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Konjunktur<br />
Die Aktien fallen –<br />
und die Wirtschaft stottert<br />
Beat Schumacher<br />
Die Aktienmärkte haben sich von der<br />
Realwirtschaft teilweise abgekoppelt.<br />
Euroland ist weniger stark von den<br />
Aktienkursschwankungen betroffen<br />
als die Vereinigten Staaten.<br />
Die Credit Suisse geht von einem<br />
anhaltenden, wenn auch moderaten<br />
Wirtschaftswachstum aus.<br />
In den USA ist das jährliche Wachstum des<br />
Bruttoinlandproduktes (BIP) gegenüber dem<br />
Vorquartal von fünf Prozent im ersten Quartal<br />
20<strong>02</strong> auf 1,1 Prozent im zweiten Quartal<br />
20<strong>02</strong> zurückgegangen. Die Unternehmen<br />
scheinen ihre Produktion und ihre im letzten<br />
Jahr massiv abgebauten Lagerbestände<br />
wieder an die Endnachfrage angepasst zu<br />
haben. Nachdem dieser Anpassungsprozess<br />
vorerst abgeschlossen ist, wird der Konjunkturverlauf<br />
wieder verstärkt den Wachstumsraten<br />
des privaten Konsums und der Investitionen<br />
folgen. Allerdings haben sich in jüngster<br />
Zeit die Aktienmärkte von der Realwirtschaft<br />
teilweise abgekoppelt und massive Kurseinbrüche<br />
hinnehmen müssen, was wiederum<br />
ein Fragezeichen hinter die weitere Wirtschaftsentwicklung<br />
setzt.<br />
Das Wachstum bleibt moderat<br />
Massive Aktienkursrückgänge können primär<br />
über den Vermögenseffekt und über den<br />
Vertrauensverlust die Realwirtschaft beeinflussen.<br />
Während der Vermögenseffekt in<br />
den USA seit längerem intensiv studiert wird,<br />
ist er in Euroland ein weniger brisantes<br />
Thema. Der Grund dafür ist leicht ersichtlich,<br />
spielen doch die Aktienmärkte im Eurogebiet<br />
eine weniger wichtige Rolle als in den USA.<br />
Während in den USA rund die Hälfte aller<br />
Bürger direkt oder indirekt Aktien hält, ist es<br />
im Eurogebiet nur rund jeder Fünfte. Auch<br />
anhand des Verhältnisses von Aktienmarktkapitalisierung<br />
zu BIP (siehe oberste Grafik<br />
auf Seite 43) ist diese Tatsache deutlich<br />
ersichtlich.<br />
Zudem zeigen Untersuchungen, dass die<br />
Sensitivität der Konsumenten auf Vermögensschwankungen<br />
in Euroland deutlich tiefer ist<br />
als in den USA, das heisst, Europäer verändern<br />
selbst bei signifikanten Vermögensschwankungen<br />
ihr Sparverhalten und ihre<br />
Konsumneigung weniger stark. Gesamthaft<br />
ist auf Grund der tieferen Aktienvermögen und<br />
der geringeren Empfindlichkeit der Konsumenten<br />
auf Vermögensveränderungen die<br />
Volkswirtschaft Eurolands im Vergleich zu<br />
jener der USA von Aktienkursschwankungen<br />
also weniger stark betroffen.<br />
In einem Umfeld gesunkener Aktienvermögen<br />
und unsicherer Arbeitsmarktperspektiven<br />
tendieren die Konsumenten aber auch<br />
hier dazu, etwas mehr zu sparen und weniger<br />
zu konsumieren. Die mittlere Grafik illustriert,<br />
dass das Konsumentenvertrauen in den USA<br />
und im Eurogebiet im Juni/Juli bereits gesunken<br />
ist. Immerhin gibt es aber auch günstige<br />
Einflussfaktoren. In den USA werden die Vermögensverluste<br />
der Aktien mindestens teilweise<br />
durch die gestiegenen Immobilienpreise<br />
kompensiert. Die Credit Suisse rechnet deshalb<br />
nicht mit einem Einbruch des privaten<br />
US-Konsums, der rund zwei Drittel des BIP<br />
ausmacht, aber doch mit einer nur moderaten<br />
Wachstumsrate. Im Euroraum wurde<br />
der private Konsum Anfang Jahr von der<br />
deutlich angestiegenen Inflation gedämpft.<br />
Die seither gesunkene Inflationsrate wirkt<br />
positiv auf das real verfügbare Einkommen<br />
und bietet dem Konsum zumindest Unterstützung.<br />
Unternehmen kommen nicht in Fahrt<br />
Beidseits des Atlantiks entwickelt sich die<br />
Investitionstätigkeit der Unternehmen schleppend.<br />
Obwohl sich die Kapazitätsauslastung<br />
leicht verbessert hat, ist sie immer noch tief<br />
(Grafik unten). Zudem dämpfen die angespannte<br />
Ertragslage, die schwierigeren Finanzierungsbedingungen<br />
und die unsicheren<br />
Foto: Martin Stollenwerk<br />
42 Credit Suisse Bulletin 4-<strong>02</strong>