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SPORTaktiv Winterguide 2017

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AM OLYMP DES<br />

SKIKAISERREICHS<br />

EGYD GSTÄTTNER<br />

Der Klagenfurter ist<br />

freier Schriftsteller<br />

und Hobbysportler.<br />

Die Olympischen Spiele der Kindheit<br />

sind die schönsten, die hat<br />

man für sein ganzes Leben. Meine<br />

ersten waren die in Sapporo 1972.<br />

Zu nachtschlafender Zeit hat man<br />

damals aufstehen müssen: Bitterkalt<br />

und stockfinster war es draußen, eine<br />

heimtückische Grippeepidemie geisterte<br />

durch die Stadt. Aber es war auch<br />

etwas Abenteuerliches und Aufregendes<br />

und außerdem das Mindeste, was ich<br />

für die Kaiserin Annamirl I. habe tun<br />

können, die Pröll von und zu und für<br />

Österreich, und Winter für Winter<br />

und Abfahrt für Abfahrt habe ich nur<br />

auf ihre drallen Oberschenkel geglotzt,<br />

denn hauteng und formschön waren<br />

die Skihosen schon damals, als sie noch<br />

nicht Stretch-Bodywear hießen und die<br />

frühkindliche Sexualität noch lang nicht<br />

wirklich erforscht war.<br />

Zum Glück habe nur ich unsere Sommersprossenwinterkaiserin<br />

in Sapporo<br />

sehen können, sie in Sapporo mich aber<br />

nicht zu Hause im Pyjama vor dem<br />

Schwarzweißbildschirm. Zudem habe<br />

ich sehen müssen, wie plötzlich etwas<br />

Schweizerisches ohne besondere Schenkel<br />

mit der völligen Namenlosigkeit<br />

Marie-Therese Nadelstich dahergekommen<br />

ist und sich die Majestätsbeleidigung<br />

herausgenommen hat, ungestraft<br />

mir nichts dir nichts den olympischen<br />

Riesenslalom und die Abfahrt zu gewinnen.<br />

Wo doch Abfahrten vorher und<br />

nachher quasi per definitionem und von<br />

Gottes Gnade überhaupt nur dazu da<br />

waren, dass Kaiserin Annemarie sie zu<br />

Österreichs Glanz und Glorie gewinnt.<br />

Man hat im Fernsehen dann auch<br />

das düstere Innere einer Berghütte in<br />

Kleinarl im Morgengrauen gesehen.<br />

Haufenweise rustikale Männchen und<br />

Weiberln in Kopftüchern, offenbar alles<br />

Angehörige des verarmten Kaiserhauses<br />

im Alpenexil, zwischen Öllampen,<br />

Nudelwalkern, Heugabeln, Herrgottswinkeln<br />

und Holzschnitzereien<br />

zusammengekauert vor einem antiken<br />

Radioapparat, die der Fassungslosigkeit<br />

nahe in einer mystischen Sprachlosigkeitssprache<br />

murmelten und rätselten,<br />

wo die junge Kaiserin die Zeit liegen<br />

lassen hat. Niemand hat sie je gefunden,<br />

sodass die verlorene Zeit heute noch<br />

herrenlos irgendwo auf diesem japanischen<br />

Berg herumliegen muss. Innerhoferesk!<br />

(Mit „Innerhofer“ meine ich aber<br />

nicht den Südtiroler Skifahrer, sondern<br />

den Salzburger Schriftsteller!)<br />

Die noch größere Sauerei aber war die<br />

Disqualifikation von Kaiser Karl, bloß<br />

weil der ganz privat eine Kaffeesorte auf<br />

der Brust kleben hatte, wo doch längst<br />

absehbar war, dass wir ins Zeitalter der<br />

Hochgeschwindigkeitslitfaßsäulen hineintaumeln.<br />

Wir Untertanen aber haben<br />

entschlossen mittels Heldenplatzbalkon<br />

reagiert, auf den wir unseren guten, zur<br />

Abdankung gezwungenen Kaiser zum<br />

Winken gestellt hatten. Alte Bilder historischer,<br />

niemals verwundener Niederlagen<br />

traten ins kollektive Bewusstsein!<br />

Wir waren ein Skikaiserreich, wir erklärten<br />

dem IOC-Präsidenten Avery Brundage<br />

den Skikrieg, und der hat ihn nicht<br />

<strong>SPORTaktiv</strong><br />

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