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Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Jugendhilfe - AWO ...

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<strong>Freiheitsentziehende</strong> Maßnahmen ... aus Sicht <strong>der</strong> Pädagogik<br />

weh tut und wir e<strong>in</strong> bisschen hilflos dastehen,<br />

doch immer vor Augen halten. Wir haben es mit<br />

e<strong>in</strong>er Logik verän<strong>der</strong>ter medialer Inszenierung zu<br />

tun. All die Fälle, mit denen wir <strong>in</strong> den letzten<br />

Jahren konfrontiert waren, s<strong>in</strong>d sozusagen „mediale<br />

Fiktionen“. Es gibt ke<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>weise aus <strong>der</strong><br />

seriösen Forschung, dass die K<strong>in</strong><strong>der</strong> schwieriger<br />

werden, son<strong>der</strong>n wir haben es mit e<strong>in</strong>er völlig<br />

verän<strong>der</strong>ten medialen Landschaft zu tun, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Medien, Politik und Wissenschaft aber auch<br />

fachliche Dienste e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d. Die mediale<br />

Landschaft wird gesteuert durch e<strong>in</strong> neues<br />

Instrument, das, wenn Sie so wollen, heißt,<br />

„Aufmerksamkeit gew<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Aufmerksamkeitsgesellschaft“.<br />

Aufmerksamkeit ist die<br />

große Währung. Wer Aufmerksamkeit gew<strong>in</strong>nt,<br />

erzielt Werbee<strong>in</strong>nahmen. Wir dürfen überhaupt<br />

nicht übersehen, dass die medialen Landschaften<br />

von e<strong>in</strong>er Vielzahl von konkurrierenden<br />

Fernsehanstalten geprägt wird, die eben von<br />

Geld abhängig s<strong>in</strong>d. Und das bedeutet, dass hier<br />

Ereignisse massiv <strong>in</strong>szeniert und hoch dramatisiert<br />

werden müssen, weil man nur so Aufmerksamkeit<br />

gew<strong>in</strong>nen kann. Das ist e<strong>in</strong> ganz massiver<br />

Unterschied zu dem, was wir noch vor 20<br />

Jahren erlebt haben. Das kapieren ja mittlerweile<br />

selbst die Politiker, die das e<strong>in</strong>geführt<br />

haben (Privatfernsehen). Wir haben es mit e<strong>in</strong>er<br />

verän<strong>der</strong>ten Dramatisierungssituationen zu tun..<br />

Und das bedeutet, das e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>guläres Ereignis<br />

radikal ausgeschlachtet werden muss, um Aufmerksamkeit<br />

zu gew<strong>in</strong>nen. Das Problem besteht<br />

nun dar<strong>in</strong>, dass die Politik darauf e<strong>in</strong>gestiegen<br />

ist, weil sie nur über diese radikale Inszenierungen<br />

ihrerseits wie<strong>der</strong> Aufmerksamkeit gew<strong>in</strong>nen<br />

kann, zumal Politik selbst immer weiter aus dem<br />

Erfahrungsbereich <strong>der</strong> Bevölkerung heraus fällt.<br />

Es wird ja ke<strong>in</strong>e Rede mehr im Parlament zur<br />

Kenntnis genommen, aber wenn e<strong>in</strong> Politiker<br />

sagt, „Sperrt die K<strong>in</strong><strong>der</strong> e<strong>in</strong>!“ wird das wahrgenommen.<br />

Es ist e<strong>in</strong> großes Inszenierungsspektakel, das<br />

aber zwei massive Folgen hat: Die e<strong>in</strong>e Folge ist<br />

die, dass sich die Politik momentan sozusagen<br />

auf „riskante Familien“ richtet. Wenn wir längerfristig<br />

verfolgen, was da passiert ist, dann ist<br />

hier e<strong>in</strong>e Situation entstanden, dass Familien<br />

komplett als „Risikofaktoren“ identifiziert worden<br />

s<strong>in</strong>d, und da hat die Fachdiskussion <strong>in</strong>zwischen<br />

mitgemacht – beim letzten Jugendbericht<br />

18<br />

war das ganz e<strong>in</strong>deutig <strong>der</strong> Fall. Da hat man<br />

