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Hinz&Kunzt 300 Februar 2018

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Endlich eine eigene Wohnung!<br />

Für Narin Rasoul und ihre<br />

Tochter Shaveen sind die<br />

zwei Zimmer im dritten<br />

Stock des Neubaus am Mittleren Landweg<br />

eine kleine Oase. Zweieinhalb Jahre<br />

nach ihrer Flucht aus Syrien, die mit<br />

einem langen Fußmarsch bis in die<br />

Türkei begann, können sie im beigen<br />

Klinkerbau in Billwerder endlich zur<br />

Ruhe kommen. „Alles gut hier“, sagt<br />

die 49-jährige Narin, die schon ganz ordentlich<br />

Deutsch spricht, sichtlich zufrieden<br />

und reicht selbstgebackenen Baklava<br />

zum Kaffee. Auf die Frage, was<br />

sie sich wünscht, sagt sie: „Ich möchte<br />

Kontakt machen mit Deutschen, weil<br />

ich gut Deutsch lernen will.“ Ihr Problem:<br />

In der direkten Nachbarschaft<br />

gibt es keine Deutschen.<br />

Die Menschen, mit denen sich die<br />

Rasouls den Hausflur teilen, kommen<br />

aus Afghanistan, dem Irak und Syrien.<br />

In den neu gebauten Nachbarhäusern<br />

leben 2425 Bewohner, allesamt Geflüchtete<br />

mit Bleibeperspektive. Die<br />

Einrichtung am Gleisdreieck ist mit ihren<br />

750 Wohnungen die größte Flüchtlingsunterkunft,<br />

die es in Deutschland<br />

gibt. Für die Bewohner bedeutet der<br />

Umzug hierhin erst mal einen echten<br />

Fortschritt: Sie leben nun nicht mehr in<br />

Gemeinschaftsunterkünften, Wohncontainern<br />

oder gar Baumärkten, sondern<br />

Shaveen Rasoul (12, rechts) spricht bereits fließend Deutsch und<br />

hat gute Chancen, bald aufs Gymnasium zu gehen. „Später will ich mal<br />

studieren“, sagt die Zwölfjährige. Mutter Narin ist sichtlich stolz.<br />

in richtigen Wohnungen. Auf dem Papier<br />

gehören die allerdings noch zu einer<br />

öffentlichen Unterkunft. Der Betreiber<br />

fördern&wohnen (f&w) möchte<br />

die Bewohner hier „auf ein dauerhaftes<br />

Mietverhältnis vorbereiten“.<br />

Erst mal leben sie nun aber relativ<br />

isoliert. Direkt neben der Unterkunft<br />

stehen die Lauben von Kleingärtnern,<br />

dahinter am Mittleren Landweg leben<br />

nur etwa 650 alteingesessene Hamburger.<br />

Auch zufällige Begegnungen mit<br />

deutschen Nachbarn im Supermarkt<br />

finden nicht statt, denn einen Supermarkt<br />

gibt es nicht – zu wenige Anwohner,<br />

um den wirtschaftlich betreiben<br />

zu können, heißt es. Immerhin: Die<br />

S-Bahn-Station ist direkt um die Ecke.<br />

Narin Rasoul fährt zum Einkaufen mit<br />

der Bahn nach Bergedorf oder in die<br />

Innenstadt, das dauert jeweils nur ein<br />

paar Minuten.<br />

Sie muss aber längst nicht für alle<br />

Aktivitäten S-Bahn fahren, denn in der<br />

Unterkunft geben sich eine Menge<br />

Leute Mühe, für die Bewohner Angebote<br />

zu schaffen. Immer montags besucht<br />

Rasoul hier einen Deutschkurs<br />

für Frauen, den Ehrenamtliche im<br />

Haus 12 organisieren. Dort gibt es ei-<br />

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