FLUG REVUE 05/2017
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Take-Off<br />
Oldies im Liniendienst<br />
Start aus Villavicencio. Ein modernes GPS-Gerät hilft, die entlegenen Landeplätze<br />
in der Wildnis zu finden. Das eigentliche Fliegen bleibt Muskelarbeit.<br />
Südöstlich der Anden<br />
liegt Kolumbiens dünn<br />
besiedeltes Flachland,<br />
es ist fast so groß wie Frankreich. Von<br />
der Stadt Villavicencio aus, 90 Kilometer<br />
entfernt von Bogotá, wird die Bevölkerung<br />
in dieser abgelegenen Gegend per<br />
Flugzeug versorgt. Einen großen Anteil<br />
daran hat immer noch die ehrwürdige<br />
Douglas DC-3 (C-47 Dakota). Die Oldies<br />
wurden Anfang der vierziger Jahre<br />
gebaut und übertreffen mit ihrem Alter<br />
von rund 75 Jahren bei Weitem das ihrer<br />
Kapitäne. Viele fliegen die Dakota schon<br />
seit über 30 Jahren, und haben bis zu<br />
30 000 Stunden Flugerfahrung auf dem<br />
Muster. Den linken Sitz im Cockpit der<br />
„Mutter aller Flugzeuge“, wie sie die DC-<br />
3 bezeichnen, würden sie dabei mit keinem<br />
anderen Platz der Welt tauschen.<br />
Beim Blick aus dem Fenster brummen<br />
die beiden Pratt & Whitney-R-<br />
1380-Sternmotoren zuverlässig über der<br />
endlos grünen Landschaft. Die Weite des<br />
kolumbianischen Dschungels wird nur<br />
ab und zu von Flussläufen durchbrochen,<br />
die mit ihren braunen Wassermassen von<br />
hier aus den Orinoco und den mächtigen<br />
Amazonas speisen. Die Leistungshebel<br />
sind perfekt justiert, und die Dakota eilt<br />
ausgetrimmt mit knapp 130 Knoten<br />
(240 km/h) in 9000 Fuß (2750 Meter)<br />
Höhe ihrem Ziel entgegen.<br />
In der Kabine herrscht Gedränge.<br />
Auf Pritschen sitzen die Passagiere<br />
Schulter an Schulter längs zur Flugrichtung.<br />
Ihnen wölbt sich straff gespannt<br />
ein Gepäcknetz auf dem Kabinenboden<br />
entgegen. Darunter viele Dinge des täglichen<br />
Bedarfs, mit Hilfe von viel Klebeband<br />
sicher in Koffer und Kisten verpackt.<br />
Selbst Fahrräder liegen fest verzurrt<br />
auf dem Haufen, am Heck der Kabine<br />
parkt ein Motorrad, und Küken<br />
zwitschern aufgeregt aus ihren Transportkartons.<br />
Die Cockpitavionik der DC-3 ist,<br />
abgesehen von Funk, GPS und Wetterradar,<br />
weitgehend original. Das Navigationsinstrument<br />
zeigt direkten Kurs auf<br />
Caruru. Einen Flughafencode auf dem<br />
Display sucht man bei der Eingabe dieser<br />
Dschungelpiste vergeblich. 30 Minuten<br />
vor dem Erreichen des Ziels beginnt der<br />
Sinkflug. Die angenehme Kühle der Höhenluft<br />
in der Kabine geht mit jedem<br />
Meter Sinken in drückende Schwüle<br />
über. Allmählich werden auch bunte Flecken<br />
in der grünen Weite sichtbar. Es<br />
sind Blumen, die ganze Bäume überwachsen.<br />
LANDEBAHNEN WERDEN IM<br />
REGEN ZU SCHLAMMPISTEN<br />
Im tropischen Dunst erkennt nur der erfahrene<br />
Pilot die rötliche Silhouette der<br />
Piste, die nach den letzten Regenfällen<br />
eher einem ausgefahrenen Waldweg ähnelt.<br />
Mit viel Druck tauchen die Reifen<br />
der DC-3 in den roten Matsch ein, die<br />
Kontrolle der Längsrichtung und ein dosiertes<br />
Abbremsen fallen dem altgedienten<br />
Dschungelflieger trotz kräftiger Arbeit<br />
mit den Fußpedalen sichtlich schwer.<br />
Aus den Hütten entlang der Piste strömen<br />
die Bewohner herbei. Trotz ihres<br />
Alters ist die unverwüstliche DC-3 auch<br />
heute noch eine der Lebensadern für die-<br />
20 <strong>FLUG</strong> <strong>REVUE</strong> Mai <strong>2017</strong><br />
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