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AUF ACHSE I<br />
Laverda 500 Alpino I Yamaha XS 500<br />
gen und Mahlen zu lauschen. Neben dem<br />
dumpfen Blubbern aus den Endtöpfen bestimmen<br />
vor allem die Laufgeräusche der<br />
zahlreichen Ketten und Zahnräder die<br />
Soundkulisse. So werden nicht nur die<br />
beiden Nockenwellen von einer Kette angetrieben,<br />
und zwar von einer außen in<br />
einem Schacht am rechten Zylinder laufenden<br />
Duplexkette, sondern auch die<br />
Ausgleichswelle. Die ist oberhalb der Kurbelwelle<br />
hinter dem Zylinderfuß angeordnet<br />
und soll mit zwei um 180 Grad versetzten<br />
Ausgleichs gewichten die letzten<br />
Vibrationen eliminieren. Wo doch der<br />
Twin ohnehin schon als Gegenläufer ausgelegt<br />
ist, also mit 180 Grad Hubzapfenversatz<br />
arbeitet, des besseren Massenausgleichs<br />
wegen. Der gleitgelagerte Motor<br />
läuft zudem bereits recht sanft, und dank<br />
all der genannten Maßnahmen sind über<br />
das gesamte Drehzahlband so gut wie keine<br />
Vibrationen spürbar. Einzig das helle<br />
metallische Heulen nimmt ab mittleren<br />
Drehzahlen hörbar zu.<br />
Die sind ja auch angesagt, wenn es zügig<br />
voran gehen soll, denn eines fällt<br />
schnell auf und war bereits angesichts der<br />
konstruktiven Merkmale (große Bohrung,<br />
geringer Hub, vier kleine Ventile) zu ahnen:<br />
Ein Durchzugswunder ist der 500er<br />
nicht. Zwar lässt sich die XS, auch dank<br />
leichtgängiger, gut dosierbarer Kupplung,<br />
mit wenig Drehzahl anfahren und der<br />
Twin zieht ab gut 1500/min sauber und<br />
ruckfrei hoch, doch tut sich unter 3000<br />
Touren nicht viel. Erst ab 6000/min stellt<br />
sich so etwas wie feuriger Vortrieb ein.<br />
Drehfreude ist denn auch sein Ding – der<br />
Vierventiler jubelt willig bis an den roten<br />
Bereich bei 9000/min, das exakt schaltbare<br />
Fünfganggetriebe ist passend gestuft<br />
und bietet immer guten Anschluss.<br />
Dass die Yamaha dennoch kein Sportler<br />
sein kann und auch gar nicht will, liegt<br />
nicht nur an der gleichmäßigen, wenig<br />
spektakulären Leistungsentfaltung, sondern<br />
auch am relativ hohen Gewicht. Dazu<br />
passt dann auch die entspannte Sitzhaltung<br />
auf der fast schon zu breiten, kantigen<br />
Sitzbank, in Verbindung mit der relaxten<br />
Beinhaltung und dem angenehm<br />
gekröpften Lenker. Alles zusammen vermittelt<br />
eine alltagstaugliche, unauffällige<br />
Fahrerhaltung, die eher zum Überland-<br />
Cruisen als zum Heizen animiert. Wobei<br />
die XS könnte. Eigentlich. Die Fahrwerksgeometrie<br />
mit kurzem Radstand und die<br />
erstaunlich gut funktio nierenden Federelemente<br />
erlauben einen zügigen Fahrstil,<br />
die gebotene Stabi lität ist stets tadellos. So<br />
zumindest die Erinnerung an früher bewegte<br />
XS, die sich mit dem Lob aus früheren<br />
Testberichten deckt. Nicht zu Unrecht<br />
wurde das Fahrwerk damals als beispielhaft<br />
gelobt, und es sei, ganz unüblich für<br />
jene Zeit, dem Motor deutlich überlegen.<br />
Auch heute lässt sich das flinke Fahrverhalten<br />
erahnen, die leichte Kippeligkeit in<br />
Kurven und das nervöse Verhalten der<br />
Gabel sind recht eindeutig auf die alten<br />
Reifen und die etwas leckende Gabel<br />
zurückzuführen. Erstaunlich jedoch, wie<br />
souverän die hinteren Federbeine auf<br />
leichte Stöße ansprechen und dabei auch<br />
grobe Schläge souverän wegstecken. Die<br />
heute etwas zahnlose Bremse mit matschigem<br />
Druckpunkt ließe sich wohl<br />
durch Entlüften zu alter Güte bringen. Auf<br />
die wirksame Scheibenbremse hinten ist<br />
aber Verlass. Übrigens trug die XS 500 von<br />
Beginn an die Vorrichtung zum Nachrüsten<br />
einer zweiten Bremsscheibe vorn.<br />
Kosten damals: 480 Mark.<br />
Die genannten Kritikpunkte sind auch<br />
Neubesitzer Klingelhöfer bei der Probefahrt<br />
aufgefallen. Nach einer kleinen Kur<br />
inklusive neuer Reifen fährt sich die Yamaha<br />
nun so agil wie einst gelobt, bestätigt<br />
der XS-Käufer heute. Klingelhöfer war<br />
schon bei ihrem Erscheinen fasziniert von<br />
der 500er, musste sich aber damals mit<br />
der XS 360 bescheiden. Zufällig stolperte<br />
er nun über die Annonce und schlug<br />
spontan zu. Sorgen um anfangs häufig<br />
aufgetretene Schäden im Zylinderkopf<br />
durch Überhitzung muss er sich kaum<br />
machen. Die Probleme mit undichten<br />
Ventilsitzen und Leistungs verlust sowie<br />
unruhigem Leerlauf betrafen nur die<br />
1976er-Modelle, die anfangs auf Garantie<br />
repariert und umgerüstet wurden. Ab<br />
1977 gehörten die Schäden dank werksseitiger<br />
Modifikationen wie an deren Ventilsitzen<br />
und verbessertem Schmiersystem<br />
der Vergangenheit an. Am bereits lädierten<br />
Ruf, der ihr teils bis heute anhaftet, hat<br />
dies nicht viel geändert.<br />
Von den zwischen 1976 und 1979 gebauten,<br />
zuletzt bis 1980 abverkauften<br />
rund 3000 Exemplaren sind nicht mehr<br />
allzu viele übrig, von den rund 2750 gebauten<br />
Laverda Alpino fanden erst gar<br />
nicht viele den Weg nach Deutschland.<br />
Wer also auf exotischen Japan-Barock<br />
oder sportlich-italienische Eleganz mit<br />
Vierventil-Twin steht, sollte Geduld bei<br />
der Suche mitbringen. Doch es lohnt sich.<br />
Laverda-Enthusiast Eatman und XS-Neubesitzer<br />
Klingelhöfer können sicher ein<br />
Lied davon singen.<br />
◻<br />
Sportlich-italienische Eleganz oder<br />
exotischer Japan-Barock? Beide<br />
Vierventil-Twins sind sehr selten<br />
16 <strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC 5/<strong>2017</strong>