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Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Jugendhilfe - AWO ...

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<strong>Freiheitsentziehende</strong> Maßnahmen ... aus Sicht <strong>der</strong> öffentliche <strong>Jugendhilfe</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

wenn sie ja gerade (noch) nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage s<strong>in</strong>d,<br />

die Tragweite und Konsequenzen ihres Handelns<br />

zu erkennen.<br />

Die pädagogische Aufgabe ist hier die Motivierung<br />

<strong>der</strong> jungen Menschen zur freiwilligen Mitarbeit<br />

durch ihre Bezugspersonen. Verb<strong>in</strong>dlichkeit<br />

heißt <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auch, dass<br />

die Bezugsperson die rechtliche Möglichkeit<br />

(durch die richterliche Genehmigung o<strong>der</strong> die<br />

Vormundschaft) hat, dem Klienten altersgerecht<br />

zu untersagen, die E<strong>in</strong>richtung zu verlassen, und<br />

dieses Verbot auch durchzusetzen.<br />

Die sozialpädagogische Arbeit mit dieser schwierigen<br />

Personengruppe<br />

• ist nur mit e<strong>in</strong>em dichten Beziehungsangebot<br />

möglich,<br />

• kann nur <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Gruppen erfolgen, e<strong>in</strong>e<br />

Problemmassierung von schwierigen und auffälligen<br />

jungen Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung<br />

wird aus pädagogischen Gründen für wenig<br />

för<strong>der</strong>lich gehalten,<br />

• erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle, dem Hilfebedarf<br />

und E<strong>in</strong>zelfall angemessene pädagogische<br />

Betreuung, die je nach familiärer und psychosozialer<br />

Situation sowie sozialer und ethnischer<br />

Herkunft ganz unterschiedlich se<strong>in</strong><br />

muss,<br />

• sollte möglichst <strong>in</strong> sozialer Distanzierung vom<br />

bisherigen Umfeld stattf<strong>in</strong>den,<br />

• erfor<strong>der</strong>t, dass die genannten Freiheitse<strong>in</strong>schränkungen<br />

immer nur kurzfristig erfolgen<br />

und (Entscheidungs-) Freiheiten stufenweise<br />

wie<strong>der</strong>gewonnen werden können,<br />

• erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong> strukturelles Gesamtangebot von<br />

schulischen und sonstigen För<strong>der</strong>möglichkeiten,<br />

• muss sowohl auf die „Aussöhnung“ mit den<br />

Eltern und <strong>der</strong> eigenen Biographie wie auf<br />

Verselbständigung und wachsende Verantwortungsübernahme<br />

gerichtet se<strong>in</strong>,<br />

• hat gezeigt, dass die „Haltequote“ von <strong>der</strong><br />

Qualität des pädagogischen Angebotes abhängig<br />

ist.<br />

Diese Leitl<strong>in</strong>ien für e<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dliche Betreuung<br />

können <strong>in</strong>tegrativ <strong>in</strong> völlig unterschiedlichen<br />

E<strong>in</strong>richtungen realisiert werden. Das<br />

Patentrezept e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung für alle gibt es<br />

nicht.<br />

K<strong>in</strong><strong>der</strong>schutz und K<strong>in</strong>desrechte<br />

Auch im beson<strong>der</strong>en E<strong>in</strong>zelfall stellt e<strong>in</strong>e freiheitsentziehende<br />

Maßnahme e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>schneidenden<br />

E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Grundrechte des K<strong>in</strong>des<br />

dar. Diese Entscheidung kann deshalb nur fallen,<br />

wenn sie das Wohl des K<strong>in</strong>des zw<strong>in</strong>gend<br />

erfor<strong>der</strong>t. Damit kann e<strong>in</strong> erheblicher E<strong>in</strong>griff<br />

dieser Art nur zum Ziel haben, <strong>in</strong> kürzester Zeit<br />

alle Bed<strong>in</strong>gungen zu schaffen, die Persönlichkeitsrechte<br />

une<strong>in</strong>geschränkt wie<strong>der</strong>herzustellen.<br />

Die Abwägung zwischen dem Schutz des K<strong>in</strong>des/des<br />

Jugendlichen vor e<strong>in</strong>er – auch <strong>der</strong> selbst<br />

<strong>in</strong>duzierten – Gefährdung und e<strong>in</strong>er Beschneidung<br />

se<strong>in</strong>er Freiheit darf sich niemand leicht<br />

machen. Es mutet schon seltsam an, wie schnell<br />

wir K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen, die abhängig und<br />

unmündig s<strong>in</strong>d, ihre eigenständigen Persönlichkeitsrechte<br />

absprechen, weil wir, die Erwachsenen,<br />

die Eltern, die Vormün<strong>der</strong>, das Jugendamt,<br />

besser wissen, was gut für sie ist. Im Gegensatz<br />

zu an<strong>der</strong>en Bereichen, <strong>in</strong> denen Grundrechte<br />

beschnitten werden, z. B. Strafvollzug o<strong>der</strong><br />

Unterbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Psychiatrie, gibt es hier<br />

ke<strong>in</strong>e gesetzliche Regelung, die def<strong>in</strong>iert, was<br />

<strong>der</strong> junge Mensch gegen se<strong>in</strong>en Willen zu dulden<br />

hat und welchen Verfahren und Standards die<br />

Unterbr<strong>in</strong>gung zu folgen hat.<br />

Die Bundesarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft <strong>der</strong> Landesjugendämter<br />

(BAGLJÄ) hatte deshalb <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternen<br />

Positionspapier 2002 e<strong>in</strong>e knappe Checkliste<br />

entwickelt, nach <strong>der</strong> die Jugendämter im Rahmen<br />

<strong>der</strong> Hilfeplanung prüfen sollten, ob wirklich<br />

die Notwendigkeit für e<strong>in</strong>e freiheitsentziehende<br />

Maßnahme besteht, d.h. ob die Verhältnismäßigkeit<br />

e<strong>in</strong>er Freiheitsentziehung gewahrt ist:<br />

1. Es gibt ke<strong>in</strong> erzieherisch wirksames Umfeld.<br />

2. Es gibt ke<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Hilfe.<br />

3. Es gibt ke<strong>in</strong>e fachliche Alternative.<br />

4. Die freiheitsentziehenden Bed<strong>in</strong>gungen s<strong>in</strong>d<br />

notwendig, um pädagogisch e<strong>in</strong>wirken zu<br />

können.<br />

5. Im Zentrum steht die pädagogische Beziehung.<br />

6. Freiheitsentziehung ist auf e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß zu<br />

beschränken.<br />

7. Es ist die Reduzierung auf den kürzesten Zeitraum<br />

anzustreben.<br />

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