Hinz&Kunzt 300 Februar 2018
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David Williams<br />
„Ich liebe es, meinen Jungen zu sehen. Meinen fünf Jahre alten Jungen. Ich liebe ihn<br />
über alles und würde alles für ihn tun. Er stolpert schon jetzt über meine Tattoos. Er fragt mich,<br />
warum ich Hörner habe. Ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll. Ich weiß nicht, was ich einem<br />
Fünfjährigen sagen soll, verstehst du? Manchmal denke ich mir, wenn ich nicht da bin,<br />
wird er nicht so wie ich. Er würde niemals so wie ich sein, weil er mich nicht so sehen würde.<br />
Und dann wiederum denke ich, ein Kind braucht seinen Vater.<br />
Ich sah meinen Vater überall mit Tattoos, und er sah groß und böse aus. Ich sah ihn<br />
mit Waffen und anderen Dingen herumrennen. Ich hatte das Gefühl, dass ich so wie<br />
er sein musste, weil er mein Vater ist, verstehst du? Er wollte nicht, dass ich so aussehe,<br />
aber er nahm immer Drogen, also konnte er mich nicht davon abhalten.“<br />
David Williams hat einen<br />
kleinen Sohn. Irgendwann<br />
fragte der Junge seinen Vater:<br />
„Papa, warum hast du<br />
Hörner?“ Dass der Kleine an seinem<br />
Vater vor allem die Hörner wahrnahm,<br />
war ein Schock für Williams. Einst gehörte<br />
er in Los Angeles, USA, einer kriminellen<br />
Bande an. Als Zeichen der<br />
Zugehörigkeit und auch später im<br />
Knast ließ er sich tätowieren. Nicht nur<br />
am Körper, an Armen und Beinen,<br />
auch am Kopf und im Gesicht. Dabei<br />
ging es nicht um ästhetische Bilder, sondern<br />
meist um Zahlencodes oder<br />
Schriftzüge, den Namen der Gang, darum,<br />
böse auszusehen. Seitdem sind<br />
Hörner auf Williams Stirn gemalt. Und<br />
obwohl Williams seine kriminelle Vergangenheit<br />
längst hinter sich gelassen<br />
hat, steht sie ihm noch auf die Haut geschrieben.<br />
Sichtbar für alle – für die<br />
Menschen auf der Straße, die gesamte<br />
Gesellschaft – und für seinen Sohn.<br />
Seine Geschichte hat David Williams<br />
dem Fotografen Steven Burton<br />
erzählt. Für die Fotoserie „Skin Deep –<br />
Looking beyond the tattoos“ hatte der<br />
das Ex-Gangmitglied fotografiert. Am<br />
Computer entfernte er die Tattoos anschließend<br />
mit digitaler Bildbearbeitung.<br />
Dann zeigte Steven Burton dem Aussteiger<br />
beide Bilder und interviewte ihn vor<br />
laufender Kamera.<br />
34<br />
Auf die Haut<br />
graviert:<br />
die kriminelle<br />
Vergangenheit<br />
So wie mit Williams arbeitete Steven<br />
Burton mit insgesamt 27 früheren<br />
Gangmitgliedern zusammen. Kennengelernt<br />
hatte er sie über „Homeboy<br />
Industries“. Die Organisation bietet<br />
ehemaligen Bandenmitgliedern und<br />
Ex-Häftlingen im Großraum von Los<br />
Angeles Konfliktmanagement, Berufs-