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MOTORRAD Classic 05/2017

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AUF ACHSE I<br />

Laverda 500 Alpino I Yamaha XS 500<br />

gen und Mahlen zu lauschen. Neben dem<br />

dumpfen Blubbern aus den Endtöpfen bestimmen<br />

vor allem die Laufgeräusche der<br />

zahlreichen Ketten und Zahnräder die<br />

Soundkulisse. So werden nicht nur die<br />

beiden Nockenwellen von einer Kette angetrieben,<br />

und zwar von einer außen in<br />

einem Schacht am rechten Zylinder laufenden<br />

Duplexkette, sondern auch die<br />

Ausgleichswelle. Die ist oberhalb der Kurbelwelle<br />

hinter dem Zylinderfuß angeordnet<br />

und soll mit zwei um 180 Grad versetzten<br />

Ausgleichs gewichten die letzten<br />

Vibrationen eliminieren. Wo doch der<br />

Twin ohnehin schon als Gegenläufer ausgelegt<br />

ist, also mit 180 Grad Hubzapfenversatz<br />

arbeitet, des besseren Massenausgleichs<br />

wegen. Der gleitgelagerte Motor<br />

läuft zudem bereits recht sanft, und dank<br />

all der genannten Maßnahmen sind über<br />

das gesamte Drehzahlband so gut wie keine<br />

Vibrationen spürbar. Einzig das helle<br />

metallische Heulen nimmt ab mittleren<br />

Drehzahlen hörbar zu.<br />

Die sind ja auch angesagt, wenn es zügig<br />

voran gehen soll, denn eines fällt<br />

schnell auf und war bereits angesichts der<br />

konstruktiven Merkmale (große Bohrung,<br />

geringer Hub, vier kleine Ventile) zu ahnen:<br />

Ein Durchzugswunder ist der 500er<br />

nicht. Zwar lässt sich die XS, auch dank<br />

leichtgängiger, gut dosierbarer Kupplung,<br />

mit wenig Drehzahl anfahren und der<br />

Twin zieht ab gut 1500/min sauber und<br />

ruckfrei hoch, doch tut sich unter 3000<br />

Touren nicht viel. Erst ab 6000/min stellt<br />

sich so etwas wie feuriger Vortrieb ein.<br />

Drehfreude ist denn auch sein Ding – der<br />

Vierventiler jubelt willig bis an den roten<br />

Bereich bei 9000/min, das exakt schaltbare<br />

Fünfganggetriebe ist passend gestuft<br />

und bietet immer guten Anschluss.<br />

Dass die Yamaha dennoch kein Sportler<br />

sein kann und auch gar nicht will, liegt<br />

nicht nur an der gleichmäßigen, wenig<br />

spektakulären Leistungsentfaltung, sondern<br />

auch am relativ hohen Gewicht. Dazu<br />

passt dann auch die entspannte Sitzhaltung<br />

auf der fast schon zu breiten, kantigen<br />

Sitzbank, in Verbindung mit der relaxten<br />

Beinhaltung und dem angenehm<br />

gekröpften Lenker. Alles zusammen vermittelt<br />

eine alltagstaugliche, unauffällige<br />

Fahrerhaltung, die eher zum Überland-<br />

Cruisen als zum Heizen animiert. Wobei<br />

die XS könnte. Eigentlich. Die Fahrwerksgeometrie<br />

mit kurzem Radstand und die<br />

erstaunlich gut funktio nierenden Federelemente<br />

erlauben einen zügigen Fahrstil,<br />

die gebotene Stabi lität ist stets tadellos. So<br />

zumindest die Erinnerung an früher bewegte<br />

XS, die sich mit dem Lob aus früheren<br />

Testberichten deckt. Nicht zu Unrecht<br />

wurde das Fahrwerk damals als beispielhaft<br />

gelobt, und es sei, ganz unüblich für<br />

jene Zeit, dem Motor deutlich überlegen.<br />

Auch heute lässt sich das flinke Fahrverhalten<br />

erahnen, die leichte Kippeligkeit in<br />

Kurven und das nervöse Verhalten der<br />

Gabel sind recht eindeutig auf die alten<br />

Reifen und die etwas leckende Gabel<br />

zurückzuführen. Erstaunlich jedoch, wie<br />

souverän die hinteren Federbeine auf<br />

leichte Stöße ansprechen und dabei auch<br />

grobe Schläge souverän wegstecken. Die<br />

heute etwas zahnlose Bremse mit matschigem<br />

Druckpunkt ließe sich wohl<br />

durch Entlüften zu alter Güte bringen. Auf<br />

die wirksame Scheibenbremse hinten ist<br />

aber Verlass. Übrigens trug die XS 500 von<br />

Beginn an die Vorrichtung zum Nachrüsten<br />

einer zweiten Bremsscheibe vorn.<br />

Kosten damals: 480 Mark.<br />

Die genannten Kritikpunkte sind auch<br />

Neubesitzer Klingelhöfer bei der Probefahrt<br />

aufgefallen. Nach einer kleinen Kur<br />

inklusive neuer Reifen fährt sich die Yamaha<br />

nun so agil wie einst gelobt, bestätigt<br />

der XS-Käufer heute. Klingelhöfer war<br />

schon bei ihrem Erscheinen fasziniert von<br />

der 500er, musste sich aber damals mit<br />

der XS 360 bescheiden. Zufällig stolperte<br />

er nun über die Annonce und schlug<br />

spontan zu. Sorgen um anfangs häufig<br />

aufgetretene Schäden im Zylinderkopf<br />

durch Überhitzung muss er sich kaum<br />

machen. Die Probleme mit undichten<br />

Ventilsitzen und Leistungs verlust sowie<br />

unruhigem Leerlauf betrafen nur die<br />

1976er-Modelle, die anfangs auf Garantie<br />

repariert und umgerüstet wurden. Ab<br />

1977 gehörten die Schäden dank werksseitiger<br />

Modifikationen wie an deren Ventilsitzen<br />

und verbessertem Schmiersystem<br />

der Vergangenheit an. Am bereits lädierten<br />

Ruf, der ihr teils bis heute anhaftet, hat<br />

dies nicht viel geändert.<br />

Von den zwischen 1976 und 1979 gebauten,<br />

zuletzt bis 1980 abverkauften<br />

rund 3000 Exemplaren sind nicht mehr<br />

allzu viele übrig, von den rund 2750 gebauten<br />

Laverda Alpino fanden erst gar<br />

nicht viele den Weg nach Deutschland.<br />

Wer also auf exotischen Japan-Barock<br />

oder sportlich-italienische Eleganz mit<br />

Vierventil-Twin steht, sollte Geduld bei<br />

der Suche mitbringen. Doch es lohnt sich.<br />

Laverda-Enthusiast Eatman und XS-Neubesitzer<br />

Klingelhöfer können sicher ein<br />

Lied davon singen.<br />

◻<br />

Sportlich-italienische Eleganz oder<br />

exotischer Japan-Barock? Beide<br />

Vierventil-Twins sind sehr selten<br />

16 <strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC 5/<strong>2017</strong>

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