jahresbericht_2016_17_klein
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„Keine Politik ohne Ethik“<br />
Harald Sonderegger referierte im Rahmen eines<br />
Ethikseminars an der HAK/HAS. Ein Bericht von<br />
Laurence Feider<br />
„Wer Politik und Moral auseinanderhalten will, versteht<br />
von beidem nichts“ – dieses Zitat von Jean-<br />
Jacques Rousseau, ausgedruckt auf neongrünem<br />
Papier, schmückte die Stühle in der Aula der HAK/<br />
HAS Lustenau. Anlass war ein Vortrag zum Thema<br />
„Ethik und Politik“. Als Referent zu Gast war der Vorarlberger<br />
Landtagspräsident Harald Sonderegger.<br />
Ethik und Macht<br />
Zu Beginn seines Vortrags ging Sonderegger auf<br />
die Definition von Ethik als Wissenschaft von der<br />
Moral und ihre verschiedenen Ausprägungsformen<br />
ein. Untrennbar damit verbunden sei auch<br />
der Begriff der Macht, wobei Sonderegger zwischen<br />
„power to“ und „power over“ unterschied.<br />
Auch Cicero wurde zitiert, der sinngemäß sagte:<br />
„Die Herrschaftsmacht sitzt im Volk, die Überzeugungsmacht<br />
im Senat.“ In unserem demokratischen<br />
System delegiert das Volk die Macht an<br />
die von ihm gewählten Mandatare oder Parteien.<br />
Die Umsetzung erfolgt nicht im Sinne einer „Herrschermacht“,<br />
sondern wird mithilfe der Organe<br />
umgesetzt. „Als Politiker befindet man sich in einem<br />
Spannungsfeld, das auch ethische Fragen<br />
aufwirft“, so Sonderegger. Der Landtagspräsident<br />
veranschaulichte diesen Konflikt mittels eines<br />
Beispiels. Auf einem Dorfplatz steht seit vielen<br />
Jahren ein Kastanienbaum, der dem Volksschullehrer<br />
als Biologie-Anschauungsunterricht dient,<br />
alten Menschen Schatten spendet<br />
und unter dem Kinder im Herbst<br />
Kastanien sammeln. Der Baum wird morsch und<br />
soll aus Sicherheitsgründen gefällt und durch einen<br />
jungen Baum werden. Hier stoßen nun verschiedene<br />
Interessen aufeinander – denn wie soll<br />
ein junger Baum Schatten spenden, meinen die<br />
älteren Dorfbewohner. Der Volksschullehrer begrüßt<br />
das geplante Vorgehen, die Sicherheit der<br />
Kinder geht vor. Für den Politiker gilt es zwischen<br />
den verschiedenen Interessen abzuwägen und unabhängig<br />
von seinen eigenen Interessen eine Entscheidung<br />
zu treffen.<br />
Ethisches Verhalten<br />
Zum ethischen Verhalten in der Politik<br />
ging Sonderegger anschließend<br />
auf die von Max Weber propagierte<br />
Unterscheidung zwischen Gesinnungsethik<br />
und Verantwortungsethik<br />
ein, die gerade in der Flüchtlingsfrage<br />
vielfach zitiert wurde. Bei der Gesinnungsethik<br />
handelt man nach seiner<br />
Überzeugung, das Resultat ist weniger wichtig. Bei<br />
der Verantwortungsethik steht die Verantwortbarkeit<br />
der Resultate an erster Stelle. Der Willkommenskultur<br />
warfen Kritiker gesinnungsethisches<br />
Handeln vor, politisches Handeln sollte jedoch verantwortungsethisch<br />
orientiert sein.<br />
Politik nur mit Ethik<br />
„Politik braucht Ethik als Orientierung. Für mich<br />
sind beide Begriffe ganz klar mit „und“ und nicht