch Thüringen in der Vergangenheit<br />
auf bedeutende Traditionen in den<br />
studia humaniora verweisen, klangvolle Namen<br />
von Gelehrten und Schulmännern wie Carl Ernst<br />
Georges, Rudolph Ewald, Joachim Marquardt<br />
stehen stellvertretend für eine Vielzahl bekannter<br />
Persönlichkeiten. Doch an des Jahrhunderts<br />
ernstem Ende - das Plagiat an Friedrich Schiller<br />
sei mir an diesem Ort gestattet - möchte ich vor<br />
Ihnen eine kurze Retrospektive in die jüngste<br />
Schulgeschichte unseres Landes geben.<br />
Die Schulreform 1945 in Ostdeutschland hatte<br />
trotz einschränkender Strukturen den alten Sprachen<br />
an den Oberschulen noch einen festen<br />
Platz im Ensemble der Fächer eingeräumt, und<br />
nicht wenige Lehrer haben damals mit der Begeisterung<br />
des Neubeginns bei vielen von uns<br />
nunmehr Ergrauten die Liebe zu diesen Fächern<br />
geweckt. Doch in den sechziger Jahren kam die<br />
Eiszeit für die Geisteswissenschaften im allgemeinen<br />
und unsere Fächer im besonderen. Die<br />
rigide Beschneidung bzw. Eliminierung war<br />
bitter, um so mehr sollte man das unermüdliche<br />
Wirken der Kolleginnen und Kollegen an den 9<br />
Schulen anerkennend hervorheben, an denen<br />
noch altsprachlicher Unterricht erteilt werden<br />
durfte. Für die drei Thüringer Bezirke wurde<br />
altsprachlicher Unterricht an der Ernst-Abbe-<br />
EOS in Eisenach gegeben. Wenn auch die Zahl<br />
der Schülerinnen und Schüler gering und die<br />
Aufnahmemodalitäten restriktiv waren, so sind<br />
die Aktivitäten von Lehrenden und Lernenden<br />
ebenso zu würdigen wie die seit dieser Zeit be-<br />
50<br />
stehenden partnerschaftlichen Beziehungen zum<br />
Institut für Altertumswissenschaften der Universität<br />
Jena. Daß die Unzufriedenheit vieler Menschen<br />
über die Defizite der Allgemeinbildung<br />
bei den Jugendlichen besonders in den Bereichen<br />
Geschichte, Religion, Philosophie, Mythologie<br />
und Fremdsprachen ständig wuchs, war<br />
jedem Hellhörigen bekannt. So machte zu Beginn<br />
der 80er Jahre die Weimarer Schriftstellerin<br />
Inge von Wangenheim, die, aus bürgerlicher<br />
Familie stammend, ansonsten mit der Gesellschaft<br />
der DDR eng verbunden war, auf diese<br />
Übel öffentlich in ihrem Essay „Genosse Jedermann<br />
und die Klassik“ aufmerksam. Der Aufsatz<br />
erregte zwar Aufsehen, eine schulpolitische<br />
Änderung bewirkte er nicht. Daß ab 1984 erstmalig<br />
wieder Lateinlehrer an der Martin-Luther-<br />
Universität Halle ausgebildet wurden, kann als<br />
Silberstreif am grauen Bildungshimmel der<br />
DDR gewertet werden, die Strukturen jedoch<br />
blieben die gleichen.<br />
Meine Damen und Herren, die politische Wende<br />
brachte uns die Chance der Erneuerung des<br />
Schulwesens. Sie zu nutzen im Sinne unserer<br />
Sache und im richtigen Zeitpunkt das Richtige<br />
zu tun, dazu fühlten sich die verbliebenen älteren<br />
Lehrer des Landes im Bunde mit wenigen,<br />
aber engagierten jungen herausgefordert. Zu<br />
ihnen kamen praxiserfahrene Fremdsprachenkollegen,<br />
die sich für Latein qualifizierten und<br />
für die Antike begeisterten. Als im Oktober<br />
1990 der Thüringer Landesverband gegründet<br />
wurde - den Geburtshelfern Herrn Selle, Herrn<br />
Dr. Lohe und Prof. Maier sei an dieser Stelle<br />
herzlich gedankt - , sahen wir wie Sisyphus<br />
einen kaum zu überwindenden Berg vor uns,<br />
doch Fortuna und Jupiter meinten es gut mit den<br />
Thüringer Schülern und Lehrern. Denn dank der<br />
Koinzidenz einer konservativen Landespolitik<br />
und einer von Herkunft und Profession aufgeschlossenen<br />
Kultusministerin - ihr Nachfolger<br />
ist in gleicher Weise den studia humaniora zugetan<br />
- wurden in unserem Lande schulgesetzliche<br />
Entscheidungen getroffen, die die restitutio<br />
Latinitatis an den Gymnasien beförderten.