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WEALTH MANAGEMENT TOPICS<br />
Wege und Irrwege von<br />
Reformen im Gesundheitswesen<br />
Das Schweizer Gesundheitswesen steht im Brennpunkt der Politik. Der gute Leistungsausweis bleibt<br />
unbestritten, doch Kostenanstieg und Prämienentwicklung sind problematisch. Leistungskürzungen sind<br />
nicht angezeigt, da Rationalisierungspotenzial besteht. Von Petra Huth und Semya Ayoubi, Economic Research & Consulting<br />
Fotos: Muriel Lässer, Martin Stollenwerk<br />
Die guten Leistungen des Gesundheitswesens<br />
erhöhen die Lebensqualität und<br />
reduzieren die volkswirtschaftlichen Kosten<br />
von Unfall und Krankheit. Doch gehören die<br />
Ausgaben für das Gesundheitswesen in der<br />
Schweiz im internationalen Vergleich zu den<br />
höchsten und drohen aus dem Ruder zu laufen.<br />
Während das Bruttoinlandprodukt (BIP)<br />
zwischen 1990 und 2000 um durchschnittlich<br />
2,5 Prozent pro Jahr gestiegen ist, nahmen<br />
die Kosten für das Gesundheitswesen um<br />
4,8 Prozent, jene für die Grundpflegeversicherung<br />
gar um 6,7 Prozent zu. Brisant ist,<br />
dass diese Kostenentwicklung eine Sozialversicherung<br />
betrifft, die über Kopfprämien<br />
finanziert wird. Die Prämienverbilligungen<br />
entlasten zwar die untersten Einkommensschichten,<br />
doch lastet der grösste Prämiendruck<br />
nun auf den Haushalten mit mittleren<br />
Einkommen ohne Verbilligungsanspruch.<br />
Warum explodieren die Kosten?<br />
Die wesentlichen Triebkräfte der Kostensteigerung<br />
lassen sich in externe und im<br />
Krankenversicherungssystem enthaltene Faktoren<br />
unterteilen. Ein externer Faktor ist<br />
die demographische Alterung. Weil der<br />
Anteil älterer Menschen in der Bevölkerung<br />
zunimmt, werden mehr Pflegeleistungen in<br />
Anspruch genommen. Erfahrungsgemäss<br />
führt auch die Nähe zum Todeszeitpunkt zu<br />
höheren Krankheitskosten. Weil aber die<br />
Mortalität gegenwärtig noch sinkt, schlägt<br />
sich dies noch nicht negativ in der Krankenversicherung<br />
nieder. Erst in etwa zehn Jahren<br />
wird die Sterbequote mit den entsprechenden<br />
Kostenfolgen tendenziell ansteigen.<br />
Der zweite externe Faktor der Kostensteigerung<br />
ist der medizinische Fortschritt. Damit<br />
gehen zwar verbesserte, aber auch teurere<br />
Behandlungsformen einher.<br />
«Das Potenzial für<br />
Rationalisierungen ist<br />
beträchtlich.»<br />
Semya Ayoubi (links) und Petra Huth<br />
Diese externen Faktoren sind nicht beeinflussbar.<br />
Um ihre Wirkungen auf die Kostenentwicklung<br />
zu bremsen, müsste der Leistungskatalog<br />
der Krankenversicherung<br />
gekürzt werden. Dies ist aber gesellschaftspolitisch<br />
nicht wünschbar. Zuerst sollten die<br />
Einsparmöglichkeiten bei den im System<br />
enthaltenen kostentreibenden Faktoren ausgeschöpft<br />
werden. So führt der Versicherungsschutz<br />
zusammen mit der hohen Wertschätzung<br />
für die Gesundheit dazu, dass<br />
die Patienten das Kosten-Nutzen-Verhältnis<br />
kaum berücksichtigen. Gleichzeitig legen<br />
Ärzte den Behandlungsbedarf selber fest und<br />
können ihre Leistungen über die Krankenversicherung<br />
abrechnen. Dies setzt Anreize<br />
zur Ausweitung der Leistungsmenge. Auch<br />
strukturelle Gründe wie mangelnde Kostentransparenz<br />
und die nicht optimierte Aufgabenteilung<br />
unter den Akteuren stehen<br />
Einsparungen entgegen.<br />
Es gibt verschiedene Reformmöglichkeiten<br />
Im ambulanten Bereich kann der Mengenausweitung<br />
begegnet werden, indem auf das<br />
Verhalten der Patientinnen und Patienten<br />
korrigierend eingewirkt wird. Versicherungsformen<br />
mit höherer Franchise oder eingeschränkter<br />
Arztwahl sind bereits mit Erfolg<br />
eingeführt. Überdies kann der Informationsstand<br />
der Versicherten mit telefonischer<br />
Beratung oder Zweitmeinungen verbessert<br />
werden. Solche Massnahmen unterstützen<br />
Zwei Studien zum Thema «Diagnose und Behandlungsvorschläge»<br />
Das Economic Research & Consulting der Credit Suisse legt zum Thema Gesundheitswesen<br />
zwei Studien vor: Im Economic Briefing Nr. 30 mit dem Titel «Das Schweizer<br />
Gesundheitswesen – Diagnose für einen Patienten» werden die Strukturen und Wechselwirkungen<br />
des Gesundheitswesens nach Akteuren vorgestellt. Mit Blick auf die Kostenentwicklung<br />
werden zudem die wirtschaftlichen und sozialpolitischen Wirkungen des<br />
bestehenden Systems dargelegt. Die Spezialstudie mit dem Titel «Das Schweizer<br />
Gesundheitswesen – Behandlungsvorschläge für einen Patienten» greift die Analyse nach<br />
Akteuren wieder auf und beschreibt mögliche Reformen und ihre Konsequenzen. Die<br />
Vor- und Nachteile werden aus ökonomischem Blickwinkel bewertet, ohne die sozialpolitische<br />
Sicht aus den Augen zu verlieren. Beide Studien sind auf dem Internet abrufbar:<br />
www.credit-suisse.ch/de/economicresearch/publikationen/economicbriefings<br />
Credit Suisse Bulletin 4-<strong>02</strong> 63