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Die richtige Balance finden:<br />
Lasst die Kinder in Ruhe<br />
„DIE AUFGABE DER UMGEBUNG IST NICHT, DAS KIND ZU FORMEN, SON-<br />
DERN IHM ZU ERLAUBEN, SICH ZU OFFENBAREN." (MARIA MONTESSORI)<br />
Uhren und Kinder dürfen nicht<br />
beständig aufgezogen werden<br />
– man muss sie auch gehen<br />
lassen.“ Die Lebensweisheit des<br />
deutschen Schriftstellers Jean Paul gilt<br />
heute genauso wie im 18.Jahrhundert.<br />
Zumindest oder gerade für Kinder in<br />
unserer hochtechnisierten und digitalen<br />
Welt.<br />
Im rasanten Lebensstil unserer Leistungsgesellschaft<br />
muss alles so rasch<br />
und effizient wie möglich passieren.<br />
Unsere Kinder machen uns da allerdings<br />
mitunter einen Strich durch die Rechnung.<br />
Kinder leben intensiv in Gefühlen<br />
und im Jetzt und Heute. Sie erleben<br />
alles, was der Tag mit sich bringt, in<br />
einem langsameren Tempo. Erwachsene<br />
hingegen haben diese Seite ihrer Kindheit<br />
zumeist vergessen.<br />
Junge Eltern merken rasch: mit dem ersten<br />
Kind fängt eine neue Zeitrechnung<br />
und eine neue Lebensgeschwindigkeit,<br />
oder besser gesagt eine neue Lebenslangsamkeit,<br />
an. Dennoch versuchen wir<br />
konsequent und häufig mit wenig Erfolg<br />
unsere Kinder an unser Tempo anzupassen.<br />
Grundsätzlich ist es hilfreich den Tag der Kinder<br />
nicht oder nur wenig zu verplanen. Eltern neigen<br />
dazu sie von einem Förderkurs zum nächsten,<br />
von einer kindgerechten Veranstaltung<br />
zum Sportkurs, etc. zu bringen. Kinder wollen<br />
aber nicht immer fort – sie wollen trödeln, spielen<br />
und auch einfach einmal in den Tag hineinträumen.<br />
Gönnen wir ihnen das!<br />
DI Roswitha Wurm<br />
Dipl. Legasthenie-/<br />
Dyskalkulietrainerin<br />
www.roswitha-wurm.at<br />
Doch was hat das alles mit Schule, Lernen und Lehrer sein zu tun?<br />
Sehr viel. Denn durch Ganztagsschulen und Nachmittagsbetreuung<br />
nimmt der Einfluss und die zeitliche Betreuung der Kinder im<br />
schulischen Bereich immer mehr zu. Die (Schul)kinder benötigen in<br />
den Schulen mehr Rückzugsorte und stille Plätze, an denen sie auch<br />
einmal zur Ruhe kommen. Oftmals müssen sie dazu auch aufgefordert<br />
werden. Zur natürlichen Langsamkeit des einzelnen Kindes<br />
gehört es auch auf dessen individuelles Lern- und Reifungstempo so<br />
gut wie möglich einzugehen. Natürlich ist das in den wieder größer<br />
werdenden Klassenverbänden nur bedingt durchführbar. Dennoch<br />
sollen und dürfen Kinder auch Fehler machen, einmal einen träumerischen<br />
Tag haben oder bei gewissen Lernschritten einfach länger<br />
brauchen dürfen!<br />
Eltern benötigen mitunter die Ermutigung und die „Erlaubnis“ der<br />
Klassenlehrerin, dass ihr Kind Zeit braucht um „zu werden“ – und<br />
das gelingt noch immer am besten jenseits aller Hektik. Die besten<br />
Vorbilder in „Ruhe geben“ sind die Erwachsenen selber – das gilt<br />
sowohl für Eltern als auch für Lehrer.<br />
Wie viel Not und Tränen könnten in<br />
Familien vermieden werden, wenn die<br />
natürlichen Bedürfnisse eines Kindes<br />
nach ausreichend Ruhe, Schlaf und Zeit<br />
berücksichtigt würden. Kinder zu haben<br />
bedeutet Verzicht und besonders in den<br />
Vorschuljahren auch das Anpassen der<br />
elterlichen Lebens- und Arbeitsplanung<br />
an die emotionalen und physischen<br />
Bedürfnisse der Kinder.<br />
Foto: © pixabay.com<br />
23 | <strong>JUNI</strong> <strong>2017</strong>