Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
SZENE I<br />
Vier Jahrzehnte mit der Honda CB 400 Four<br />
Insel Kreta. Über den Brenner geht es nach<br />
Ancona. Von dort bringt uns die Fähre per<br />
Deckspassage über Patras und Piräus nach<br />
Kreta. Vier Wochen bereisen wir die Insel<br />
mit ihren abenteuerlichen Straßenverhältnissen.<br />
Trotz mörderischer Hitze<br />
fahren wir in Lederkombis.<br />
Lieber schwitzen<br />
als sich bei einem eventuellen<br />
Sturz verletzen,<br />
wie wir es bei zahlreichen<br />
deutschen und österreichischen<br />
Motorradfahrern,<br />
die wir treffen,<br />
leider oft sehen müssen.<br />
Die Straße in den Ostteil<br />
der Insel soll laut Karte<br />
vierspurig ausgebaut sein.<br />
Tatsächlich ist es aber nur<br />
eine aufgeschüttete Schotterpiste mit zum<br />
Teil sehr tiefen Löchern. Viel zu schnelle<br />
Baustellen-Lkw hüllen uns immer wieder<br />
in eine Staubwolke ein und lassen uns die<br />
Steine um die Ohren fliegen. Bei sengender<br />
Hitze kann ich die Honda auf dieser<br />
Piste oft nur im ersten und zweiten Gang<br />
bewegen. Extreme Bedingungen, die den<br />
Motor bedenklich heiß laufen lasen. Nicht<br />
nur wegen des fehlenden Fahrtwinds,<br />
sondern vor allem wegen der simplen<br />
Drosselung auf 27 PS. Eine eingeschweißte<br />
Blende im Sammeltopf des Auspuffs,<br />
durch die nicht mal mein kleiner Finger<br />
passt, sorgt für zusätzlichen Hitzestau. Im<br />
kochenden Öl rutscht und rappelt die<br />
Kupplung, aber der Motor hält und bringt<br />
uns wieder nach Hause.<br />
Wegbereiter<br />
der Motorrad-<br />
Karriere: das alte<br />
Kreidler-Mokick<br />
und eine Honda<br />
CB 125 Disc<br />
1978: erster Kurzurlaub<br />
mit der<br />
Four und der<br />
Motorrad clique<br />
im Schwarzwald<br />
Backnang, Sommer 1981: Es geht erneut<br />
nach Irland, zu Kumpel Alberts Schwester,<br />
die dort auf einem idyllischen Bauernhof<br />
lebt. Es ist der heißeste und trockenste<br />
Sommer seit Jahren dort, was den Temperaturhaushalt<br />
der kleinen 400er insbesondere<br />
bei hoher Zuladung immer wieder<br />
an die Grenzen bringt. So entschließe<br />
ich mich kurzer- hand dazu, den unseligen<br />
Reduzierring zu entfernen. Schließlich<br />
kommt eine Motorrevision teurer als<br />
die höheren Versicherungsbeiträge für<br />
die 50-PS-Klasse. Nach einigem schweißtreibenden<br />
Feilen kann der Motor endlich<br />
frei durchatmen. Schnell noch Ventilspiel<br />
und Zündzeitpunkt kontrolliert, dann rollt<br />
die Four zum Hoftor raus.<br />
Die Probefahrt über die kleinen, unübersichtlichen,<br />
von Hecken, Sträuchern<br />
und Bruchsteinmauern gesäumten irischen<br />
Landsträßchen entlang des westlichen<br />
Lough-Derg-Ufers verläuft höchst<br />
befriedigend. Das Hoftor ist schon<br />
in Sichtweite, als mir einfällt,<br />
dass ich noch Zigaretten brauche.<br />
Also wieder am Kabel gezogen<br />
und flott in die enge<br />
Rechtskurve gebrettert, die in<br />
Richtung Whitegate führt, im<br />
Pub gibt’s Fluppen-Nachschub.<br />
Viel zu spät sehe ich den großen<br />
Kuhfladen in der Kurve, den ich<br />
prompt mit dem Vorderrad erwische.<br />
Das Rad schmiert weg, aber<br />
ich kann die Honda noch abfangen,<br />
indem ich sie blitzschnell aufrichte.<br />
Dadurch geht mir jedoch die Straße aus,<br />
die von einer steilen Böschung mit einer<br />
Hecke darauf gesäumt wird. Kopfüber<br />
fliege ich mit rund 60 Sachen ins buschige<br />
1979: endlich in<br />
Irland angekommen<br />
Alles dokumentiert: Bestellung<br />
der beiden CB und Benachrichtigung<br />
des Händlers<br />
und gar nicht mehr so saftige irische Grün.<br />
Ich habe mächtig Dusel und keinen Kratzer<br />
abbekommen. Anders die Honda: Der<br />
Lenkanschlag ist abgerissen, die Gabelbrücken<br />
und das Standrohr haben tiefe<br />
Abdrücke im Tank hinterlassen, außerdem<br />
sind beide Standrohre abgeknickt<br />
und etwa ein Drittel der Speichen mitsamt<br />
Nippeln aus dem Felgenband gerissen.<br />
Mit der Schubkarre schleifen Albert<br />
und ich das lädierte Motorrad die 100<br />
Meter bis zum Hof. Problematisch gestaltet<br />
sich die Suche nach Ersatzteilen, Honda<br />
Irland hat gerade zwei Wochen Betriebsferien.<br />
Mangels Materialnachschub<br />
schließen sich die Werkstätten dieser<br />
Urlaubsplanung an. Nach einiger Suche<br />
bekommen wir glücklicherweise telefonischen<br />
Kontakt mit einem Werkstatteigner,<br />
der uns von seinem schottischen Urlaubsdomizil<br />
aus den Standort einer Schlachtmaschine<br />
und seine Preisforderungen für<br />
die dringend benötigten Teile nennt, die<br />
wir allerdings selbst ausbauen müssten.<br />
Gesagt, getan.<br />
Nachdem wir die Unfall-Honda mit<br />
den Gebrauchtteilen wieder aufgebaut<br />
haben, zeigt sich, dass die Gabelbrücken<br />
verzogen sind. Doch die Zeit zur Rückreise<br />
drängt, in drei Tagen muss ich wieder<br />
beim Zivildienst antreten. Also biegen<br />
30 <strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC 5/<strong>2017</strong><br />
www.motorrad-classic.de