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Zeit für Reform von E. G. White

Vor fünfhundert Jahren, eine Zeit der Reform war ausgebrochen. Die Aufmerksamkeit aller Parteien richtete sich nun auf die Versammlung der deutschen Länder, die kurz nach Karls Thronbesteigung in Worms tagte. Wichtige politische Fragen und Belange sollten auf diesem Reichstag erörtert werden; zum erstenmal sollten die deutschen Fürsten ihrem jugendlichen Monarchen auf einer Ratsversammlung begegnen. Aus allen deutschen Landen hatten sich die Würdenträger der Kirche und des Reiches eingefunden. Der weltliche Adel, gewaltig und eifersüchtig auf seine Erbrechte bedacht; Kirchenfürsten, stolz in dem Bewußtsein ihrer Überlegenheit an Rang und Macht; höfische Ritter und ihr bewaffnetes Gefolge; Gesandte aus fremden und fernen Ländern — alle versammelten sich in Worms. Und auf dieser großartigen Versammlung erregte die Sache des sächsischen Reformators die größte Aufmerksamkeit.

Vor fünfhundert Jahren, eine Zeit der Reform war ausgebrochen. Die Aufmerksamkeit aller Parteien richtete sich nun auf die Versammlung der deutschen Länder, die kurz nach Karls Thronbesteigung in Worms tagte. Wichtige politische Fragen und Belange sollten auf diesem Reichstag erörtert werden; zum erstenmal sollten die deutschen Fürsten ihrem jugendlichen Monarchen auf einer Ratsversammlung begegnen. Aus allen deutschen Landen hatten sich die Würdenträger der Kirche und des Reiches eingefunden. Der weltliche Adel, gewaltig und eifersüchtig auf seine Erbrechte bedacht; Kirchenfürsten, stolz in dem Bewußtsein ihrer Überlegenheit an Rang und Macht; höfische Ritter und ihr bewaffnetes Gefolge; Gesandte aus fremden und fernen Ländern — alle versammelten sich in Worms. Und auf dieser großartigen Versammlung erregte die Sache des sächsischen Reformators die größte Aufmerksamkeit.

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<strong>Zeit</strong> <strong>für</strong> <strong>Reform</strong><br />

wußten. Auf diese Weise zeigte es sich abermals, wie schon oft in der Kirchengeschichte seit den Tagen<br />

Konstantins bis in unsere <strong>Zeit</strong>, daß es verderblich ist, die Kirche mit Hilfe des Staates aufbauen zu wollen<br />

und die weltliche Macht aufzufordern, das Evangelium Jesu Christi zu unterstützen, der erklärt hat: „Mein<br />

Reich ist nicht <strong>von</strong> dieser Welt.“ Johannes 18,36. Die Verbindung zwischen Kirche und Staat, wäre sie noch<br />

so gering, führt, während sie die Welt der Kirche näherzubringen scheint, in Wirklichkeit die Kirche näher<br />

zur Welt.<br />

Den <strong>von</strong> Robinson und Rogger Williams auf so edle Weise verteidigten Grundsatz, daß die Wahrheit<br />

sich entfaltet, und daß die Christen bereit sein sollten, alles Licht anzunehmen, das aus Gottes heiligem Wort<br />

scheinen mag, verloren ihre Nachkommen aus den Augen. Die protestantischen Kirchen Amerikas und auch<br />

Europas, die so sehr begünstigt worden waren, indem sie die Segnungen der <strong>Reform</strong>ation empfingen,<br />

drangen auf dem Pfad der <strong>Reform</strong> nicht weiter vor. Wenn auch <strong>von</strong> <strong>Zeit</strong> zu <strong>Zeit</strong> etliche treue Männer<br />

auftraten, um neue Wahrheiten zu verkündigen und lang gehegte Irrtümer bloßzustellen, so war doch die<br />

Mehrzahl, wie die Juden in den Tagen Christi oder die Päpstlichen zur <strong>Zeit</strong> Luthers, damit zufrieden, zu<br />

glauben, was ihre Väter geglaubt, und zu leben, wie ihre Väter gelebt hatten. Deshalb artete ihre Religion<br />

abermals in Formenwesen aus, und Irrtümer und Aberglaube die man verworfen hätte, wäre die Gemeinde<br />

weiterhin im Lichte des Wortes Gottes gewandelt, wurden beibehalten und gepflegt. Auf diese Weise starb<br />

der <strong>von</strong> der <strong>Reform</strong>ation eingeflößte Geist allmählich aus, bis sich in den protestantischen Kirchen ein<br />

beinahe ebenso großes Bedürfnis nach einer <strong>Reform</strong>ation einstellte wie in der römischen Kirche zur <strong>Zeit</strong><br />

Luthers. Es herrschte die gleiche weltliche Gesinnung, die gleiche geistliche Abgestumpftheit, eine ähnliche<br />

Ehrfurcht vor den Ansichten der Menschen, und man ersetzte die Lehren des Wortes Gottes durch<br />

menschliche Theorien.<br />

Der weiten Verbreitung der Bibel zu Anfang des 19. Jahrhunderts und dem vielen Licht, das auf diese<br />

Weise über die Welt gekommen war, folgte kein entsprechender Fortschritt in der Erkenntnis der offenbarten<br />

Wahrheit oder in der religiösen Erfahrung. Satan konnte nicht wie in früheren <strong>Zeit</strong>en dem Volke das Wort<br />

Gottes vorenthalten, weil es allen erreichbar war; um aber dennoch seine Absichten ausführen zu können,<br />

veranlaßte er viele, die Heilige Schrift geringzuachten. Die Menschen versäumten es, in der Heiligen Schrift<br />

zu forschen und nahmen dadurch ständig falsche Auslegungen an und pflegten Lehren, die mit den Aussagen<br />

der Heiligen Schrift nicht übereinstimmten. Als Satan bemerkte, daß seine Anstrengungen, die Wahrheit<br />

durch Verfolgung zu unterdrücken, fehlschlugen, nahm er seine Zuflucht wieder zu Zugeständnissen,<br />

wodurch einst der große Abfall und das Aufkommen der römischen Kirche veranlaßt wurden. Er verleitete<br />

die Christen, sich, wenn nicht mit Heiden, so doch mit denen zu verbinden, die sich durch die Verehrung der<br />

Dinge dieser Welt ebensosehr als wahre Götzendiener erwiesen hatten wie die Anbeter der Götzenbilder.<br />

Die Folgen dieser Verbindung waren jetzt nicht weniger verderblich als damals; unter dem Deckmantel der<br />

Religion pflegte man Stolz und Verschwendung, und dunkle Machenschaften herrschten in der Kirche. Satan<br />

fuhr fort, die Lehren der Bibel zu verdrehen, und die Überlieferungen, die Millionen zugrunde richten sollten,<br />

faßten tief Wurzel. Die Kirche hielt an diesen Überlieferungen fest und verteidigte sie, statt um den Glauben<br />

zu kämpfen, „der einmal den Heiligen übergeben ist“. Judas 3. So wurden die Grundsätze, um derentwillen<br />

die <strong>Reform</strong>atoren so viel getan und gelitten hatten, herabgewürdigt.<br />

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