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Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Jugendhilfe - AWO ...

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Gegner betrachtet wird, von dem man sich abwendet,<br />

son<strong>der</strong>n als Kooperationspartner, <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Teilen gleiche Ziele verfolgt und auf den man zu<br />

geht. An<strong>der</strong>seits soll das Konkurrenzverhältnis<br />

deutlich machen, dass man die jungen Menschen<br />

nicht <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite überlassen will,<br />

son<strong>der</strong>n darum kämpft, dass <strong>der</strong> Jugendliche<br />

o<strong>der</strong> Heranwachsende nicht <strong>in</strong> den Mühlen <strong>der</strong><br />

Justiz landet, son<strong>der</strong>n dass man möglichst das,<br />

was <strong>Jugendhilfe</strong> anzubieten hat, helfend anwendet.<br />

Auf Fachdiskussionen <strong>der</strong> <strong>Jugendhilfe</strong> ist gelegentlich<br />

wahrzunehmen, dass es dort sehr<br />

heterogene Haltungen gibt, die auch e<strong>in</strong> solches<br />

Verständnis mit be<strong>in</strong>halten können, aber immer<br />

wie<strong>der</strong> auch deutlich e<strong>in</strong>e Abgrenzung zur Justiz<br />

e<strong>in</strong>for<strong>der</strong>n. Man will nicht mit <strong>der</strong> Justiz <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Topf geworfen werden und gegenüber den<br />

Betroffenen und <strong>der</strong> Öffentlichkeit e<strong>in</strong>e klare<br />

Distanz zur Strafverfolgung deutlich machen.<br />

Deswegen soll Abstand gehalten werden. Natürlich<br />

soll sich die <strong>Jugendhilfe</strong> nicht an Bestrafung<br />

und Exklusionsmechanismen beteiligen – das<br />

Gegenteil ist ihr Auftrag. Aber wenn sie Abstand<br />

halten will, sich hier nicht emanzipatorisch<br />

engagiert, verfehlt sie ihren Arbeitsauftrag und<br />

schadet den Betroffenen.<br />

2. Frage: Würden aus krim<strong>in</strong>ologischer Sicht<br />

früher ansetzende Zwangsmaßnahmen<br />

gegenüber K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Jugendlichen e<strong>in</strong>en<br />

präventiven Effekt haben?<br />

Die Frage ist zunächst genauer zu bestimmen:<br />

Zunächst e<strong>in</strong>mal kann <strong>der</strong> Begriff Zwangsmaßnahme<br />

unterschiedliches bedeuten. Im Jugendstrafrecht<br />

wird durch die Verurteilung im Pr<strong>in</strong>zip<br />

jede Rechtsfolge zu e<strong>in</strong>er Zwangsmaßnahme:<br />

<strong>der</strong> Betroffenen nimmt eben nicht freiwillig an<br />

e<strong>in</strong>em Angebot <strong>der</strong> Ambulanten Maßnahmen<br />

teil, son<strong>der</strong>n weil er dazu verurteilt wurde und<br />

weil er bei Verweigerung mit dem Ungehorsamsarrest<br />

rechnen muss. Weigert er sich gar, den<br />

Arrest o<strong>der</strong> die Jugendstrafe anzutreten, so wird<br />

er zur Not durch die Polizei mit unmittelbarer<br />

körperlicher Gewalt zugeliefert. E<strong>in</strong>e Brücke zur<br />

<strong>Jugendhilfe</strong> schlagen im Jugendstrafverfahren<br />

auch die vorläufigen Erziehungsanordnungen<br />

und die Maßnahmen zur Untersuchungshaftvermeidung<br />

nach den §§ 71,72 JGG. Man kann sich<br />

<strong>Freiheitsentziehende</strong> Maßnahmen ... aus Sicht <strong>der</strong> Justiz<br />

sicher auch fragen, ob nicht sogar diejenigen<br />

erzieherischen Maßnahmen hier dazugerechnet<br />

werden müssten, die im Rahmen e<strong>in</strong>er Diversion<br />

durchgeführt werden. Denn die im H<strong>in</strong>tergrund<br />

drohende – o<strong>der</strong> sogar ausdrücklich angedrohte<br />

– Fortsetzung des Strafverfahrens mit e<strong>in</strong>er<br />

Anklage entfaltet <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel e<strong>in</strong>e ganz erhebliche<br />

Druckwirkung. So ersche<strong>in</strong>t es mir fragwürdig,<br />

ob hier <strong>in</strong> allen Fällen wirklich von Freiwilligkeit<br />

gesprochen werden kann (etwa wenn <strong>der</strong><br />

beschuldigte Jugendliche sich <strong>der</strong> Prozedur vor<br />

e<strong>in</strong>em sogenannten Schülergericht stellt – <strong>der</strong>artige<br />

Verfahrensarten kommen ja gerade stark<br />

<strong>in</strong> Mode).<br />

An<strong>der</strong>e Zwangsmaßnahmen mit <strong>Jugendhilfe</strong>beteiligung<br />

außerhalb des Strafrechts können se<strong>in</strong>:<br />

• e<strong>in</strong>e unfreiwillige vorläufige Inobhutnahme<br />

• gar freiheitsentziehende Maßnahmen nach<br />

§ 1666 BGB, die vom Familiengericht genehmigt<br />

wurden,<br />

• auch an<strong>der</strong>e <strong>Jugendhilfe</strong>leistungen, zu <strong>der</strong>en<br />

Inanspruchnahme <strong>der</strong> Jugendliche und se<strong>in</strong>e<br />

Erziehungsberechtigten durch das Familiengericht<br />

verpflichtet worden s<strong>in</strong>d. Das neue<br />

Gesetz zur Verbesserung familiengerichtlicher<br />

Maßnahmen benennt nun deutlich, was auch<br />

vorher schon Gesetz war: dass das Familiengericht<br />

unterhalb des Sorgerechtsentzugs<br />

auch dazu verpflichten kann, Angebote <strong>der</strong><br />

<strong>Jugendhilfe</strong> anzunehmen.<br />

Schließlich könnte die Frage so zu verstehen<br />

se<strong>in</strong>, dass nicht nach <strong>der</strong> Handhabung <strong>der</strong> genannten<br />

bestehenden Zwangsmaßnahmen gefragt<br />

wird. Son<strong>der</strong>n dass die Frage so geme<strong>in</strong>t<br />

ist, ob das Jugendamt – de lege ferenda – mehr<br />

Möglichkeiten erhalten soll, se<strong>in</strong>e Hilfen gegenüber<br />

den Betroffenen verb<strong>in</strong>dlich anordnen zu<br />

können.<br />

Außerdem ist zu klären, was mit Maßnahmen<br />

geme<strong>in</strong>t ist, die „früher ansetzen“? Das kann<br />

sich auf e<strong>in</strong> jüngeres Alter beziehen. Es kann<br />

auch me<strong>in</strong>en: bei e<strong>in</strong>er Del<strong>in</strong>quenz-Karriere <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em früheren Stadium zuzugreifen; nicht mehr<br />

so lange zu fackeln, son<strong>der</strong>n schneller zu<br />

Zwangsmaßnahmen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e zu den freiheitsentziehenden<br />

Maßnahmen, zur geschlossenen<br />

Unterbr<strong>in</strong>gung o<strong>der</strong> zur Untersuchungshaft,<br />

zu greifen.<br />

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