jahresbericht_2016_17_klein
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werden, hätte sich der Aufwand für Ethikunterricht<br />
bei weitem gelohnt.<br />
Eines sollte sicher sein: Ethische Erziehung gehört<br />
in die Schule, die öffentliche Erziehung wird es<br />
sich nicht leisten können, dem Lauf der Dinge mit<br />
geschlossenen Augen zuzusehen und das Lehren<br />
ethischen Verhaltens dem freien Spiel der Kräfte<br />
am Markt, dem Angebot und der Nachfrage, den<br />
kommerziellen Massenmedien zu überlassen. Einer<br />
hochspezialisierten Wissenschaftlichkeit darf<br />
keine ethisch-politische Unwissenheit gegenüber<br />
stehen. Dies als dringender Appell an die politisch<br />
relevanten Kräfte in Österreich.<br />
Ergänzend noch ein Wort zum geforderten Ethikunterricht<br />
als solchem:<br />
Anton Hügli, emeritierter Professor für Philosophie<br />
und Pädagogik an der Universität in Basel, sagt,<br />
dass es zu den ältesten Ansichten gehört, dass der<br />
größte Teil moralischer Erziehung und Bewusstseinsbildung<br />
nicht über das gesprochene und gelehrte<br />
Wort – er meint hier Ethiktheorie – erfolgt,<br />
sondern über das Beispiel und die anschließende<br />
Vorbildwirkung. Man könnte wohl in Abwandlung<br />
eines bekannten Zitates von Immanuel Kant<br />
(<strong>17</strong>24-1804), deutscher Aufklärungsphilosoph,<br />
sagen: „Ethiktheorie ohne ethische Praxis ist leer,<br />
ethische Praxis ohne Ethiktheorie ist blind“. Auch<br />
hier ist ein Nachholbedarf an vielen Schulen auch<br />
für die Lehrenden gegeben.<br />
An der geforderten neuen Schule (der Schule als<br />
Polis) erfahren die Schüler die wichtigsten Merkmale<br />
unserer Gesellschaft – diejenigen, die sie hat<br />
und diejenigen, die sie haben will. Als eine „embryonic<br />
society“ soll Schule also den Lebensraum<br />
Gesellschaft realisieren, indem Spielregeln beachtet<br />
werden, die den Grundwerten der Gesellschaft<br />
entsprechen: Würde und Freiheit der Person, Vielfalt<br />
der Meinungen, von Lebenszielen und Lebensformen<br />
und ihre pluralistische Gestalt.<br />
„Schule als Ganzes ist Ethikunterricht“, so die Forderung,<br />
Schule als Lebens- und Erfahrungsraum.<br />
Gemeint ist damit, dass nicht nur die einzelnen<br />
Fächer Orte ethischen Lehrens und Lernens sind,<br />
sondern das Schulleben als Ganzes, das sich in regelmäßigen<br />
Festen, Feiern, Projekten und Exkursionen,<br />
im Umgangsstil, der an der Schule lebenden<br />
und arbeitenden Menschen und in vielem anderem<br />
ausdrückt und verlebendigt. Gelebte Ethik an der<br />
Schule betrifft letztlich alle am Bildungskontext<br />
Beteiligten, somit auch die Schulverwaltung und<br />
-politik. Ethik ist somit eine permanente und umfassende<br />
Aufgabe der Schule im weitesten Sinne.<br />
Ist ethisches Bewusstsein internalisiert, bietet es<br />
wesentlich größere Gewähr für richtiges und gerechtes<br />
Handeln, mehr als es präventive Gesetze<br />
jemals könnten. Oft wurde schon die Geschichte<br />
von Menschen durch die eigene Schulgeschichte<br />
geprägt, sowohl positiv als auch negativ (Stalin,<br />
Hitler); ein starkes Indiz für die Bedeutung der<br />
Schule als Lebens- und Erfahrungsraum.