Familien unter e<strong>in</strong>en Generalverdacht gestellt,<br />

sie könnten a) K<strong>in</strong><strong>der</strong> vernachlässigen o<strong>der</strong> b)<br />

<strong>der</strong> Anlass dafür sei, dass K<strong>in</strong><strong>der</strong> entgleisen –<br />

auch hier wie<strong>der</strong>um die Inszenierung <strong>der</strong> sog.<br />

„Risk-Families“.<br />

Die zweite Dimension, die aber noch gar nicht so<br />

bekannt ist, aber wer genauer h<strong>in</strong>schaut, wird<br />

das beobachten können: wir haben e<strong>in</strong>e massive<br />

Umsteuerung <strong>in</strong> dieser Dramatisierung h<strong>in</strong><br />

zu K<strong>in</strong><strong>der</strong>n. Und h<strong>in</strong> zu K<strong>in</strong><strong>der</strong>n heißt ganz konkret,<br />

dass <strong>der</strong> Bereich <strong>der</strong> Jugendlichen o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

beg<strong>in</strong>nenden Jugendlichen zunehmend aus <strong>der</strong><br />

Aufmerksamkeit herausrutscht. Das ist wirklich<br />

auch was, was ich Ihnen als Verband ans Herz<br />

legen muss, dass wir nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Falle h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geraten,<br />

die <strong>in</strong> Großbritannien gegenwärtig <strong>in</strong><br />

ihren Effekten zu beobachten ist. Dass nämlich<br />

dieses Spiel, das ich eben angedeutet habe, dieses<br />

Spiel „Medien – Politik – Wissenschaft –<br />

Fachdienste“, sich konzentriert auf die „Risk-<br />

Families“, wobei vornehmlich auf die kle<strong>in</strong>en<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong> gesehen wird, welche als das große wirtschaftliche<br />

Gut für die Zukunft gelten. Sie kennen<br />

ja auch alle diese For<strong>der</strong>ung, „Wir müssen<br />

das Gold aus den Köpfen unserer K<strong>in</strong><strong>der</strong> heben“!<br />

Das aber hat dazu geführt, dass <strong>in</strong> Großbritannien<br />

die Versorgung von Jugendlichen, also <strong>der</strong><br />

Altersgruppe ab 10 Jahren und schon beg<strong>in</strong>nend<br />

bei 8 Jahren, völlig verloren gegangen und aus<br />

dem Blick geraten ist. Und ich muss jetzt hier<br />

auch e<strong>in</strong>e heilige Kuh schlachten, dass nämlich<br />

die Debatte um die Ganztagsschulen <strong>in</strong> die ähnliche<br />

Richtung weist! Man blickt auf kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>,<br />

man blickt aber überhaupt nicht mehr darauf,<br />

was junge Menschen ab dem Alter von 10<br />

Jahren benötigen, dass sie spezifische Bedürfnisse<br />

und Probleme haben und beson<strong>der</strong>er Aufmerksamkeit<br />

und Hilfe bedürfen – und dass sich<br />

genau das nicht mit <strong>der</strong> Ganztagsschule erledigt.<br />

Wir haben also die Schwierigkeit, dass wir auf<br />

Familien und auf kle<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong> gucken. Dort<br />

greifen wir e<strong>in</strong> mittels materieller Steuerung –<br />

also wir haben z. B. Elterngeld –, aber es brechen<br />

schlicht und ergreifend die <strong>Jugendhilfe</strong>angebote<br />

für die älteren K<strong>in</strong><strong>der</strong> und Jugendlichen<br />

weg. Der Effekt ist, dass wir die Jugendlichen aus<br />

dem Blick verlieren und aus dem Angebot <strong>der</strong><br />

<strong>Jugendhilfe</strong>leistungen. Und ich fürchte, wir wer-

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