Magazin Mitarbeitende Solothurner Spitäler 03/17 - Wiki, wiki
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
FOKUS<br />
UND PLÖTZLICH<br />
IST ALLES ANDERS…<br />
Die Zeit der Schwangerschaft ist befristet. Oft wird der Moment der Geburt innig herbeigesehnt.<br />
Endlich das neue Wunder in den Armen halten. Manchmal dauert es an. Oder es geht ganz schnell.<br />
Einer Hebamme ist der gewandte Umgang mit dem Faktor Zeit bestens vertraut.<br />
Marina Gehriger, dipl. Hebamme,<br />
sieht es als Privileg, Gebärende<br />
begleiten zu dürfen.<br />
Schichtwechsel um 07.00 Uhr. Zwei Hebammen kommen,<br />
zwei gehen. Die beiden neuen beenden ihre<br />
Arbeit um 15.24 Uhr. Oder auch später. Pausen während<br />
der Schicht kann es geben. Diese Momente der<br />
Ruhe, der Nahrungsaufnahme und des Austauschs<br />
sind Bestandteil der Arbeitszeit. An gewissen Tagen<br />
fallen sie auch weg. Das mitgebrachte Birchermüesli<br />
bleibt im Kühlschrank. Vielleicht reicht es für zwei,<br />
drei Löffel. Die persönlichen Bedürfnisse werden<br />
dem Tagesgeschäft völlig untergeordnet. So kennen<br />
es sonst noch die Notfall- sowie die Intensivpflegestation.<br />
«Für diese offene Gestaltung des Zeitmanagements»,<br />
so Kathrin Stettler, Leiterin der Geburtenabteilung<br />
im Bürgerspital, «braucht es grosse Flexibilität<br />
und Bereitschaft der Mitarbeiterin.» Weiter<br />
bedürften ihre Kolleginnen Freude an Herausforderungen;<br />
sie müssten sich rasch auf unverhoffte, sich<br />
schnell verändernde Situationen einstellen können.<br />
Natürlich gibt es auch das andere, die langen Zeiten.<br />
Dann, wenn die Gemächlichkeit in den Gängen der<br />
Abteilung zu kleben scheint. Es geht kaum vorwärts.<br />
«Dann nutzen wir die Zeit zum Auffüllen von Material<br />
oder wir putzen etwas. Manchmal helfen wir auch im<br />
Wochenbett aus», ergänzt Marina Gehriger.<br />
Das eigentliche Interview mit Marina Gehriger findet<br />
nach Dienstschluss statt. Sie nimmt sich eigens Zeit<br />
für unsere Unterhaltung.<br />
Wenn wir die Zeit etwas zurückdrehen:<br />
Mit welchem Erlebnis verbinden Sie Ihren<br />
ersten Einsatz als Hebamme?<br />
Marina Gehriger: «Gerne erinnere ich mich an die<br />
erste Geburt, die ich begleiten durfte. Der werdende<br />
Vater kümmerte sich rührend um mich. Ich glaube,<br />
er hatte mehr Sorge um mich als um seine Frau. Die<br />
Zeit hatte ich dabei völlig vergessen.» Mittlerweile<br />
hat Marina Gehriger schon etliche Kinder auf dem<br />
Weg ins Leben begleitet. Sie sieht es als Privileg,<br />
Menschen in den intimen Phasen von der Schwangerschaft<br />
zur Geburt und bis hin zum Wochenbett<br />
unterstützen zu dürfen.<br />
Im Gebärsaal herrsche ein eigenes Zeitempfinden.<br />
Manchmal rennt der Sekundenzeiger, manchmal<br />
dreht er behaglich seine Runden. Im Berufsalltag<br />
Zeit haben heisst, sich mit Gelassenheit um die Gebärende<br />
zu kümmern. Ihr zuhören, mit ihr plaudern<br />
und beobachtend herausfinden, welche Unterstützung<br />
die werdende Mutter brauchen könnte. Mit dem<br />
Aufbau einer Verbindung steigt zunehmend auch das<br />
Vertrauen ineinander. Zudem wirkt es sich positiv auf<br />
das Zeitgefühl aus. Beobachten und einfühlen müsse<br />
sich eine Hebamme können. Und dann diese Beobachtungen<br />
rasch innerlich auswerten. Soll ich eine<br />
Massage anbieten? Oder ist ein Gespräch zur Beruhigung<br />
vonnöten? Vielleicht aber einfach nur gemeinsames<br />
Schweigen?<br />
Gibt es diese Geburten, bei denen alles<br />
nach Plan verläuft?<br />
«Ja, die gibt es. Die Frauen hören auf ihren Körper und<br />
nehmen die Situation an, wie sie ist.» Dabei würden<br />
sie die Kontraktionen arbeiten lassen. In diesen Momenten<br />
gebe es weder Minuten noch Stunden. Vielmehr<br />
gleiche das Ganze einem freudigen Fliessen.<br />
«IM BERUFSALLTAG<br />
ZEIT HABEN HEISST,<br />
SICH MIT GELASSEN-<br />
HEIT UM DIE GEBÄ-<br />
RENDE ZU KÜMMERN.»<br />
MARINA GEHRIGER<br />
Anders ist es, wenn die werdende Mutter ungeduldig<br />
wird und mit der Zeit hadert. Wenn es einfach nicht<br />
vorwärts gehe. Wie reagiert Marina Gehriger in solchen<br />
Stresssituationen? Sie lacht und demonstriert<br />
ihre aufgestellte, menschliche Wesensart. In solchen<br />
•••<br />
13